Posterwettbewerb

Salutophysiologie in der Geburtsvorbereitung

Wie können Hebammen werdende Eltern im Geburtsvorbereitungskurs unterstützen, damit sie langfristig gestärkt in ihrer neuen Rolle ankommen? Die Antworten von drei Expertinnen stellt ein Poster vor, das auf dem 3. DHZCongress im Posterwettbewerb den dritten Platz belegte. Barbara Moosbrucker

    Wenn im Rahmen der Schwangerenvorsorge potenzielle Risikofaktoren abgeklärt werden, wird die Frau mit Wahrscheinlichkeiten konfrontiert, die eine „Quelle der Angst" beinhalten (Duden 2006: 9f.; Samerski 2010: 76f.). Dabei spielt die Wahl der Worte eine wichtige Rolle. Ressourcen zu ermitteln und zu fördern, hilft im Umgang mit Stresssituationen.

    Wie können Paare in ihrem Kohärenz­gefühl im Prozess des Eltern-Werdens innerhalb eines Geburtsvorbereitungskurses gestärkt werden? Welche Methoden aus der Salutophysiologie stehen der Hebamme dabei zur Verfügung?

     

    Interviews mit drei Expertinnen

     

    Dazu haben drei erfahrene Hebammen aus der Schweiz und Deutschland in halbstrukturierten Expertinneninterviews Auskunft gegeben.

    Die befragten Hebammen hielten sowohl didaktische als auch praktische Methoden für geeignet, um das Kohärenzgefühl in der Geburtsvorbereitung zu stärken. Als didaktische Instrumente nannten sie die Wahl einer positiv-kon­struktiven Sprache, „gesättigte" Information unter Berücksichtigung der Sinneskanäle, Ressourcenaktivierung, aktive Miteinbeziehung der Kursteilnehmenden sowie Beziehungsaufbau. Als praktische Methoden setzten sie eine gezielte Körperarbeit, Entspannungs- und Visualisierungsübungen, Fantasiereisen oder den kreativen Ausdruck durch Singen, Tönen, Brummen oder Zeichnen ein.

    Alle drei Expertinnen waren sich einig, dass der Einsatz salutophysiologischer Methoden einen stärkenden Effekt auf das Kohärenzgefühl der Kursteilnehmenden hat. Die Hebamme stärkt die Frau, indem sie ihre Bedürfnisse identifiziert, Informationen bereitstellt, bei der Wahrnehmung körpereigener Prozesse hilft oder verschiedene Betreuungsoptionen darlegt (Schäfers 2011: 17). Ein Zusammenhang zwischen einem höheren Kohärenzgefühl und einer höheren Wahrscheinlichkeit auf eine Geburt mit weniger Komplikationen zeigt sich auch in der Forschung (Oz et al. 2009: 17).

    Aufgrund der kurzen Betreuungsdauer ist unklar, wie lange ein gestärktes Kohärenzgefühl anhält. Zumindest solange die Hebamme Teil des „Ökosystems" ist, sollte es wirksam sein. Danach erfolgt die Unterstützung meist über den Partner, was auch die Gesundheitswissenschaftlerinnen Ngai Fei-Wan und Ngu Siew-Fei anhand des familiären Kohärenzgefühls darstellen (Ngai & Ngu 2013: 87). Auch laut dem Medizinsoziologen Aaron Antonovsky bedarf es für eine grundlegende Verbesserung des Kohärenzgefühls einer längerfristigen Begleitung und Anpassung (Antonovsky 1997: 119).

    Darüber hinaus wurde die Förderung des Wir-Gefühls (Teambuilding) sowie eine Veränderung der Perspektive beobachtet, beispielsweise durch Besetzung der Geburt mit positiven Bildern. Wie aus der Hirnforschung bekannt ist, sind innere Bilder handlungsleitend und helfen bei der Bewältigung von Herausforderungen (Hüther 2011: 112f.).

     

    Resümee

     

    Hebammen arbeiten an der Wurzel, um den Eltern zu helfen, in ihre Rolle zu wachsen und sich zu entfalten. Es gibt noch nicht viele Hebammen, die ihren Geburtsvorbereitungskurs gezielt nach dem salutophysiologischen Prinzip ausrichten. Dennoch arbeiten laut der Hebamme Soo Downe erfahrene Hebammen bereits intuitiv in Richtung Salutogenese und integrieren in der Schwangerenbetreuung eine ganzheitlich erkennende Diagnostik.

    Rubrik: Ausgabe 02/2017

    Vom: 07.12.2020