Entwicklungs- und Nachhaltigkeitsziele

Hebammen machen den Unterschied

Mit den Entwicklungs- und Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen war die Welt auf einem guten Weg, um die Gesundheit von Frauen und Kindern zu fördern. Die Mütter- und Säuglingssterblichkeit ging nachweislich zurück. Doch der neue US-Präsident Donald Trump durchkreuzt diese Pläne mit der „Global Gag Rule“: Sie verbietet finanzielle Hilfen für Entwicklungsprogramme und Nichtregierungsorganisationen, die zur Beratung oder Durch­führung von Schwanger­schafts­abbrüchen beitragen. Die Folgen sind fatal. Ute Wronn
  • Atuhairwe Gorret aus Uganda zum Internationalen Hebammentag: „Ich wollte immer Hebamme werden. 2012 habe ich mein Examen gemacht. Ich habe seitdem noch kein Baby und keine Mutter verloren.“

Müttersterblichkeit? Müssen wir uns darum hier in Deutschland Gedanken machen? In unserem hochentwickelten Land erscheint das Thema nicht besonders drängend – schließlich liegen wir in puncto Müttersterblichkeit im positiven Sinne ganz weit vorn: Laut OECD-Statistik sterben bei uns lediglich 4,1 von 100.000 Frauen im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt (OECD.Stat, Zahl aus dem Jahr 2014). Der europäische Durchschnitt liegt bei 6,6/100.000 (Euro-Peristat 2010, S. 110). Schwanger zu sein und ein Kind zu bekommen ist, von diesem Standpunkt aus betrachtet, in Deutschland eine sichere Sache. Mütterliche Todesfälle sind hier tragisch und sehr selten. Richten wir den Blick über die Grenzen unseres Landes, fallen schon innerhalb Europas erhebliche Unterschiede auf: Rumänien, seit 2007 Mitglied der EU, bildet mit einer MMR von 31/100.000 das traurige Schlusslicht.

Weltweit ist die Schwangerschaft und die Zeit nach der Geburt für viele Frauen und Kinder eine Phase großer Gefahr. Zwar konnten sowohl die Mütter- als auch die Neugeborenensterblichkeit erheblich gesenkt werden, auch aufgrund der Anstrengungen, die zur Erfüllung der Millenniumentwicklungsziele 4 und 5 unternommen wurden: Die Müttersterblichkeit (Maternal Mortality Ratio, MMR) sank um 44 Prozent von 385/100.000 im Jahr 1990 auf 216/100.000 im Jahr 2015 und die Neugeborenen­sterblichkeit (Neonatal Mortality Rate, NMR) um 47 Prozent von 36,2/100.000 auf 19,2 im selben Zeitraum (vgl. The World Bank 2016a; 2016b). Das Ziel 5, die Senkung der Müttersterblichkeit um 75 Prozent von 1990 bis 2015, ist jedoch nicht erreicht worden. Die Unterschiede zwischen Entwicklungs- und Industrieländern sind nach wie vor viel zu groß: Die Müttersterblichkeit ist in Entwicklungsländern 14-mal so hoch wie in Industrieländern (UN 2015a, S. 9).

 

Vermeidbare Todesfälle

 

Immer noch sterben jährlich rund 287.000 Frauen während der Schwangerschaft, bei der Geburt oder im Wochenbett (ICM 2017, S. 4). Die meisten dieser Todesfälle sind vermeidbar. 99 Prozent davon ereignen sich in Entwicklungsländern, davon allein 66 Prozent in Subsahara-Afrika (WHO 2015a, xi). Mehr als die Hälfte aller mütterlichen Todesfälle werden durch Blutungen, Bluthochdruck­erkrankungen sowie Infektionen (Sepsis) verursacht (Say et al. 2014, Zeitraum 2003-09).

Die meisten der schweren, tödlichen Komplikationen sind durch eine angemessene Versorgung während der Schwangerschaft und bei der Geburt vermeidbar (Renfrew et al. 2014). Jedoch nur die Hälfte aller Frauen in Entwicklungsländern hat die Gelegenheit, während der Schwangerschaft das empfohlene Minimum von vier Vorsorgeuntersuchungen in Anspruch zu nehmen (UN 2015a, S. 9).

Um sicherzustellen, dass Schwangere und Gebärende kompetente Hilfe erhalten, muss vor allem ihr Zugang zu Gesundheitseinrichtungen und -versorgung verbessert werden. Aber auch in die Ausbildung von Hebammen muss investiert werden, damit genügend kompetente Hebammen zur Verfügung stehen. Denn: Hebammen machen den entscheidenden Unterschied.

Es ist erwiesen, dass gut ausgebildete Hebammen die Mütter- und Kindersterblichkeit senken und durch Gesundheitsförderung dazu beitragen, dass Familien gesünder und Gemeinschaften produktiver sind. Laut SOWMy (State of the World’s Midwifery Report) könnten zwei Drittel aller mütterlichen und Neugeborenensterbefälle durch ihren Einsatz verhindert werden und 87 Prozent der Gesundheitsleistungen während der Schwangerschaft, Geburt und Neugeborenenzeit von ihnen erbracht werden (UNFPA 2014, V). Beim SOWMYy handelt es sich um einen Bericht, der regelmäßig zum Internationalen Hebammenkongress herausgegeben wird und die Situation in Bezug auf die Hebammenversorgung in 73 Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommensniveau wiedergibt (siehe Link). Siehe http://www.unfpa.org/sowmy

Der kanadische Hebammenverband hat das Motto „Hebammen machen den Unterschied" für den aktuellen internationalen Hebammenkongress vom 18. bis 22. Juni in Toronto gewählt: „Midwives – Making a Difference in the World" (siehe Links).

 

Neue Ziele sind gesteckt

 

Auch nach Ablauf der Entwicklungsziele (Millennium Development Goals-MDGs) werden die Anstrengungen zur Senkung der Müttersterblichkeit weitergeführt. Dazu haben die Vereinten Nationen eine neue Agenda aufgestellt: die Nachhaltigkeitsziele Sustainable Development Goals (SDG, UN 2015b). SDG 3 sieht vor, dass bis 2030 die Müttersterblichkeit weltweit auf 70/100.000 gesenkt wird. Ebenso sollen bis zum selben Zeitpunkt alle Frauen Zugang zu Gesundheitsleistungen für Schwangerschaft und Geburt, sowie zu Familienplanung, Aufklärung und Information haben. Dadurch, dass die Länder diesen Gesundheitsbereich in ihre nationalen Programme und Strategien integrieren, werden die Frauenrechte gestärkt. Wenn Frauen dazu befähigt werden, die Anzahl und den Abstand ihrer Schwangerschaften selbst zu bestimmen, hat dies wiederum positive Auswirkungen auf ihre und die Gesundheit ihrer Familien.

 

Die „Global Gag Rule"

 

Gefährdet wird dieses Ziel durch die Global Gag Rule, die von US-Präsident Donald Trump nur vier Tage nach seiner Amtseinführung unterzeichnet wurde. Eine Gag Rule ist eine Anordnung (Rule), jemanden zu „knebeln" (Gag) und damit mundtot zu machen. In diesem Fall versagt sie Regierungsprogrammen in der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit und Nichtregierungsorganisationen die finanzielle Unterstützung der USA, wenn sie im Zusammenhang mit der Beratung zu sowie der Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen stehen oder eine Liberalisierung der Gesetzgebung in dem jeweiligen Land unterstützen. Hintergrund dieser Regelung ist die Absicht der konservativen Republikaner, die Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche weltweit zu reduzieren.

Die Vergangenheit hat gezeigt, dass genau das Gegenteil der Fall ist, wenn die finanzielle Unterstützung von Projekten zur reproduktiven und Mutter-Kind-Gesundheit ausgesetzt wird: Durch ausbleibende Beratung zur Familienplanung und mangelhafte Verhütung kommt es zu mehr unbeabsichtigten Schwangerschaften und dadurch zu mehr Abtreibungen (Starrs 2017; DSW 24.01.2017).

Da die USA einer der größten staatlichen Geldgeber in der Entwicklungszusammenarbeit sind, hat die Global Gag Rule einschneidende Folgen (nicht nur) für die sexuelle und reproduktive Gesundheit von Müttern und Kindern auf der ganzen Welt. Organisationen und Projekte, die in diesem Bereich tätig sind, haben nur zwei Optionen: Entweder nehmen sie drastische finanzielle Kürzungen in Kauf, wenn sie sich der Gag Rule nicht beugen wollen. Oder sie können den Menschen nur eingeschränkten Zugang zu Leistungen im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit gewähren und müssen ihnen ihr Recht auf selbstbestimmte Familienplanung vorenthalten, wozu auch das Recht auf Verhütungsberatung sowie im Extremfall auf eine fachgerecht durchgeführte Abtreibung gehören.

 

Fatale Kürzungen

 

Von den Kürzungen betroffen sind in den Entwicklungsprojekten und -programmen auch Maßnahmen, die lebensrettend sein können. Dazu gehören neben der Schwangerenvorsorge, Prävention und Behandlung von HIV, Zika, Tuberkulose und Malaria auch Impf- und Ernährungsprogramme.

Allein dem wirkmächtigen Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen UNFPA, Partnerorganisation des internationalen Hebammendachverbands (International Confederation of Midwives, ICM) soll die finanzielle Unterstützung von 75 Millionen US-Dollar entzogen werden (siehe Links). Die Begründung, dass er Abtreibungspraktiken in China unterstütze, ist nicht belegt und wird von UNFPA zurückgewiesen (The Lancet 2017). Sowohl UNFPA als auch ICM haben sich öffentlich zu den fatalen Auswirkungen der Global Gag Rule positioniert (ICM 27.01.2017; UNFPA 04.04.2017). Der Deutsche Hebammenverband e. V. schließt sich diesen Erklärungen an (Klenk 2017; DHV 06.03.2017).

Die ideologische Daumenschraube, die die regressive US-amerikanische Politik an Gesundheitsprogramme nicht nur im Bereich der reproduktiven Gesundheit anlegt, wird voraussichtlich kaum (ungeborene) Menschenleben retten. Sie kann jedoch viele Menschenleben kosten, wenn die notwendige Hilfe ausbleibt.

 

Müttersterblichkeit

 

Als mütterlicher Todesfall gilt der Tod einer Frau während einer Schwangerschaft und Geburt oder bis zu 42 Tage nach Beendigung einer Schwangerschaft durch Ursachen, die im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft stehen und durch diese oder deren Behandlung verschlimmert werden, nicht jedoch durch Un- oder Zufälle (WHO 2015b). Berechnet wird die Müttersterblichkeit (Maternal Mortality Ratio, MMR) als die Anzahl der mütterlichen Todesfälle innerhalb der weiblichen Bevölkerung eines bestimmten geografischen Gebiets in einem Jahr, bezogen auf 100.000 Lebendgeburten, die dort in der Gesamtbevölkerung im selben Jahrstattfinden (OECD 2001, updated 2006).

Rubrik: Ausgabe 06/2017

Vom: 26.05.2017