Elterliche Arbeitsteilung

In der Falle

Mit der Geburt des ersten Kindes setzen in den meisten Familien »Traditionalisierungseffekte« ein: Junge Mütter verringern ihre Erwerbsarbeit oder geben sie auf, junge Väter arbeiten umso mehr. Dafür übernehmen Frauen unbezahlte Haus- und Erziehungsarbeit. Wo liegen die Ursachen für diese Ungleichheit zwischen den Geschlechtern? Und wie ergeht es lesbischen oder schwulen Eltern? Dr. phil. Sabina Stelzig-Willutzki
  • Väter verbringen immer noch deutlich weniger Zeit mit ihren Kindern als Mütter, die häufig in Teilzeit arbeiten und mehr Familienaufgaben über­nehmen.

Männer und Frauen gehen als modernes Paar in den Kreißsaal hinein und kommen als Fünfziger-Jahre-Paar wieder heraus«, soll Jakob Hein, Schriftsteller und ehemaliger Väterbeauftragter der Charité in Berlin, gesagt haben (DGB 2015). Die Geburt von Kindern hat für Väter und Mütter immer noch sehr unterschiedliche Auswirkungen auf Arbeitszeit, Hausarbeit und Kinderziehung. So arbeitet die Hälfte aller kinderlosen Frauen in Vollzeit, aber nur rund ein Viertel aller Mütter. Von kinderlosen Männern hingegen haben 79 % eine volle Stelle – aber 91 % der Väter (Wippermann 2016). Sind vor der Geburt des ersten Kindes Zeitverwendung, Teilhabe am Erwerbsleben und Verteilung der Aufgaben im Haushalt eines Paares noch relativ egalitär aufgeteilt, bedeutet die Geburt für die meisten Frauen einen erheblichen Einschnitt in ihr Erwerbsleben.

Und obwohl viele junge Väter mehr Gleichberechtigung wünschen, beteiligen sie sich bislang nicht stärker an Haushalt und Kinderbetreuung (Peuckert 2012). Politische Instrumente wie die Zahlung des Elterngeldes von der Beteiligung der Väter abgängig zu machen, zum Beispiel durch die sogenannten »Partnermonate«, haben bislang nur wenige Effekte (Allmendinger & Haarbrücker 2013). Zwar ist die Zahl der Väter, die Elternzeit nehmen, insgesamt gestiegen, aber 75 % von ihnen gehen nur für zwei Monate in Elternzeit.

Sobald sie Vater werden, erhöhen Männer ihre Arbeitszeit häufig sogar noch, unter anderem um die gestiegenen Kosten für die Ernährung der Familie und den Verdienstausfall der Partnerin zu kompensieren. Zeitliche Räume für Familie sind daher bei vielen Vätern deutlich enger als bei Müttern, die häufig in Teilzeit oder in geringfügiger Beschäftigung arbeiten. Dieses Muster der Arbeitsteilung hält sich häufig noch lange Zeit nach der Still- und Kleinkindphase. Nicht selten bleibt es auch nach der Schulkindphase oder sogar für das restliche Leben bestehen. Fachleute sprechen von einer Traditionalisierung der Beziehungen und von einem »Traditionalisierungseffekt« (Fthenakis & Kalicki 2000).

Nicht selten löst die Traditionalisierung der Arbeitsteilung Konflikte in der Elternbeziehung aus. Für die häufig rapide abnehmende Partnerschaftsqualität nach der Geburt eines Kindes wird zu einem erheblichen Teil die ungleiche Beteiligung vor allem an der Hausarbeit verantwortlich gemacht (Peuckert 2012). Noch gravierender sind jedoch die negativen Konsequenzen für das Einkommen und die Alterssicherung der Frauen: Eine Unterbrechung, Reduktion oder gar Aufgabe der Erwerbstätigkeit verhindert langfristig einen beruflichen Aufstieg und führt zu Defiziten in der sozialen Sicherung (Boll 2017; Boll 2011).

Die Alterssicherung ist in Deutschland stark auf bezahlte Erwerbstätigkeit ausgerichtet, sie wird maßgeblich über die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge finanziert. So erzielen Frauen häufig relativ niedrige Alterssicherungsansprüche, viele haben im Alter eine prekäre Einkommenssituation (BMBFSFJ 2011). Dabei haben Frauen aufgrund von Tätigkeiten wie Kindererziehung eben nur ein geringeres Zeitfenster für eine bezahlte Erwerbstätigkeit und der Anteil an unbezahlten Tätigkeiten ist in der Regel viel höher als bei Männern (Hobler et al. 2017).

 

Erwerbsarbeit und unbezahlte Arbeit von Vätern und Müttern (tatsächliche Durchschnittswerte pro Tag – Feiertage, Wochenenden, Ferien eingerechnet – sowie auch die nichterwerbstätigen Mütter)

 

»Gute Mütter«, »gute Väter«

 

Prozesse der Traditionalisierung vollziehen sich relativ unabhängig vom wirtschaftlichen Hintergrund der Paare. Konflikte in der Partnerschaft können jedoch abgemildert werden, wenn das Paar beispielsweise über Mittel verfügt, externe Dienstleistungen »einzukaufen«, um beispielsweise eine Reinigungskraft und zusätzliche Kinderbetreuung bezahlen zu können. Doch auch bei finanziell gut gestellten Familien kommt es zur Traditionalisierungsprozessen aufgrund tief verankerter Wertvorstellungen. Weit verbreitet ist beispielsweise die Annahme, dass jüngere Kinder unter der Berufstätigkeit ihrer Mutter grundsätzlich leiden würden. Zahlreiche Studien konnten bislang keinen Zusammenhang zwischen sozialisatorischen Folgen für die Persönlichkeitsentwicklung und mütterlicher Berufstätigkeit finden. Eine gute Entwicklung des Kindes hängt vielmehr von der Zufriedenheit der Mütter mit ihrer beruflichen Situation ab (Peuckert 2012).

Abgesehen von Einstellungen und Bildern in den Köpfen der Eltern über geschlechtsspezifische Einflüsse auf die Kindesentwicklung gibt es auch ganz praktische Schwierigkeiten für Eltern, die Erwerbs- und Sorgearbeit egalitär aufzuteilen. Daran hat auch der in Deutschland ab August 2013 realisierte Rechtsanspruch auf die Betreuung von unter dreijährigen Kindern nichts geändert: Viele Kitas gehen in ihren zeitlichen Angeboten nicht von zwei vollzeiterwerbstätigen Eltern aus. So ist einer der Partner meist gezwungen, die Zeiten für die Erwerbstätigkeit an die Betreuungszeiten anzupassen. Väter fürchten Nachteile im Beruf, wenn sie ihre Arbeit reduzieren und überhaupt oder mehr als die zwei »Partnermonate« Elternzeit nehmen (forsa 2013).

Die Tendenz zur Traditionalisierung wird außerdem durch monetäre Anreize wie das Ehegattensplitting und eine beitragsfreie Mitversicherung bei der Krankenkasse für nicht berufstätige Ehepartner verstärkt – alles Faktoren, die eine Erwerbstätigkeit des nicht voll erwerbstätigen Partners über einen geringen Zuverdienst hinaus hemmen. Die festgelegte Verdienstobergrenze für Minijobs zielt in dieselbe Richtung.

Traditionalisierungseffekte nach einer Geburt finden sich nicht nur bei verheirateten Paaren, sondern auch bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften und das, obwohl sie als »Ausdruck moderner Partnerschaftsarrangements« gelten können (Peuckert 2012). Dabei profitieren nicht-verheiratete Eltern weder vom Ehegattensplitting noch von der kostenlosen Mitversicherung des Partners in der Krankenkasse. Ökonomische Überlegungen mögen bei unverheirateten Paaren dennoch eine Rolle spielen, zum Beispiel dass derjenige Partner mehr zu Hause bleibt, der weniger verdient – und das ist häufiger die Frau. Es erscheint dann zunächst »einfach sinnvoll«, dass die Mutter den Löwenanteil an unbezahlter Arbeit nach der Geburt übernimmt (Hobler et al. 2017). Sicher wirken jedoch auch bei den unverheirateten Eltern traditionelle geschlechtliche Rollenvorstellungen davon, was »eine gute Mutter«, was »ein guter Vater« ist, und verhindern so eine gleichberechtigtere Arbeitsteilung zwischen den Partnern.

 

Lesbische und schwule Eltern

 

Anders bei den sogenannten »Regenbogenfamilien«: Gleichgeschlechtliche Paare können sich für die Aufteilung der Tätigkeiten in ihrer Beziehung kaum an traditionellen Rollenmodellen orientieren. Und tatsächlich zeigt sich nach den Ergebnissen bisheriger Studien eine stärker egalitäre häusliche Arbeitsteilung in Regenbogenfamilien (Eggen & Ulrich 2015). Elke Jansen und Melanie Caroline Steffens kommen zu dem Schluss, dass Erziehungs- und Versorgungsaufgaben in lesbischen Beziehungen insgesamt »gleichberechtigter, flexibler und demokratischer verteilt [sind, d.A.] als in heterosexuellen Beziehungen« (Jansen & Steffens 2006). Dies führe auch zu einer größeren Partnerschaftszufriedenheit nach der Geburt eines Kindes. Schwule Väter scheinen weitestgehend ohne Anreize wie »Partnermonate« auszukommen (Maier 2009).

Insgesamt wird bei gleichgeschlechtlichen Paaren mit Kindern die Organisation von Beruf und Haushalt zeitlich und sachlich eher entlang persönlicher Präferenzen verteilt als bei verschiedengeschlechtlichen Paaren (Eggen & Ulrich 2015). Dabei können eingetragene Lebenspartnerschaften (und seit neuestem auch gleichgeschlechtliche Ehen) prinzipiell dieselben steuerlichen Vorteile geltend machen wie verheiratete heterosexuelle Paare, was eine nicht-egalitäre Aufteilung bezahlter Erwerbs- und nicht bezahlter Fürsorgearbeit begünstigt.

Studien zur Aufgabenverteilung bei lesbischen Paaren zeigen jedoch auch leichte Unterschiede zwischen den Tätigkeiten der Partnerinnen: Arbeiten im Haushalt und Entscheidungen über das Familienleben werden weitestgehend gleichberechtigt verteilt. Aber leibliche Mütter geben an, sich mehr um das Kind zu kümmern, während nicht-leibliche Mütter berichteten, mehr Zeit im Beruf zu verbringen (Rupp & Bergold 2009; Patterson 1995). Eine gleiche Beteiligung an der Kinderversorgung führt zu mehr Zufriedenheit auf Seiten der Eltern und zu einer stärkeren Ausgeglichenheit bei den Kindern (Patterson 1995).

Marina Rupp und Pia Bergold fanden heraus, dass die Quote der leiblichen Mütter, die in den ersten Lebensjahren zu Hause blieben, im zweiten und dritten Lebensjahr deutlich abnimmt (Rupp & Bergold 2009). Dabei wird eine egalitäre Aufgabenteilung in der Familie durch die rechtliche Lage homosexueller Eltern kaum begünstigt. Zumindest eine Mutter oder ein Vater in einer Regenbogenfamilien ist als nicht-leiblicher Elternteil oft auch der rechtlose Elternteil. Sie oder er erhält den Status eines sozialen Elternteils, der in relevanten gesellschaftlichen und gesundheitlichen Bereichen nicht gleichberechtigt ist (Steffen & Jansen 2006).

Vermutlich ist die Paarzufriedenheit nach der Geburt eines Kindes in gleichgeschlechtlichen Beziehungen höher als in gegengeschlechtlichen Partnerschaften, da sich weniger Konflikte über die Verteilung unbezahlter Arbeit ergeben: »Ein heterosexueller Mann kann Vater werden und Erziehung und Haushalt der Frau überlassen. Ein homosexueller Vater kann das nicht. In Familien mit homosexuellen Eltern spielt das Geschlecht keine Rolle, wenn es darum geht, wer die Brötchen verdient und wer sie schmiert. […] Nicht das Geschlecht bestimmt, sondern die Präferenzen der Eltern entscheiden darüber, wer bei homosexuellen Eltern was macht.« (Rauchfleisch 2001).

 

Umverteilung tut Not

 

Die Geburt eines Kindes hat aber auch auf die Arbeitsteilung gleichgeschlechtlicher Eltern durchaus einen Einfluss, auch wenn kaum von »Traditionalisierung der Beziehungen« gesprochen werden kann, da geschlechtliche Traditionen hier keine Rolle spielen. Dennoch: Ein Partner wird nach der Geburt auch in einer Regenbogenfamilie beruflich zurückstecken müssen, ebenso wie in nichtehelichen Lebenspartnerschaften, in Patchworkfamilien und in allen anderen Familienformen, in denen Fürsorge übernommen wird (für einen Überblick zu Familienformen vgl. Wonneberger & Stelzig-Willutzki 2017). Mit fehlenden Kita-Plätzen, zu starren Öffnungszeiten der Betreuungseinrichtungen, einer geringen Akzeptanz und kaum Karrieremöglichkeiten von Teilzeitbeschäftigung sowie kaum flexiblen Arbeitszeiten haben alle Eltern zu kämpfen, unabhängig vom Geschlecht. Selbst bei einer niedrigen Vollzeit-Erwerbstätigkeit beider Elternteile brauchen Familien eine verlässlichere und qualitativ bessere Infrastruktur für ihre Kinder als die, die sie heute meist vorfinden, wenn die »Traditionalisierungsfalle« entschärft werden soll.

Daher geht es generell um eine größere Umverteilung von bezahlter und unbezahlter Zeit, nicht nur zwischen Männer und Frauen, sondern zwischen allen Menschen, die Eltern werden. Neue Wege der Anerkennung, Aufwertung und Bezahlung wie auch der gesellschaftlichen Organisation von Fürsorgearbeit werden gebraucht. Nur dann können Eltern auch in Bezug auf die familiale Aufgabenverteilung als das moderne Paar aus dem Kreißsaal kommen, als das sie hineingegangen sind – ganz gleich, in welcher Familienform sie leben.

Rubrik: Ausgabe 10/2017

Vom: 27.09.2017