»Ich lass mal Badewasser ein …«

Warmes Wasser wirkt schmerzlindernd und entspannt. Es ist preisgünstig, nicht invasiv und hat keine Nebenwirkungen. Diese Behandlungsform kann innerhalb weniger Minuten begonnen oder auch abgebrochen werden. Und doch werden in Deutschlands Kliniken nur knapp zwei Prozent der Kinder im Wasser geboren und weniger als die Hälfte der Frauen nutzen das Wasser zur Schmerzlinderung. Peggy Seehafer
  • Viele Paare genießen es, im Wasser zu entspannen und sich so gemeinsam auf die Geburt vorzubereiten.

  • Blutungen bei der Wassergeburt richtig einzuschätzen, kann geübt werden.

  • Im Notfall muss die Frau schnell aus der Wanne geholt werden können – dies bedarf des wiederholten Trainings im Team.

  • Elisabeth Mortensen, färöische Hebamme und Trainerin zum Thema Wassergeburt: »Viele Frauen können an Land nicht gut und ausreichend lange in der Hocke bleiben, aber in der Wanne ist es dann kein Problem.«

Peggy Seehafer: Warum sollten Frauen im Wasser gebären?

Elisabeth Mortensen: Nachdem Frauen im Wasser geboren haben, beschreiben sie oft eine große Zufriedenheit mit der Schmerzlinderung und dem Geburtserlebnis. Viele Frauen verbinden mit einem warmen Bad Entspannung und Wohlbefinden. Das Gefühl, von warmem Wasser umschlossen zu sein, ist beruhigend und vertraut. Genau dieses Gefühl von »Das kenn ich und das tut mir nichts« kann in der unbekannten Situation einer Geburt sehr hilfreich sein, wo sich manche Frauen sonst sehr unsicher fühlen.

Das Gefühl der Schwerelosigkeit erleichtert es den Frauen, ihre Positionen zu wechseln. Dieser Wechsel kann wiederum schmerzlindernd wirken und auch den Geburtsfortschritt unterstützen.

Die Wanne kann für die Frauen ein abgegrenzter, sehr privater Ort sein und ihr dadurch helfen, sich auf die Geburt zu fokussieren. In der Badewanne gibt es keine Smartphones oder andere störende Elemente. Wenn man möchte, kann man sich zurücklehnen, die Ohren unter Wasser tauchen und den Rest der Welt außen vor lassen. Die Wanne ist auch eine Art natürliche Grenze für die GeburtshelferInnen, den Partner oder andere KlinikmitarbeiterInnen, weil ihnen vielleicht bewusster wird, dass sie die Frau besser in Ruhe lassen, wenn sie im Wasser ist.

Peggy Seehafer: Wann würden Sie empfehlen, in die Wanne zu steigen?

Elisabeth Mortensen: Besonders in der Eröffnungsperiode kann ein Bad der Frau die Ruhe geben, sich zu entspannen und die Kräfte für die Austrittsphase zu sparen. Einige Frauen kommen beinahe in einen meditativen Zustand und genießen das warme Wasser in vollen Zügen. Das kann so weit gehen, dass die Wehen schwächer werden.
Als Hebamme müssen Sie natürlich aufmerksam beobachten, dass die Geburt so voranschreitet, wie sie soll. Eine Wehenschwäche kann zum Beispiel dadurch ausgelöst werden, dass die Frau sich in der Wanne zu wenig bewegt. Dann können Sie ihr helfen, ihre Position immer mal wieder zu wechseln, und sie anregen, sich auch in der Wanne aktiv zu bewegen. Manchen Frauen hilft es, wenn sie zwischendurch die Wanne mal wieder verlassen, ein bisschen herumgehen oder auf einem Ball sitzen und dann wieder hineinsteigen können.

Wenn die Frauen reichlich trinken, bedingt das Aufsuchen der Toilette immer einen natürlichen Wechsel der Körperhaltung. Gerade in der aktiven Phase der Geburt kann die Schwerelosigkeit für die Frauen eine große Hilfe dabei sein, immer wieder eine andere Körperhaltung einzunehmen. Besonders für umfangreiche Frauen ist eine Gebärwanne ein richtiger Gewinn, weil sie deutlich von dem Wasserauftrieb einer großen Wanne profitieren. Durch die Form der Badewanne sind verschiedene Gebärstellungen möglich, aus denen man auswählen kann.

Peggy Seehafer: Wie überzeugen Sie skeptische Frauen, in die Wanne zu steigen?

Elisabeth Mortensen: Wenn Sie eine Frau fragen, ob sie sich vorstellen kann, in die Wanne zu gehen, ist es vielleicht zu schwer für sie, Ihrem Vorschlag zuzustimmen. Wenn Sie stattdessen sagen: »Ich lass mal Badewasser ein, und wenn Sie Lust haben, können Sie es einfach ausprobieren«, macht es das für die Frauen etwas leichter, ohne dass sie sich verpflichtet fühlen, die Wanne tatsächlich nutzen zu müssen. Es ist auch wichtig, der Frau zu vermitteln, dass eine oder fünf Stunden in der Wanne sie keineswegs dazu verpflichten, darin auch zu gebären. In Befragungen zum Kreißsaal-Design geben Frauen immer an, dass es ihnen wichtig ist, ein jederzeit zugängliches Bad nur für sich zu haben. Es ist also sinnvoll, wenn die Wanne mit im Geburtsraum steht.

Peggy Seehafer: Wie hilft Wasser gegen Schmerzen?

Elisabeth Mortensen: Die Gate-Control-Theory über Schmerzen besagt, dass man Schmerzimpulse umleiten oder unterdrücken kann, indem man andere, angenehme Sinneseindrücke erzeugt. Viele Schwangere und Gebärende genießen es, schmerzende und verspannte Stellen im Körper massiert zu bekommen, was dazu führt, dass das Unbehagen durch eine angenehme Stimulation abgelöst wird.

Die Wärme und der sanfte Druck des Wassers stimulieren die Sinne und können auf diese Art helfen, weniger Schmerzen während der Geburt zu empfinden. Der Effekt lässt sich noch steigern, wenn das Wasser an der Haut entlang in Bewegung versetzt werden kann, sei es durch einen Duschkopf unter oder über Wasser oder durch die eigene Bewegung in der Badewanne.

Bei Rückenschmerzen im unteren Bereich können extra angewärmte Handtücher als Kompressen, warme Massagesteine oder ein warmer Wasserstrahl mit dem Duschkopf in diesem Bereich Linderung verschaffen. Schmerzen im Symphysenbereich lassen sich oft auch mit einer leichten Massage oder einer Wasserdruckmassage aus dem Duschkopf lindern. Wenn es in dem jeweiligen Kreißsaal baulich funktioniert, können die Frauen zusätzlich auch Lachgas anwenden, ohne dass die Gefahr besteht, dass die Frau ertrinkt. Dazu ist es aber erforderlich, dass immer eine Hebamme mit im Raum ist.

Peggy Seehafer: Wie kann der oder die Partnerin helfen?

Elisabeth Mortensen: Es ist schön, wirkt beruhigend und liebevoll, einfach eine Hand halten zu können oder an den Haaren im Nacken oder an den Schultern gestreichelt zu werden. Eventuell kann eine Nacken- oder Schultermassage der Frau helfen, zwischen den Wehen locker zu lassen. Ein Kuss macht froh und löst nebenbei die Verspannung im Unterkiefer. Für einige Paare kann es ein schönes Gefühl sein, wenn der Partner mit in die Badewanne kommt, vor allem zu Beginn der Geburt. Das kann Nähe, Vertrauen und Intimität schaffen, die es für beide leichter machen, sich auf den Geburtsprozess einzulassen. Wenn Sie einem Paar anbieten, dass der Partner mit in die Badewanne steigen könnte, heißt es nicht in jedem Fall, dass er es auch begeistert annimmt. Aber Sie haben ihm eine Möglichkeit eröffnet und vielleicht wird er diese annehmen, wenn er eine Weile darüber nachgedacht hat.

Peggy Seehafer: Worauf sollten Hebammen unbedingt beachten?

Elisabeth Mortensen: Die Temperatur des Wassers sollte nicht höher als 37°C liegen. Wenn das Wasser zu warm wird, kann das zu einer Erhöhung der fetalen Herzfrequenz führen, die das Baby unnötig stresst.

Es ist wichtig, dass die Frauen im Wasser reichlich trinken, weil sie durch die Wärme richtig viel schwitzen, ohne dass es sichtbar wird. Der Partner kann der Frau kalte Getränke reichen und sie auffordern, immer mal wieder ein paar Schlucke zwischen den Wehen zu trinken. Achten Sie auf die Körpertemperatur der Frau. Wenn es ihr zu warm ist, können Sie die Wassertemperatur etwas absenken oder ihr vorschlagen, mal für einen Moment aus dem Wasser zu kommen und sich abzukühlen. Ansonsten sind kalte Tücher, kalte Getränke oder eine Abkühlung über den Duschkopf hilfreich. Eine hohe Körpertemperatur der Mutter führt über kurz oder lang auch zu einer Tachycardie des Kindes, was dann häufig dazu führt, dass die Frau aus der Wanne kommen muss.

Sowohl die Frau als auch ihr Partner sollten daran denken, in der ganzen Zeit etwas zu essen. Geschnittenes Obst und Kekse sind in der Wehenpause leicht zu essen und geben schnell neue Energie.

Wenn die Frau aus der Wanne steigt, braucht sie eine stützende Hand, damit sie nicht ausrutscht. Die Hebamme oder der Partner können mit einem Handtuch parat stehen, ihr beim Aussteigen helfen und zeigen, wohin sie die Füße setzen kann. Beim Einstieg in die Wanne kann sich die Frau am Rand festhalten und auf die kleine Stufe oder direkt auf den Boden der Wanne steigen. Die starken Kniebeugen dabei bewegen das Becken sehr gut, was der Geburt durchaus zuträglich ist.

Peggy Seehafer: Was, wenn Nacktheit eine Hürde ist?

Elisabeth Mortensen: Manchmal fühlen sich die Frauen mit ihrer Nacktheit unwohl, dann kann ihnen der Partner oder die Hebamme ein Handtuch zum Zudecken mit in die Wanne geben. Als Hebamme können Sie der Frau helfen, indem Sie ihr im Vorfeld empfehlen, sich einen alten BH, ein Bikinioberteil oder ein Hemd mitzubringen, das schmutzig werden darf. Mit diesen Sachen kann sie den Oberkörper oder die Brust bedecken, wenn sie das wünscht. Falls sie nichts mitgebracht hat, kann die Frau auch ein Kliniknachthemd überziehen. Manchmal reicht auch einfach ein Handtuch oder eine Stoffwindel zum Drunter-verstecken. Wenn das Kind geboren ist, ist es selbstverständlich wichtig, dass es Haut auf Haut mit der Mutter liegt. Dann sollte sie die Kleidung ausziehen. Ein Handtuch oder ein warmes Tuch können über beide gelegt werden, damit das Kind nicht auskühlt.

Peggy Seehafer: Wie wird die fetale Überwachung gewährleistet?

Elisabeth Mortensen: Die Herztöne des Kindes werden im Verlauf der Geburt mit einem Dopton oder einem mobilen CTG überwacht. Das Dopton können Sie fast in jeder Position der Gebärenden anwenden. In der Regel ist es nicht notwendig, Gel zu verwenden, weil das Wasser als Kontaktmedium ausreicht. Falls es ohne Gel keine ordentliche Übertragung der Herztöne gibt, können Sie Gel in ein Kondom oder eine Plastiktüte füllen und ziehen es über den Schallkopf des Doptons. Das verbessert die Übertragung.

Den Frauen, die ein CTG benötigen, kann eines mit Telemetrie angelegt werden. Wichtig ist, immer auch den mütterlichen Puls zu checken, damit Sie sicher sein können, dass Sie die kindlichen Herztöne aufzeichnen und nicht eine mütterliche Tachycardie aufgrund des warmen Wassers und der Wehen.

Peggy Seehafer: Welche Körperhaltungen können die Frauen wählen?

Elisabeth Mortensen: In der Gebärwanne gibt es viele Möglichkeiten, unterschiedliche Körperhaltungen einzunehmen. Einige eignen sich besonders, um den Beckenausgang zu öffnen. Viele Frauen können an Land nicht gut und ausreichend lange in der Hocke bleiben, aber in der Wanne ist es dann kein Problem, weil das Wasser sie trägt. Wenn die Frau anfängt mitzuschieben, kann es gut für sie sein, sich am Rand der Wanne oder an ihrem Partner oder einer Geburtshelferin festzuhalten. Bei dieser Körperhaltung der Frau ist es ganz wichtig, für sich selbst eine gute Arbeitsposition zu finden, so dass der Partner oder die Geburtshelferin ihr eigenes Körpergewicht statt ihrer Kräfte einsetzen können, um gegenzuhalten.

Wenn die Frau im tieferen Teil der Wanne sitzt oder kniet, nutzt sie den größtmöglichen Effekt des Wassers. Einerseits, weil der Wasserdruck etwas höher ist als der Luftdruck und damit die Reizschwelle anhebt und schmerzlindernd wirkt, und andererseits, weil sie dann eben tief im Wasser sitzt und maximalen Auftrieb erfährt. Die knienden Positionen können variiert werden, indem ein Fuß flach auf dem Boden aufgesetzt wird. Dabei wird das obere Knie etwas entlastet. Es kann auch hilfreich sein, ein gefaltetes Handtuch als weiche Unterlage unter die Knie in die Wanne zu legen.

Für Sie als Hebamme ist es wichtig, dass Sie während des Austritts des Kindes den Damm sehen und die Frau entsprechend anleiten können, so dass das Kind langsam über den Damm geboren wird. Wenn die Kraft der Presswehen zu stark ist, kann es gut sein, der Frau in eine liegende Position zu helfen, zum Beispiel in die Seiten- oder Rückenlage.

Peggy Seehafer: Gibt es evidenzbasierte Empfehlungen zum Dammschutz?

Elisabeth Mortensen: Die Fachgesellschaften für Gynäkologie und Geburtshilfe in Dänemark und Großbritannien empfehlen den aktiven Dammschutz unter Sicht während der Austrittswehen. Einzelne Kliniken hingegen empfehlen »Hands off« bei Wassergeburten aufgrund eines theoretischen Risikos, dass die Berührung des Kopfes beim Kind zu einer Aspiration des Badewassers führen könnte. Dieses Risiko ist bisher nicht durch klinische Studien belegt.

Die aktive Unterstützung des Dammes während der Austrittswehen scheint auch im Wasser das Risiko für Sphinkterverletzungen zu verringern. Zumindest belegen das einige Studien, andere finden keinen Unterschied. Dabei geht es darum, dass Kopf und Schultern langsam im Richtungsverlauf des Beckenkanals geboren werden. Dafür beurteilt die Hebamme die Höhe des Dammes, die Farbe und Elastizität zwischen den Wehen. Sie stützt den Damm in der Wehe, sowohl beim Austritt des Kopfes als auch bei den Schultern. Das lässt sich auch in der Gebärwanne realisieren.

Während der letzten Wehen sollten Sie einen freien Blick auf den Damm inklusive Anus haben. Wenn die Frau kniet, kann es hilfreich sein, einen Spiegel auf dem Grund der Wanne zu positionieren und ein Licht darauf zu richten, um den Fortschritt während der Pressperiode einschätzen zu können.

Peggy Seehafer: Manche Hebammen vermeiden Wassergeburten, weil ihnen anschließend der Rücken wehtut.

Elisabeth Mortensen: In flachen oder sehr breiten Gebärwannen kann es für die Hebamme schwierig sein, eine ergonomische Arbeitshaltung einzunehmen, während sie den Dammschutz ausführt. Sie können die Frau bitten, an den Rand der Wanne zu kommen, und Sie können ein paar zusammengelegte Handtücher unter ihren Po schieben, um das Becken ein bisschen nach oben anzukippen. Das macht nicht nur die Frau rund im Rücken, sondern ermöglicht Ihnen eine bessere Sicht auf den Damm. Wenn Sie die Hände vom Damm weglassen, ist es besonders wichtig, gut mit der Frau zu kommunizieren und sie während der letzten Wehen gut zum Kurzatmen anleiten zu können, damit Kopf und Schultern ganz behutsam geboren werden.

Peggy Seehafer: Wie erleben Frauen die ersten Minuten nach einer Wassergeburt?

Elisabeth Mortensen: Der Augenblick, in dem die Frau sich zu ihrem Kind beugt und es zum ersten Mal berührt, kann sehr bewegend sein. Der Auftrieb und die Schwerelosigkeit im Wasser machen es möglich, dass die meisten Frauen sich herunterbeugen und ihr Kind nach der Geburt selbst zu sich aufnehmen können, ohne Angst zu haben, es fallen zu lassen. Wenn das Kind eine Nabelschnurumschlingung hat, ist es am einfachsten, sie unter Wasser abzuwickeln. Solange das Kind unter Wasser ist, im ersten Augenblick nach der Geburt, kommt der Atemreflex noch nicht in Gang und das Kind wird noch über die Nabelschnur versorgt. Die Hebamme kann die Frau anleiten, ihr Kind im Wasser anzusehen, bevor sie es hochhebt. Dadurch wird der Übergang vom Wasser an die Luft ganz ruhig, friedlich und schön.

Peggy Seehafer: Worauf muss die Hebamme achten, wenn das Kind geboren ist?

Elisabeth Mortensen: Sobald der Kopf des Kindes aus dem Wasser kommt, ist es wichtig, dass danach kein Wasser mehr in seine Atemwege gelangt. Deshalb müssen Sie darauf achten, dass die Mutter mit der Brust aus dem Wasser herausragt und sich keine kleine Wasserpfütze zwischen ihren Brüsten gesammelt hat. Ein angewärmtes Tuch oder Handtuch wird so darüber gelegt, dass das Kind nicht auskühlen kann.

Unter der Voraussetzung, dass es Mutter und Kind gut geht, kann man der kleinen Familie ein paar Minuten Ruhe gewähren. Kinder, die ins Wasser geboren wurden, sind nach der Geburt häufig viel ruhiger und es dauert länger, bis sich die rosige Hautfarbe über den ganzen Körper ausbreitet. Deshalb sind die Überwachung der Herzfrequenz, der Atmung und des Muskeltonus die besseren Indikatoren für das Wohlbefinden des Kindes als allein die Hautfarbe. Die Eltern sollten im Vorfeld auf diese Situation vorbereitet sein, damit sie nicht verunsichert werden.

Peggy Seehafer: Und wenn die Plazenta geboren wird?

Elisabeth Mortensen: Das Abnabeln und die Geburt der Plazenta können in der Gebärwanne stattfinden. Manche Hebammen haben die Erfahrung gemacht, dass sie sich im Wasser schneller und leichter löst. Wenn die Plazenta im Wasser geboren wird, wird die retroplazentare Blutung natürlich ins Badewasser einfließen und dieses blutig färben. Es ist wichtig, die Eltern darauf vorzubereiten.

Peggy Seehafer: Ist die Angst der Hebammen vor Blutungen größer als das Vertrauen in ihre Kompetenz?

Elisabeth Mortensen: Für viele Kliniker ist es schwer, die Blutmenge in der Badewanne richtig einzuschätzen, oft aufgrund mangelnder Erfahrung. Wir wissen, dass Hebammen Blutungen unterschätzen. Wir haben einen Film gedreht mit einer bestimmten Menge, nämlich 500 ml Blut in einer Gebärwanne, und ihn anschließend in einem Hebammenforum online gestellt. Dort haben wir nach der Blutmenge in der Wanne gefragt. Von den über 100 Hebammen, die geantwortet haben, haben mehr als 90 % die Menge deutlich unterschätzt und das birgt das Risiko, dass nicht rechtzeitig die richtigen Maßnahmen ergriffen werden. Das Beste, was Sie tun können, ist Üben, so dass Sie die Blutmenge in der Badewanne an Ihrem Arbeitsplatz sicher beurteilen können. Dafür können Sie Ihre lokale Blutbank kontaktieren und um ein paar Vollblutkonserven bitten, deren Ablaufdatum naht oder die bereits aussortiert wurden. Messen Sie die Vollblutmenge aus, füllen Sie sie in eine Plastiktüte. Halten sie diese in Ihrer normal gefüllten Gebärwanne unter Wasser und schneiden Sie sie auf und drücken das Blut aus der Tüte.

Sie werden sehen, wie das Blut langsam auf den Boden der Badewanne sinkt und wie das Wasser sich einfärbt, wenn Sie einmal in der Wanne herumrühren. So können Sie ganz speziell für Ihre Gebärwanne sehen, wie eine bestimmte Blutmenge aussieht, wenn die Frau noch in der Wanne stillsitzt oder nachdem sie aufgestanden ist und das Wasser bewegt wurde.

Als Hebamme haben Sie natürlich immer auch den klinischen Zustand der Frau im Auge: Puls, Blutdruck und Hautfarbe, und ob das Gesicht trocken oder kaltschweißig ist.

Peggy Seehafer: Wie wird ein Notausstieg gewährleistet?

Elisabeth Mortensen: Wenn Sie das Gefühl haben, dass es der Frau nicht mehr gut genug geht, nehmen Sie sie sofort aus der Wanne. Wenn Sie unsicher sind, helfen Sie der Frau lieber frühzeitig heraus. Es gibt mehrere Möglichkeiten, sie schnell aus der Wanne zu bekommen. Wenn genügend Platz im Kreißsaal ist, kann das Kreißbett an das Ende der Wanne geschoben werden. Je eine Helferin fasst der Frau unter einen Arm und mit der 1-2-3-Methode und einem einzigen Schritt zurück, wird die Frau über die schräge Rückenlehne der Gebärwanne hinaus aufs Bett gehoben.

Wenn Zeit und Platz ist, kann das Kreißbett auch an die Seite der Gebärwanne geschoben werden, so dass die Frau sich auf die Kante der Wanne setzen kann und mit Unterstützung herüberrutscht auf die Mitte des Betts. Diese Manöver müssen regelmäßig trainiert werden. Und es gibt Kolleginnen, die so zart gebaut sind, dass sie den schnellen Ausstieg einer großen Frau nicht gewährleisten könnten. Dann können Sie aus Sicherheitsgründen einer Frau diese Form der Geburt nicht anbieten.

Insgesamt lässt sich sagen: Ein Aufenthalt im Wasser in der Eröffnungsphase bewirkt, dass bedeutend weniger Peridural- oder Spinalanästhesien benötigt werden, ohne dabei negative Auswirkungen auf die Geburtsdauer, die Häufigkeit der operativen Entbindungen oder die Gesundheit des Neugeborenen zu haben. Was gibt es daran nicht zu mögen?

Peggy Seehafer: Vielen Dank für das Gespräch. Wir sind gespannt, ob die deutsche Leitlinie zur normalen Geburt sich zum Thema Wassergeburt äußern wird.

 

Die Interviewte

 

Elisabeth Mortensen, Hebamme seit 1997, hat sowohl in Kreißsälen als auch im ambulanten Bereich bei Kinderwunsch­behandlungen und Ultraschalluntersuchungen in der Schwangerschaft gearbeitet. Sie gibt Sicherheitstrainings zu Wassergeburten in ganz Skandinavien.

 

Wassergeburt: Fünf Kernpunkte

 

  1. Wasser zur Schmerzlinderung ist gut etabliert und spart häufig Periduralanalgesien, mit all ihren Nebenwirkungen.
  2. Viele verschiedene Geburtshaltungen sind möglich, sowohl während der Wehen als auch während des Austritts des Kindes.
  3. Die kontinuierliche Betreuung durch eine Hebamme ist erforderlich.
  4. Keine Nebenwirkungen sind bekannt.
  5. Frauen wünschen sich eine jederzeit zugängliche Gebärwanne.

Rubrik: Geburt | DHZ 02/2018

Literatur

American College of Obstetricians and Gynecologists: Immersion in water during labor and delivery. Committee Opinion No. 594. Obstet Gynecol 2014. 123:912–5

Bovbjerg ML, Cheyney M, Everson C:Maternal and Newborn Outcomes Following Waterbirth: The Midwives Alliance of North America Statistics Project, 2004 to 2009 Cohort. J Midwifery Womens Health 2016. 61(1):11–20

Cluett ER, Burns E: Immersion in water in labour and birth. Cochrane Database of Systematic Reviews 2009. Issue 2. Art.No.: CD000111
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