Auf allen Vieren

Für ein erfolgreiches Management der Beckenendlage in aufrechter Gebärposition braucht es medizinisches Wissen und praktische Expertise. Dann können Geburtshelfer:innen mit erprobten Manövern und geringem Risiko denjenigen Frauen zu einer vaginalen Geburt verhelfen, die ihr Kind spontan zur Welt bringen möchten. Viele primäre Sectiones wären vermeidbar. Prof. Dr. Dr. h.c. Frank Louwen, Nadja Zander, Dr. Lukas Jennewein, Lena Agel, Hemma Roswitha Pfeifenberger

Die Beckenendlagengeburt wird häufig als pathologisch dargestellt. Ursächlich dafür scheinen Studien zu sein, die eine erhöhte perinatale Morbidität und Mortalität der vaginalen Geburt im Vergleich zur primären Sectio dokumentieren – so der viel diskutierte Hannah Term Breech Trial aus dem Jahr 2000. Verglichen wurde damals ein weitgehend nicht standardisiertes Vorgehen bei der vaginalen Geburt mit dem Standard der Sectio.

Die medizinische Definition des Begriffs »Indikation« (Heilanzeige) lautet: ein Symptom oder ein besonderer Umstand, der auf die Zweckmäßigkeit oder Notwendigkeit einer bestimmten medizinischen Behandlung oder eines bestimmten Verfahrens hinweist.

Die Frage: Ist die Beckenendlage eine Pathologie oder eine Variation der Normalität?

Hypothese: Wenn sich ein Symptom oder ein bestimmter Umstand in den meisten Fällen spontan löst, kann dies normal oder physiologisch sein.

Liegt die Gebärende in Steinschnittlage muss eine vaginale Geburt immer assistiert werden. Bei der kindlichen Einstellungsvariante Beckenendlage wird die Intervention zur Geburt des Kindes, wenn die Gebärend auf dem Rücken liegt, als »Manualhilfe nach Bracht« bezeichnet – nach dem Geburtshelfer Erich Bracht, der den Handgriff um 1935 entwickelte. Bei der Geburt aus Schädellage wird nach der Geburt des Kopfes zur Entwicklung der Schultern ebenfalls eine Manualhilfe benötigt, um die Schultern und den Corpus um die Symphyse herum zu entwickeln. Dieses würde nach der genannten Definition bedeuten, dass eine vaginale Geburt prinzipiell pathologisch wäre, da sie bei maternaler Steinschnittlage immer Manualhilfe benötigt. Dem steht gegenüber, dass Geburten in aufrechter Position sowohl aus Beckenendlage, als auch aus Schädellage ohne jede Manualhilfe spontan verlaufen. Daraus lässt sich schließen, dass nicht die vaginale Geburt, sondern die Steinschnittlage bei vaginaler Geburt die pathologische Gebärposition ist. Dieses wird für die Beckenendlagengeburt durch die Daten der Studie »Frankfurt Breech at Term« (FRABAT) belegt (Louwen 2017).

 

Die aufrechte Gebärhaltung

 

Eine national und international nicht einheitliche Abgrenzung und Definition über die Begriffe »Position und Haltung«, die eine Frau unter der Geburt einnimmt, beeinflussen die Interpretation und deren Übertragung in den geburtshilflichen Alltag (Calais-Germain 2018; de Jonge 2009).

Die Hebamme Tara Franke definiert in Anlehnung an die unterschiedlichen Begriffe zu Haltung und Position wie folgt:

  • Gebärhaltung: »eine Körperhaltung zu jedem beliebigen Zeitpunkt während des Gebärens, die auch Bewegung erlaubt und fördert«
  • Position: »festgelegte Stellung der Frau, die nicht dazu gedacht ist, dass sie sich bewegt«
  • Gebärposition: »mütterliche Position, in der das Kind zur Welt kommt« (zitiert nach: Calais-Germain & Vives Parés 2018).

Zusätzlich variieren Studien zu sehr in ihrer Methodik oder im Einsatz von Hilfsmitteln, um hieraus eine klare und eindeutige Empfehlung für den geburtshilflichen Alltag abzuleiten. Hilfsmittel wie Ball, Seil, Kissen, Bett oder Hocker erleichtern der Schwangeren eine aufrechte Körperhaltung einzunehmen, in der die Schwerkraft beim Geburtsverlauf mitwirken kann. Sie können von der Gebärenden auf unterschiedliche Weise genutzt werden, beispielsweise vor dem Ball kniend und mit den Händen oder dem Oberkörper darauf abstützend oder sich auf ihn setzend (siehe Abbildung 1). Zahlreiche Studien bringen gegensätzliche Ansichten über die Vor- oder Nachteile für die Gebärende und ihr Kind, doch werden Daten darüber nicht überall routinemäßig gesammelt (de Jonge et al. 2009; Moraloglu et al. 2017; Sandin-Bojö & Kvist 2008).

Ein Cochrane Review aus dem Jahr 2012 mit 22 eingeschlossenen Studien und insgesamt 7.280 Teilnehmerinnen konnte die aufrechte Gebärhaltung als diejenige identifizieren, welche die meisten Vorteile für die Gebärende mit sich bringt (Gupta et al. 2012). Gebärpositionen, die den Druck vom Kreuzbein nehmen und damit seine Beweglichkeit positiv beeinflussen, erlauben es dem Becken, sich zu weiten (Edqvist et al. 2016). Durch bildgebende Verfahren konnte das lange bekannte Wissen bestätigt werden, dass sich die Beckenräume in der hockenden Gebärposition und im Vierfüßlerstand erweitern und damit dem Feten die Passage durch das Becken erleichtern (Gupta et al. 2017; Hemmerich et al. 2018; Michel et al. 2014).

 

Horizontal oder vertikal?

 

Bei Geburten aus Schädellage scheinen aufrechte Gebärhaltungen oder Gebärpositionen gebräuchlicher zu werden, doch fehlen Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen über deren Wirkung bei einer Beckenendlage. Generell lässt sich sagen, dass die Entscheidung, welche Position zur Geburt des Kindes eingenommen wird, der Gebärenden überlassen werden sollte.

Die Empfehlungen, die liegende Gebärposition in der aktiven Geburtsphase zu vermeiden, liegen schon länger zurück und bezogen sich nicht auf die spontane Geburt aus Beckenendlage. Unter dem Einfluss einer zunehmend wissenschaftlich und ärztlich orientierten Geburtshilfe Europas im 17. und 18. Jahrhundert wurde die horizontale der vertikalen Position vorgezogen. Sie verschafft dem geburtshilflichen Personal einen Blick von oben auf den geburtshilflichen Vorgang und vereinfacht bei Bedarf ein operatives Eingreifen. Das physiologische Bedürfnis einer Gebärenden, sich während der Geburt zu bewegen, wird hierdurch vernachlässigt (Gupta et al. 2014; Hodnett et al. 2009; Schneider et al. 2000).

Heutzutage nehmen geburtshilfliche Interventionen zu, wie Geburtseinleitung, medikamentöse Zervixreifung, Wehenmittel sub partu, Anästhesien, Episiotomie, Vakuumextraktion, Forzeps, primäre und sekundäre Sectio und interne Cardiotokografie. Auch die Rückenlage wird als Intervention kritisch diskutiert (Gupta et al. 2014; Hodnett et al. 2012; Louwen 2017). Sowohl die WHO, als auch das National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE), der Expertinnenstandard des Deutschen Netzwerks für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) zur »Förderung der physiologischen Geburt« und die neue S3-Leitlinie zur vaginalen Geburt weisen darauf hin, dass die liegende Position während der Geburt mit mehr Risiken für Mutter und Kind verbunden sind (WHO 2018; NICE 2015; DNQP 2015; DGGG 2020).

Der britische Gynäkologe und Geburtshelfer Janesh K. Gupta und seine Kolleg:innen belegten in ihrem Cochrane Review die negative Wirkung der liegenden Gebärhaltung auf eine höhergradige Dammrissrate, einen verlängerten Gebärprozess, einen vermehrten Einsatz von Schmerzmitteln in der aktiven Geburtsphase, eine erhöhte Rate an vaginal operativen Geburten sowie eine nachteilige Wirkung auf das kindliche Herztonmuster (Gupta et al. 2012). Neben diesen Ergebnissen steht die aufrechte Gebärhaltung für ein stärkeres Selbstwirksamkeitsempfinden der Frau und deren Wunsch nach einem physiologischen Geburtsverlauf und ein damit verbundenes Gefühl von persönlicher Leistung und Kontrolle (WHO 2018).

Von den Vertreter:innen der sanften Geburt wird diese als ein Initiationsprozess betrachtet, der so ungestört wie möglich ablaufen sollte (Odent 2013; Leboyer 1998). Schmerzen ließen sich unter anderem durch individuelle Geburtspositionen minimieren. 1982 prägte die Hebamme Janet Balaskas den Begriff des aktiven Gebärens in ihrem Buch »Active Birth«. Er beinhaltet die Voraussetzung, dass die Gebärende über ihre Haltung und Position jederzeit selbst und intuitiv entscheiden kann (Mändle 2015). So kann sie sich räumlich orientieren, bleibt wach und aktiv, und begegnet Menschen um sich herum auf Augenhöhe. Die WHO postulierte schon 1985, dass Frauen dazu ermutigt werden sollten, während der Geburtsphasen und der Geburt selbst eine aufrechte Körperhaltung zu wählen. 98,7 % der 763.093 Geburten in Deutschland fanden 2018 im Krankenhaus statt (Statistisches Bundesamt 2018). Laut der Bundesauswertung des AQUA-Instituts gebaren im Jahr 2013 in deutschen Krankenhäusern 74,1 % aller Schwangeren in einer liegenden Position.

 

Der Vierfüßlerstand

 

Der Vierfüßlerstand als alternative Geburtsposition wird meist zu den aufrechten Gebärpositionen gezählt und stellt eine Variante unter ihnen dar (Louwen et al. 2005; Schneider et al. 2011; Stiefel et al. 2013; Louwen 2017). Dabei befindet sich die Gebärende auf allen Vieren. Einzige Berührungspunkte der Frau mit dem Untergrund sind die Hände, die Knie, die liegenden Schienbeine sowie die Füße. Vorrangig wird der Vierfüßlerstand für die Geburt aus Schädellage benutzt, wird aber zunehmend auch für die BEL-Geburt empfohlen (Louwen et al. 2005; Schneider et al. 2011; Krause & Feige 2006). Dazu steht wenig Literatur zur Verfügung.

Der Geburtshelfer Prof. Dr. Frank Louwen und sein Team an der Universität Frankfurt konnten den positiven Einfluss der aufrechten Gebärhaltung auf das maternale und fetale Outcome belegen (Louwen et al. 2017, siehe auch Seite24ff.). Von 750 Frauen mit einem Kind in Beckenendlage gebaren 269 Frauen ihre Kinder spontan in der aufrechten Position. Der Vierfüßlerstand war hierbei die bevorzugte Position. Es kam zu signifikant weniger geburtshilflichen Manövern (Odds Ration/OR 0.45, 95 % Konfidenzintervall/CI 0,31–0,68) und kindlichen Geburtsverletzungen (OR 0,08, 95 % CI 0,01–0,58) im Vergleich zu den 40 Frauen, die ihre Kinder in Rückenlage geboren haben. Die Geburtsdauer zeigte sich im Durchschnitt verkürzt (1,02 versus 1,77 Stunden). Es war kein Anstieg an perinealen Verletzungen zu verzeichnen (OR 0,34, 95 % CI 0,05–3,99).

Abbildung 2: Anwendung des Handgriffs nach Veit-Smellie im Vierfüßlerstand

 

Armlösung und Kopfentwicklung

 

Die Technik der verschiedenen Arm- und Kopflösungsmanöver entwickelte sich im Hinblick auf die Gebärende in Rückenlage und wird in vielen Lehrbüchern weiterhin propagiert. Sie seht aber dem Gesetz des geringsten Widerstandes beim Durchtritt des Fetus durch das mütterliche Becken negativ gegenüber (Louwen et al. 2005; Schneider et al. 2011; Stiefel et al. 2013; Krause & Feige 2006). Eine nationale Leitlinie zum BEL-Management ist in Deutschland in Vorbereitung.

Bezogen auf die BEL-Geburt im Zusammenhang zur liegenden Position vermutete Erich Bracht 1964: »Die Schwerkraft, die dem Austritt der Frucht beim Vierfüßler zugutekommt, indem sie die Rotation der Frucht um die Symphyse unterstützt, stört in der Rückenlage entscheidend von dem Moment an, in dem etwa die Hälfte des kindlichen Rumpfes geboren ist, und hat dadurch der Beckenendlage ihren ungünstigen Ruf eingetragen und so viele differente Hilfeleistungen heraufbeschworen.« (Bracht 1964)

Als passive Hilfestellung, sogenannte Manualhilfe, werden die Manöver in Rückenlage zur Lösung der Arme beziehungsweise Entwicklung des Kopfes unter Mithilfe eigener Wehentätigkeit bezeichnet (Krause & Feige 2008). Hierzu zählen die Handgriffe nach Bickenbach, Lövset, Müller, die klassische Armlösung und Kopfentwicklung nach Veit-Smellie – letzterer kann auch bei der vaginalen BEL-Geburt im Vierfüßlerstand angewandt werden (siehe Abbildung 2).

Der Bracht-Handgriff wird neben dem Handgriff nach Thiessen für die assistierte Spontangeburt eingesetzt, damit durch die Aufhebung der Schwerkraft das geburtshilflich vorteilhafteste Planum (Durchtrittsebene), die Circumferentia suboccipitobregmatica, wirksam werden kann. Die Wahl des Manövers bestimmt der oder die Geburtshelfer:in.

Das Armlösungsmanöver und Kopflösungsmanöver nach Louwen dient explizit der Lösung der Arme und des Kopfes im Vierfüßlerstand (Louwen 2017/siehe Abbildung 3). Indikation für diese Intervention ist die Schulterdystokie bei BEL. Mit den Händen wird der kindliche Oberkörper umfasst, wobei beide Daumen auf der kindlichen Schulter aufgelegt werden, etwa in Höhe des Humeruskopfes. Eine Positionierung der Daumen auf die Claviculae ist auszuschließen, um eine Fraktur zu vermeiden. Das Kind wird nun um 180° ohne Zug rotiert, anschließend wird es um 90° zurückgedreht. Das Kind wird dabei von dorsolateral über dorsoanterior auf die gegenüberliegende dorsolaterale Stellung rotiert. Damit sind die Schultern sicher quer im Beckeneingang, die Schulterdystokie (fixierter vorderer Arm auf der maternalen Symphyse) ist definitiv behoben. Das Kind schaut einen zur Geburt des Kopfes wieder an.

Sollte der Kopf stark verzögert oder sehr erschwert kommen, wird der sogenannte »Frank Nudge« angewandt, indem man den Rumpf des Kindes abermals mit beiden Händen umfasst. Die Daumen befinden sich auf den kindlichen Schultern, auf die nun leichter Druck ausgeübt wird. Das Kind wird in Richtung Symphyse geführt, damit der Kopf per Flexion unter der Symphyse hervortreten kann.

Ein großer Vorteil des Vierfüßlerstands im Gegensatz zur Rückenlage besteht darin, dass das Kind, unterstützt von der Schwerkraft, in die Führungslinie gleitet und die Kopf- oder Armentwicklung äußerst selten durch Manöver unterstützt werden muss (Louwen et al. 2017). Der fetale Rumpf muss nicht durch Anheben bogenförmig um die Symphyse herumgeleitet und gehalten werden (Bracht-Handgriff).

Die eigentliche Aktivität der Geburtshelfer:innen beschränkt sich im Wesentlichen bei BEL-Geburten im Vierfüßlerstand darauf, das Kind nach der Geburt des Kopfes aufzufangen. Das unter Geburtshelfer:innen bei Gebärenden in Rückenlage hauptsächlich gefürchtete, wenn auch eher seltene Ereignis, ist das Hochschlagen eines oder beider kindlichen Arme (Schulterdystokie) sowie eine Streckung des fetalen Schädels über der Linea terminalis (Louwen et al. 2017; Feige & Krause 2006). Durch das Hochschlagen der Arme kann der nachfolgende Kopf in seiner dem Beckenraum angepassten Durchtrittsbewegung, behindert werden. Auf invasive Manöver, wie das frühzeitige Ziehen am kindlichen Steiß, sollte verzichtet werden, damit der Vorgang seiner Logik entsprechend ohne weitere fremde Hilfe fortgesetzt werden kann und man – mit anderen Worten – durch frühe Manipulation nicht beispielsweise eine Situation mit hochgeschlagenen Armen provoziert (Louwen et al. 2017; Klemt et al. 2019). Extraktionsmaßnahmen verstärken den Einsatz der Manualhilfen, erhöhen die Rate an fetalen Geburtsverletzungen und verlängern die aktive Geburtsphase signifikant (Louwen et al. 2005).

 

Was tun bei der unerwarteten Beckenendlage?

 

Die seltene Situation der präpartal unentdeckten Beckenendlage ist von Geburtshelfer:innen, die keine oder kaum Erfahrung in der BEL-Geburt haben, gefürchtet und endet meist im Notkaiserschnitt. Mit einigen wenigen Untersuchungen beziehungsweise Maßnahmen lässt sich diese Situation jedoch einfach lösen. Vor allem gilt: keine Panik.

In jedem Fall sollte man den knöchernen Beckenausgang untersuchen (Intertubarabstand), beispielsweise durch Faust-Auflegen auf den Damm. Ist dieser weit genug (über 11 cm), ist keine Komplikation bei der Kopfgeburt zu erwarten. Ist das kindliche Becken (Leitstruktur: vordere Hüfte) über dem Beckeneingang (Leitstruktur: Symphyse), ist noch genügend Zeit, sich beispielsweise Hilfe von einer Person mit BEL-Expertise einzuholen und das Vorgehen mit der Gebärenden und ihren Wünschen abzustimmen. Ist das kindliche Becken (nicht Fuß oder Bein) bereits auf Beckenboden und ausrotiert (kindliche Achse um 90° gedreht zur Mutter) sollte sich die Gebärende in eine aufrechte Geburtsposition begeben – das Kind wird zeitnah vaginal geboren.

 

Die Expertise der Geburtshelfer:innen

 

Der Einfluss der Expertise der Geburtshelfer:innen für die geburtshilflichen Manöver im Vierfüßlerstand bei BEL wurde von dem Frankfurter Geburtshelfer Dr. Lukas Jennewein und seinem Team anhand der FRABAT-Kohorte (FRAnkfurt Breech At Term) untersucht (Jennewein et al. 2021). In dieser monozentrischen Studie (n=140) wurden einzelne Gruppen (n=20) unterschieden zwischen Geburtshelfer:innen mit keiner, wenig und fortgeschrittener Erfahrung in vaginalen BEL-Geburten (Gruppe 0 = keine Erfahrung, Gruppe 1 = wenig Erfahrung und ausschließlich mit BEL-Geburten in Rückenlage, Gruppe 2 = fortgeschrittene Erfahrungen mit BEL-Geburten im Vierfüßlerstand).

Es konnte kein signifikanter Unterschied zwischen den BEL-Geburten durch Geburtshelfer:innen in Gruppe 0 und 2 für das fetale Outcome festgestellt werden. In Gruppe 1 zeigte sich eine signifikante Zunahme der geburtshilflichen Manöver. Geburtshelfer:innen in Gruppe 1 drehten die Gebärende bei Einleitung eines Manövers signifikant häufiger auf den Rücken. Die Autor:innen verweisen darauf, dass es schwer zu sein scheint, ein bereits antrainiertes Manöver aus seinem Handeln auszublenden.

Zur Auffrischung des Wissens und des praktischen Know-hows finden an der Frankfurter Universitätsklinik in regelmäßigen Abständen Workshops zum Training der wichtigsten Untersuchungen und Handgriffe für Ärzt:innen und Hebammen statt. So sind Kurse zur BEL-Geburt für die diagnostische und therapeutische Relevanz verschiedener Interventionen ebenso wichtig wie die Anleitung der Handgriffe. Primäre Sectiones aufgrund der Indikation BEL zu verringern, scheint mithilfe der äußeren Wendung in der 36. bis 38. Schwangerschaftswoche sowie der praktischen interprofessionellen Workshops zur vaginalen Geburt aus BEL möglich, um Frauen mit dieser Kindslage und dem Wunsch einer sicheren vaginalen Entbindung diese auch zu ermöglichen. Da sich die Beckenendlage – insbesondere die reine Steißlage – in den meisten Fällen spontan und ohne Manualhilfe in aufrechter Gebärposition löst, scheint es sich nicht um eine Pathologie zu handeln, sondern um eine Variation der Normalität. Allerdings hat sie im Vergleich zur Schädellage auch mit nachgewiesener praktischer Erfahrung eine nachweislich höhere sekundäre Sectiorate zur Folge.

Rubrik: Beruf & Praxis | DHZ 08/2021

Nachgefragt

Katja Baumgarten:

Wird der Abgang von Mekonium bei einer BEL-Geburt von Ihnen und Ihrem Team an der Uni Frankfurt als Alarmzeichen für eine drohende Hypoxie des Ungeborenen gedeutet, wie bei einer Schädellage – sofern die Herztöne stabil sind?

Frank Louwen:

Generell ist der Mekoniumabgang bei Beckenendlage eines Kindes mit unauffälligem CTG und Steiß fest im Becken ein Normalbefund.

Katja Baumgarten:

Wie häufig beobachten Sie einen solchen Mekoniumabgang?

Frank Louwen:

Regelmäßig beobachtet man ab I+3 den Mekoniumabgang in jeder Wehe. Selbstverständlich findet sich hier auch keine Korrelation zum Astrup, zum Base Excess (BE), zum Lactat oder zum Apgar.

Katja Baumgarten:

Deuten Sie einen Mekoniumabgang in der Eröffnungs- und in der Austrittsphase unterschiedlich – immer vorausgesetzt, dass die Herztöne unauffällig sind?

Frank Louwen:

Mekoniumabgang ist ein Normalbefund bei in den Geburtskanal eingetretenem Becken des Kindes. Selbstverständlich muss man hier streng unterscheiden zu Kindern mit Becken über Beckeneingang oder Kindern mit suspektem oder pathologischem CTG.

Danke Ihnen!

Literatur

AQUA -Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH: Bundesauswertung zum Verfahrensjahr 2012 16/1 – Geburtshilfe. Göttingen: AQUA 2013

Bracht E: Zur Beckenendlage-Behandlung. Geburtsh Frauenheilk 1965. 24:635–637. Zitiert nach Louwen F, Leuchter LM, Reitter A: Beckenendlagengeburt – mehr als Sectio vs. Spontangeburt. Z Geburtsh Neonatol 2012. 191–194

Büscher A (Hrsg.): Expertinnenstandard Förderung der physiologischen Geburt. Einschließlich Kommentierung und Literaturanalyse (Sonderdruck). Hochschule Osnabrück 2013
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