Zwischen Segen und Risiko

  • Tara Franke, Hebamme und Redakteurin der DHZ: »Viele Geburten werden aus weichen Indikationen eingeleitet. Dann ist die Abwägung weniger eindeutig, denn jeder Eingriff birgt Neben­wirkungen und Risiken.«

Schon in den 1970er Jahren gab es die »programmierte Geburt« – aber eher aus arbeitsorganisatorischen Gründen. Später wurde diese staunend als Absurdität betrachtet. Heute ist die Geburtseinleitung wieder eine der häufigsten Interventionen in der Geburtshilfe.

In manchen Fällen gibt es keine Alternative zu einer künstlichen Schwangerschaftsbeendigung, wenn beispielsweise das Ungeborene verstorben ist oder schwere gesundheitliche Probleme bei Mutter oder Kind auftreten. In diesen Situationen ist es ein Segen, wenn uns mehrere Optionen für eine zuverlässige und schnell wirksame Geburtsbeendigung zur Verfügung stehen, wie das Magenmedikament Cytotec®. Ist der Fetus bereits verstorben, muss nur auf die Verträglichkeit für die Mutter geachtet werden.

Viele Geburtseinleitungen werden jedoch aus weichen Indikationen vorgenommen. Dann ist die Abwägung weniger eindeutig, denn jeder Eingriff birgt Nebenwirkungen und Risiken. Prof. Dr. Sven Kehl gibt in seinem Beitrag einen ausführlichen Überblick zum aktuellen Stand der individuellen Nutzen-Risiko-Analyse. Prof. Dr. Sven Hildebrandt untersucht nicht nur die Evidenzen zu medikamentösen Geburtseinleitungsmethoden, sondern auch zu Alternativen, und erklärt ihre Wirkung auf das hormonelle System der Frau.

Mit dem Thema Geburtseinleitung sind auch Hebammen konfrontiert, die Geburten zu Hause oder im Geburtshaus begleiten. Die grundsätzliche Haltung dort ist die des abwartenden Managements, wie die Hebammen Andrea Röttger und Magdalena Habrik betonen. Sie erläutern in ihrem Beitrag aber auch, wie sie Frauen begleiten, die den errechneten Geburtstermin überschreiten, einen vorzeitigen Blasensprung haben oder eine Einleitung der Wehen wünschen.

Dass die Geburtseinleitung noch immer viele offene Fragen aufwirft, zeigt auch das Interesse Studierender an dem Thema. Werdende Hebammen im vierten Semester des Modellstudiengangs Hebammenkunde der Evangelischen Hochschule Berlin haben im Rahmen eines Projekts zum Thema »Empirische Sozialforschung« Forschungsfragen und Erhebungsmethoden entwickelt, mit denen sie Hebammen und Frauen nach ihren Erfahrungen mit der Einleitung befragten. Es zeigte sich, dass Betroffene oft unzureichend aufgeklärt und zu wenig in die Entscheidung einbezogen wurden.

Das kritisieren auch viele Mütter der Initiative »Cytotec-Stories«. Amelie Reimann, die zu den Gründerinnen der Website gehört, gibt Einblick in die Erfahrungen von Eltern, deren Kinder mit großer Wahrscheinlichkeit durch eine Einleitung mit Cytotec® geschädigt wurden. Sie kämpft nicht nur für eine zurückhaltende und korrekte Anwendung von Einleitungsmedikamenten, um die körperliche Gesundheit von Kindern und Müttern zu schützen, sondern weist auch auf traumatische Erfahrungen mit »Wehenstürmen« hin, – die von vielen Mediziner:innen zu wenig ernst genommen werden.

 

Tara Franke

Rubrik: DHZ 10/2021

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