Poster zu Zeitreihen-Daten der Geburtshilfe

Mehr Eingriffe ab 35?

Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Alter der Gebärenden und der Interventionshäufigkeit? Dieser Frage gingen einige Hebammenschülerinnen aus dem Vinzenz Pallotti Hospital in Bensberg nach. Ihre Ergebnisse präsentierten sie auf dem 2.DHZCongress Ende Juni in Hannover und belegten damit den zweiten Platz im Posterwettbewerb. Rachel Langer, Karoline Luckhardt, Juliane Schram

Unsere Ausbildungsklinik, das Vinzenz Pallotti Hospital Bensberg (VPH), vertritt seit mehr als 25 Jahren die Grundlagen der physiologischen Geburt mit dem Ziel einer interventionsarmen Geburtshilfe im sogenannten Bensberger Modell. Als Klinik in der Köln-Bergischen Region hat das VPH einen überregionalen Einzugsbereich mit heute annähernd 2.000 Geburten jährlich.

Immer wieder machen Hebammen in ihrem Arbeitsalltag Beobachtungen, die sie eher als „gefühlt" wahrnehmen. Ein systematischer wissenschaftlicher Beleg würde hier helfen. So haben wir die quantitative Frage untersucht, ob die Sectiorate mit steigendem Alter von Erstgebärenden zunimmt.

Die Ausgangsfrage ist im Verlauf der Arbeiten verfeinert worden in die Fragen nach

  • der gebärenden Frauenpopulation in Bezug auf Alter und Erst- oder Mehrgebärende
  • der Häufigkeit von Interventionen und Spontangeburten im Zeitverlauf und deren Veränderung
  • der Unterscheidung nach Alter und Interventionen zwischen Erst- und Mehrgebärenden und ihrer Veränderung im Zeitverlauf
  • dem Zusammenhang von steigendem Alter von Erstgebärenden und der Interventionshäufigkeit.

Die Daten für die Auswertung sollten aus den Geburtenbüchern des VPH übertragen werden. Dementsprechend wurde die Intervention als Sectio oder Vakuumextraktion/Forceps definiert, auch wenn eine differenziertere Betrachtung wünschenswert gewesen wäre. Um einen möglichst langen Zeitraum systematisch zu erfassen, haben wir eine Fünf-Jahres-Zeitreihe über 20 Jahre betrachtet – jeweils ab 1992, 1997, 2002, 2007 und 2012.

Nach Definition der Erfassungsstruktur sind die vollständigen Daten von 8.197 Geburten aus den Geburtenbüchern der bezeichneten Jahre in ein Excel-Tableau übertragen und kontrolliert worden. Nach Abschluss der aufwändigen Datenerfassung und Abstimmung der Fragestellungen ging es endlich an die Auswertung. Endlich gab es auch ein paar Zahlen und Ergebnisse zu sehen.

Im Poster haben wir einige wichtige Ergebnisse hervorgehoben: Auffällig ist, dass im VPH über all die Jahre der Anteil der Erst- und Mehrgebärenden fast identisch ist. Die Erstgebärenden liegen immer etwas über 50 Prozent.

Bei der Sectiorate fällt auf, dass sie – bis auf die Jahre 1997 und 2002 – unter dem Bundesdurchschnitt lag. Schlüssige Erklärungen, warum das VPH trotz der verwurzelten Philosophie einer interventionsarmen Geburtshilfe in zwei Jahren über dem Bundeswert lag, gibt es zunächst nicht. Ob einer der Gründe darin liegt, dass sich häufig Frauen mit Beckenendlage oder Gemini das VPH als Klinik aussuchen, um die Chance einer vaginalen Geburt zu bekommen, wäre als Hypothese denkbar. Ob daraus ein höheres Risiko für eine Sectio resultiert, ist an den Daten bisher nicht überprüft worden.

Es wird deutlich, dass Erstgebärende ein deutlich erhöhtes Risiko zur Sectio gegenüber Mehrgebärenden haben. Bei Mehrgebärenden liegt der Anteil spontaner Geburten mit fast 80 Prozent über alle Jahre deutlich höher als bei Erstgebärenden. Da unsere Ausgangsfrage sich sowohl auf das Alter wie auf die Parität bezog, unterteilten wir die Erstgebärenden nochmal in Frauen unter 35 und mit 35 und mehr Jahren. An den Ergebnissen fällt auf, dass insbesondere ältere Erstgebärende (≥ 35 Jahre) heute nur noch in weniger als 50 Prozent im VPH eine spontane Geburt erwarten können, im Unterschied zu 1992 mit 65,9 Prozent. Typisch für die Bensberger Klientel ist das mit 31 Jahren gegenüber dem Bundesdurchschnitt höhere Alter der Mütter. Der Trend zeigt 2012 eine Altersangleichung, nachdem in den Vorjahren die Mütter im Bundesschnitt fast drei Jahre jünger waren. Da gemäß dem Risikokatalog eine Frau ab 35 als Risikoschwangere eingestuft wird, wollten wir wissen, ab welcher Altersklasse im VPH die Wahrscheinlichkeit für eine Sectio steigt. Die Auswertung der Geburtsdaten aller Erstgebärenden zeigt einen deutlichen Sprung in der Häufigkeit bei 33 Jahren.

Die 20-jährige Praxis einer ambitionierten Geburtshilfe im VPH weist keine durchgängig niedrige Interventionsrate aus. Woran das liegt, kann man an verschiedenen Punkten festmachen. Zum einen sind die Erstgebärenden in Bensberg im Schnitt drei Jahre älter. Außerdem kommen viele Frauen nach Bensberg, die ein erhöhtes Risiko für einen Kaiserschnitt mitbringen, sich aber eine Spontangeburt wünschen (Beckenendlagen, Gemini, Zustand nach Sectio).

Die für die Klientel belegte Interventionshäufung ab dem 34. Lebensjahr ließ uns darüber nachdenken, ob diese Eingriffe eine Folge von individueller Risikovermeidung oder häufig ein vermeidbarer Standard sind. Werden die Frauen nicht die ganze Schwangerschaft genau darauf vorbereitet, eher nicht normal zu sein und auf jeden Fall ein Risiko in sich zu tragen?

Rubrik: Ausbildung & Studium | DHZ 10/2014

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