QM in der Freiberuflichkeit | Teil 23

Arbeitsmaterialien einsatzfähig halten

Der Vertrag über die Versorgung mit Hebammenhilfe beschreibt beispielhaft, wie im QM-System die Verfügbarkeit und Einsatzfähigkeit von Arbeitsmaterialien belegt werden sollen. Was ein Hebammenkoffer für eine Schwangerenvorsorge oder für einen Besuch im Wochenbett vorhalten sollte, kann individuell bestimmt werden. Je nach Gestaltung der eigenen QM-Maßnahmen können Hebammen über die Erfüllung rechtlicher Vorgaben hinaus einen Zusatznutzen für das Bestellwesen und die Abrechnung schaffen. Monika Selow

Welche Erwartungen werden an den Umgang mit den Arbeitsmaterialien der Hebamme gestellt? Und wie kann der Nachweis darüber im QM-Handbuch aussehen? Das gibt der Anhang 3a im Abschnitt „Mindestanforderungen an ein QM-Handbuch" in der Anlage 3 des Vertrages über die Versorgung mit Hebammenhilfe vor (siehe Kasten „Hinweis").

Zu den Arbeitsmaterialien der Hebamme gehören alle Hilfsmittel, die sie für ihre Tätigkeiten benötigt. Im Vertrag über die Versorgung mit Hebammenhilfe sind nur die Arbeitsmaterialien benannt, die für die Betreuung direkt relevant sind. Dazu gehören Medizinprodukte, Verbrauchsmaterialien, Instrumente, Geräte und Arzneimittel, für deren Einsatz im medizinischen Bereich verschiedene gesetzliche Vorgaben einzuhalten sind (siehe DHZ 6/2016). Zum Umgang mit Arbeitsmaterialien gehören:

  • Auswahl der für das Tätigkeitsspektrum erforderlichen und geeigneten Materialien und Arzneimittel
  • Sicherstellung der Verfügbarkeit und Einsatzbereitschaft durch sinnvolle Organisation, regelmäßige Kontrollen und bedarfsgerechtes Bestellwesen
  • Gewährleistung der Zuverlässigkeit und Sicherheit der Arbeitsmaterialien durch regelmäßige Pflege, Einhaltung von Wartungserfordernissen und Eichungspflichten (sofern erforderlich)
  • Maßnahmen zur Unfallverhütung (siehe DHZ 11/2014, Seite 78)
  • Schutz vor Kontamination und Infektionen durch hygienische Handhabung, Reinigung und Desinfektion.

Im Vertragstext werden bestimmte Dokumente als Arbeitsmaterialien bezeichnet und dabei beispielhaft Mutterpass, Kinder-Untersuchungsheft und Flyer benannt. Diese sind zwar auch Arbeitsmaterialien in dem Sinne, dass sie für die Arbeit benötigt werden. Der Umgang damit wäre jedoch besser im Bereich der Dokumentation verortet, zumal keines der genannten Dokumente zwingend erforderlich für alle Hebammen ist. Um Dopplungen zu vermeiden, ist für das QM-Handbuch zu empfehlen, alle Dokumente im Thema „Dokumentation" gesammelt zu bearbeiten – auch die Dokumente, die als Arbeitsmittel vorrätig gehalten werden. Hygiene betrifft zwar auch den Umgang mit Arbeitsmaterialien, jedoch ist die Einhaltung von Hygienevorschriften zusätzlich in vielen anderen Bereichen relevant, wie beispielsweise Händehygiene, Hygiene bei der eigentlichen Tätigkeit und im Umgang mit Infektionen. Die Umsetzung der Hygienebestimmungen im eigenen QM-System, auch in Bezug auf Arbeitsmaterialien, wurde in DHZ 5/2015, Seite 64ff. speziell thematisiert.

 

Auswahl der Arbeitsmaterialien

 

Der Bedarf an Arbeitsmaterialien richtet sich nach dem Tätigkeitsspektrum der Hebamme, der Berufsordnung, der eigenen Präferenz, dem Vertrag über die Versorgung mit Hebammenhilfe und nach weiteren Vorgaben, wie beispielsweise den Mutterschaftsrichtlinien oder dem Medizinproduktegesetz. Während frühere Berufsordnungen noch detaillierte Vorschriften zum Inhalt einer Hebammentasche enthielten, gibt es heute nur noch sehr wenige Vorgaben für die Ausstattung. Der Wegfall der Vorschriften ist sehr sinnvoll, da die Listen vom medizinischen Fortschritt überholt wurden. So waren eine „gebogene Schere zum Kürzen der Schamhaare", eine schwarze Bürste mit dem eingebrannten Aufdruck „Reinigung" und eine weiße Bürste mit dem eingebrannten Aufdruck „Desinfektion" sowie ein gläsernes Darmrohr für den Einlauf noch Bestandteil von Berufsordnungen, als sie schon nicht mehr hergestellt wurden, weil deren Nutzung längst durch andere Verfahren und Einmalartikel für Rasur und Einlauf abgelöst war. Wurde bei einer Kontrolle durch das Gesundheitsamt das Fehlen der überflüssigen und daher fehlenden Gerätschaften bemängelt, konnte die Hebamme nur hoffen noch im alteingesessenen Hebammenfachhandel in den Lagerbeständen fündig zu werden oder sich das kostbare Gut von einer Kollegin ausleihen zu können. Heute sieht die Materialliste für Geburtshäuser im Ergänzungsvertrag noch einen Mundkeil vor, dessen Einsatz bei Krampfanfällen inzwischen als kontraindiziert gilt.

Auch wenn es bei der Erstellung des eigenen QM-Handbuches naheliegt, sich bereits vorhandener Vorlagen zu bedienen, kann nur dringend empfohlen werden, sie auf Aktualität und Zweckmäßigkeit zu überprüfen und regelmäßig anzupassen. Wichtig ist, dass alle Medizinprodukte dem Medizinproduktegesetz (MPG) unterliegen. (Siehe Kasten: Auszug aus dem Medizinproduktegesetz)

Der „Erkennung von Krankheiten" und der „Überwachung physiologischer Vorgänge" dienen Hebammen beispielsweise Fieberthermometer, Blutdruckmessgeräte, Doptone und Säuglingswaagen.

 

Listen und andere QM-Instrumente

 

Im Vertrag über die Versorgung mit Hebammenhilfe sind die Instrumente zum Umgang mit Arbeitsmaterialien nur beispielhaft aufgezählt. Das bedeutet, dass sie nicht zwingend für jede Form der Berufsausübung und Organisationsform vorzuhalten sind. Aufgrund gesetzlicher Verpflichtung ist der fachgerechte Umgang mit wiederverwendbaren Medizinprodukten, insbesondere Geräten, dokumentationspflichtig für alle Personen und Organisationen, die Medizinprodukte herstellen, vertreiben oder anwenden, egal ob sie zusätzlich Qualitätsmanagement betreiben oder nicht. Nicht gesetzlich vorgeschrieben ist hingegen, eine Liste der Arzneimittel vorzuhalten, die regelmäßig verwendet werden. Vorgeschrieben ist hingegen die fachgerechte Lagerung und Anwendung der Arzneimittel innerhalb des Haltbarkeitsdatums. Anders als Joghurt, der auch nach dem aufgedruckten Mindesthaltbarkeitsdatum durchaus noch essbar ist, dürfen Arzneimittel nach Ablauf des Haltbarkeitsdatums nicht mehr angewendet werden.

Mit welchen Instrumenten Hebammen den sachgemäßen Umgang erreichen und dokumentieren sollen, ist hingegen nur bei besonderen Arzneimitteln wie Betäubungsmitteln und Blutprodukten vorgeschrieben.

Einer reinen Auflistung würde auch mit dem Abheften der Rechnungen zum Erwerb der Arzneimittel genüge getan. Eine Liste der für die Berufsausübung gebräuchlichen Arzneimittel ist jedoch nur dann sinnvoll, wenn damit ein Zusatznutzen erreicht wird. In größeren Teams kann eine Arzneimittelliste gleichzeitig Ausdruck einer gemeinsamen Vorgehensweise sein oder als Checkliste zur Vollständigkeitskontrolle und Bestellliste dienen. Für eine Hebamme, die nur Kurse anbietet oder die in einer Organisation arbeitet (Klinik, Geburtshaus), in der bereits eine entsprechende Liste verwendet wird, kann sie als zusätzliches Dokument im eigenen QM-Handbuch überflüssig sein.

Je nach Art der Nutzung kann die Arzneimittelliste unterschiedlich gestaltet sein. Sie sollte alle Arzneimittel enthalten, die jederzeit vorgehalten werden (beispielsweise Mittel für den Notfall bei einer Geburt) oder die als unverzichtbar für die eigene Arbeit angesehen werden. Sie kann ergänzt werden durch Spalten, in denen die Notwendigkeit der Nachbestellung vermerkt wird. Wenig sinnvoll ist es, die Haltbarkeit auf der Liste zu notieren, wie es in manchen QM-Vorlagen vorgesehen ist. Für Mittel mit hohem Umsatz wäre dies ein unnötig bürokratischer Aufwand. Es bringt auch keine zusätzliche Sicherheit, weil es den Blick auf die Packung nicht ersetzen kann und ist zudem praxisfern, weil jede Hebamme, die das Arzneimittel anwendet oder abgibt, zu diesem Zeitpunkt auf das Arzneimittel schaut und nicht auf die Liste. Sinnvoller ist hier ein System, in dem die bis zur nächsten Kontrolle ablaufenden Arzneimittel direkt und sichtbar gekennzeichnet werden. Zum gesetzeskonformen und hygienischen Umgang mit Arzneimitteln siehe auch DHZ 7/2014, Seite 54ff.

Sehr sinnvoll und praktisch ist eine Kennzeichnung der Arzneimittel, die nicht von der Krankenkasse erstattet werden, so dass Rechnungsbeanstandungen vermieden werden. Hier rentiert sich der Aufwand im Vorfeld auch für selten benutze Arzneimittel, da er Ärger und Kosten in der Zukunft erspart. Eine zusätzliche Spalte in der Arzneimittelliste für den Preis ermöglicht der Hebamme, die Frau direkt bei der Abgabe des Mittels darüber zu informieren, ohne dass sie umständlich im Abrechnungsprogramm oder in der letzten Apotheken-Rechnung nachsehen muss. Ein Beispiel für die Gestaltung einer Arzneimittelliste findet sich in Tabelle 2.

In einer Hebammenpraxis oder einem Geburtshaus kann eine separate Arzneimittelliste sinnvoll sein. Hebammen, die ausschließlich im häuslichen Bereich ohne Geburtshilfe arbeiten, können die Arzneimittelliste auch zusammen mit einer Liste für Verbrauchsmaterialien führen oder in eine Liste zum Inhalt der Hebammentasche integrieren.

 

Organisation der Arbeitsmittel

 

Wie Hebammen die Verfügbarkeit der Arbeitsmittel bei Bedarf sicherstellen und ihre Arbeitsmittel zusammenstellen, ist sehr individuell. Es gibt zwar durchaus Ähnlichkeiten im Inhalt der Hebammentaschen, im Detail ist jedoch eine große Bandbreite möglich, je nachdem ob eine Hebamme das ganze Leistungsspektrum anbietet oder lediglich Wochenbettbesuche, ob sie innerstädtisch mit dem Fahrrad unterwegs ist oder auf dem Land davon ausgehen kann, einen Parkplatz direkt vor der Tür der Frau vorzufinden.

Es gibt daher nicht „die Hebammentasche", sondern jeweils eine typische Zusammenstellung von Materialien, die für den Zweck und die Gesamtsituation sinnvoll erscheinen. Für die Zusammenstellung einer Tasche für die Hausgeburt kann die Liste zur sächlichen Ausstattung eines Geburtshauses aus dem Anhang 1 der Anlage 1 zum Ergänzungsvertrag eine Hilfe sein. Ein Beispiel für die benötigten Materialien einer „Vorsorgetasche" findet sich in Tabelle 3.

Hebammen, die Vorsorgen in Praxisräumen durchführen, werden ihre Arbeitsmittel dafür anders organisieren als Kolleginnen, die überwiegend Wöchnerinnen betreuen und nur gelegentlich eine Vorsorge im häuslichen Bereich durchführen. Wer häufiger im Dachgeschoss wohnende Frauen betreut, wird nur das Nötige für jeden Besuch dorthin mitnehmen. Für viele Hebammen hat sich ein modulares System bewährt, bei dem es eher eine „Kofferraumliste" geben könnte als eine Liste der Hebammentasche, die in der Praxis individuell und einzelfallbasiert aus dem Kofferraum ihres Autos bestückt oder ergänzt wird.

So wie sich der Inhalt der „Hebammentasche" unterscheidet, so unterscheiden sich auch die Erfordernisse der Überprüfung, Reinigung und Desinfektion sowie der Organisation des Bestellwesens. Im eigenen QM-System muss nicht jede Hebamme das umsetzen, was sich jemand anderes als Idealbild vorgestellt hat. Vielmehr sollte die Hebamme das beschreiben, was sich in ihrer Praxis bewährt hat, um sowohl den verschiedenen Anforderungen an eine professionelle Berufsausübung als auch den praktischen Erfordernissen gerecht zu werden.

 

Auszug aus Anhang 3a der Anlage 3 des Vertrages über die Versorgung mit Hebammenhilfe nach § 134a SGB V

 

II. Vorhaltung und Pflege von Informationen/Unterlagen im QM-Handbuch der freiberuflichen Hebammen (Definition der Mindestanforderungen) ...

3. Arbeitsmaterialien (in Abhängigkeit vom spezifischen Versorgungsspektrum) und Hygiene

  • Verbrauchsmaterialien, Arzneimittel, Instrumente, Geräte, Dokumente usw. (z.B. Verfügbarkeit und Verwahrungserfordernisse, Inhalt der Hebammentasche) Pflege und Reinigung (Umsetzung der Hygienevorschriften u.a.)
  • Instrumente: z.B. Liste zum Inhalt der Hebammentasche, Bestands-/Anbieterverzeichnis, Liste Materialien, Liste Medikamente, Eichplan, Wartungsplan, Liste der technischen Geräte, Flyer, Mutterpass, Kinder-Untersuchungsheft

 

Auszug aus dem Medizinproduktegesetz § 3 Begriffsbestimmungen

 

1. Medizinprodukte sind alle einzeln oder miteinander verbunden verwendeten Instrumente, Apparate, Vorrichtungen, Software, Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen oder andere Gegenstände einschließlich der vom Hersteller speziell zur Anwendung für diagnostische oder therapeutische Zwecke bestimmten und für ein einwandfreies Funktionieren des Medizinproduktes eingesetzten Software, die vom Hersteller zur Anwendung für Menschen mittels ihrer Funktionen zum Zwecke

a) der Erkennung, Verhütung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten b) der Erkennung, Überwachung, Behandlung, Linderung oder Kompensierung von Verletzungen oder Behinderungen

c) der Untersuchung, der Ersetzung oder der Veränderung des anatomischen Aufbaus oder eines physiologischen Vorgangs oder

d) der Empfängnisregelung

zu dienen bestimmt sind und deren bestimmungsgemäße Hauptwirkung im oder am menschlichen Körper weder durch pharmakologisch oder immunologisch wirkende Mittel noch durch Metabolismus erreicht wird, deren Wirkungsweise aber durch solche Mittel unterstützt werden kann.

Rubrik: Organisation & Qualität, QM | DHZ 07/2016

Hinweis

Im November 2015 ist der durch Schiedsspruch festgesetzte neue Vertrag über die Versorgung mit Hebammenhilfe nach § 134a SGB V veröffentlicht worden. Danach ist jede freiberufliche Hebamme verpflichtet, bis Mai 2016 mit der Einführung eines QM-Systems begonnen zu haben und es innerhalb von zwei Jahren fertigzustellen. Die Mindestanforderungen an ein QM-Handbuch der Hebamme sind in Anhang 3a (Qualitätsmanagement) zur Anlage 3 (Qualitätsvereinbarung) des Vertrages definiert. Im zweiten Absatz mit der Überschrift „Vorhaltung und Pflege von Informationen/Unterlagen im QM-Handbuch der freiberuflichen Hebammen (Definition der Mindestanforderungen)" finden sich die sechs Bestandteile, die von jeder Hebamme erwartet werden, unabhängig von ihrem Tätigkeitsspektrum.

Die DHZ stellt diese Bestandteile in einzelnen Folgen in der Rubrik „Organisation und Qualität" in der Reihe „QM in der Freiberuflichkeit" vor. Zusätzlich findet sich im Archiv der DHZ unter https://www.dhz-online.de/index.php?id=626 jeweils ein editierbares Muster des zum Thema gehörigen QM-Dokumentes. Hebammen können es systemunabhängig in das eigene QM-Handbuch übernehmen.

Literatur

Anhang 1 (Materialliste für die Mindestanforderungen an die sächliche Ausstattung) zu Anlage 1 (Qualitätsvereinbarung): zum Ergänzungsvertrag nach § 134a SGB V über Betriebskostenpauschalen bei ambulanten Geburten in von Hebammen geleiteten Einrichtungen (HgE) und die Anforderungen an die Qualitätssicherung in diesen Einrichtungen vom 27.6.2008 https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/krankenversicherung_1/ambulante_leistungen/geburtshaeuser/Geburtshaeuser_Anhaenge_1_bis_7_zur_Qualitaetsvereinbarung.pdf
(letzter Zugriff: 26.5.2016)

Gesetz über Medizinprodukte (Medizinproduktegesetz – MPG): neugefasst durch B. v. 07.08.2002 BGBl. I S. 3146; zuletzt geändert durch Artikel 278 V. v. 31.08.2015 BGBl. I S. 1474. Geltung ab 1.1.1995; FNA: 7102-47

Vertrag über die Versorgung mit Hebammenhilfe nach § 134a Abs. 1 SGB V: in der Fassung des Schiedsspruches 2015. https://www.gkv-spitzenverband.de/krankenversicherung/ambulante_leistungen/hebammen/hebammenhilfevertrag/hebammenhilfevertrag.jsp (letzter Zugriff: 20.4.2016)
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