Posterwettbewerb

Ein enges Limit

Der „errechnete Termin“ braucht ein neues Vokabular. Der „Geburtszeitraum“ wäre genauer, denn nur ein Bruchteil der Kinder kommt tatsächlich an dem Tag zur Welt. Was aber machen die Begriffe mit den Frauen? Dies war die Forschungsfrage eines Posters auf dem 3. DHZCongress im vergangenen Herbst. Annika Frank

Mit dem errechneten Termin (ET) wird den Frauen ein genaues Datum genannt, an dem das Kind wahrscheinlich zur Welt kommen wird. Jedoch werden nur etwa vier Prozent der Kinder an exakt diesem Tag geboren (Hildebrandt 2013). Mehr als 40 Prozent aller Schwangeren gebären nach dem ET (DGGG 2014, 4). Eine Terminüberschreitung ist somit physiologisch. Dies hat jedoch für viele Schwangere die weitreichende Konsequenz der Einleitung. So gibt es verschiedene nationale und internationale Empfehlungen zum Vorgehen bei Terminüberschreitung beziehungsweise Übertragung (DGGG 2014; NICE 2008; WHO 2011).

Auffällig ist, dass dabei der Blick hauptsächlich auf die Pathologie der Terminüberschreitung und die damit verbundenen Risiken und Folgen gerichtet wird. Die Physiologie der Terminüberschreitung wird dagegen kaum beachtet, ebenso wie die Gefühle der Frauen und ihre emotionale Lage. Dieses Poster soll einen Einblick geben, wie Schwangere, die eine ärztliche Vorsorge erlebt haben, eine physiologische Terminüberschreitung empfinden.

 

Die Methode

 

Zwei halbstrukturierte persönliche Leitfadeninterviews wurden mit zwei Frauen geführt, deren Schwangerschaft länger als 40+0 und kürzer als 40+6 Wochen dauerte. Befragt wurden eine Erstgebärende und eine Zweitgebärende mit Einling ohne Schwangerschaftsrisiken, jeweils zwei und acht Wochen nach der Geburt. Die Gespräche wurden aufgezeichnet, transkribiert und nach der zusammenfassenden Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet. Die Auswertung erfolgte mittels MAXQDA 12, einem Programm für die Auswertung textbasierter Daten.

 

Die Ergebnisse

 

Beide Frauen waren nach der Terminüberschreitung nervös und empfanden die Schwangerschaft als zunehmend beschwerlich. Sie erlebten die Überschreitung des errechneten Termins jedoch unterschiedlich. Dabei ist zu beachten, dass ihre Einstellung zur Schwangerschaft deutlichen Einfluss auf das Erleben der Terminüberschreitung hatte. Für Teilnehmerin 1, die mit dem zweiten Kind schwanger war, war klar, dass sie über die Zeit gehen könnte und ihre Schwangerschaft trotzdem nicht unnatürlich verlaufen würde. Somit machte sie sich auch nach dem Termin kaum Gedanken und Sorgen, sondern wartete weiterhin positiv gestimmt auf die Geburt. Dagegen empfand Teilnehmerin 2 als Primipara die Schwangerschaft zwar auch als etwas Natürliches, sie machte sich jedoch Sorgen. Denn sie war der Meinung, dass ihr Kind genau an dem errechneten Termin kommen müsse und erlebte die Termin­überschreitung als „das Schlimmste überhaupt“. Sie setzte sich selbst unter Druck und weinte viel.

 

Resümee und Ausblick

 

Die Ergebnisse zeigen, welchem Druck Frauen ausgesetzt sind, wenn sie den ET überschreiten. Sie stoßen damit eine Diskussion über den Begriff des errechneten Termins an. Eine Formulierung wie „Geburtszeitraum“ wäre besser gewählt. Außerdem sollte bei der Betreuung der Frauen individuell vorgegangen werden, da sie die Schwangerschaft sehr unterschiedlich empfinden. Auch der Umgang mit Stressoren und damit das Kohärenzgefühl wirken sich auf das Empfinden bei Terminüberschreitung aus (López Araque et al. 2014).

Weitere Forschung sollte sich damit befassen, ob sich Frauen mit dem Bewusstsein, dass eine normale Schwangerschaft bis zu 42 Wochen dauert, besser fühlen als solche, die das Ende der Schwangerschaft mit 40 Wochen annehmen. Weiter wäre interessant, wie Frauen die Terminüberschreitung erleben, die ihre Schwangerschaftsvorsorge bei einer Hebamme durchführen ließen.

Rubrik: Ausbildung & Studium | DHZ 03/2017

Literatur

DGGG/Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe: Leitlinie Vorgehen bei Terminüberschreitung und Übertragung 2014. www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/015-065l_S1_Termin%C3%BCberschreitung_%C3%9Cbertragung_02-2014.pdf (letzter Zugriff 9.6.2016)

Hildebrandt S: Respektvoller Umgang mit der biologischen Uhr. Deutsche Hebammen Zeitschrift 2013. 30–31

López Araque AB, Lopez Medina MD, Linares Abad M: Emotional state of primigravid women with pregnancy susceptible to prolongation. Invest Educ Enferm 2015. 33(1): 92–101
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