Mehr als eine Narbe

  • Peggy Seehafer, Hebamme. Anthropologin und Redakteurin der DHZ: »Es ist unsere Aufgabe, Frauen so zu unterstützen, dass sie fundierte Entscheidungen bezüglich ihrer Gesundheit treffen können.«

Wer einmal eine Sectio erlebt hat, kann sich nie wieder vom »Status nach Sectio« befreien. Das äußere Zeichen ist eine mehr oder weniger deutlich sichtbare Narbe auf dem Bauch. Welche komplexen Veränderungen sich unter der Hautoberfläche verbergen, ist noch nicht entgültig erforscht, ebenso wie die Bedeutung dieser Veränderungen. Dass ein Kaiserschnitt auch einen Schnitt in die Seele darstellt, ist inzwischen hinreichend belegt. Welches Frauenbild wird die Zukunft enthalten? Werden Kinder damit aufwachsen, dass erwachsene Frauen eine Narbe auf dem Bauch haben?

Aufgrund steigender Sectioraten stellen sich heute immer mehr Frauen mit mindestens einer Sectio in der Anamnese zur Geburtsplanung vor. Da primäre Komplikationen wie tranfusionsbedürftige Blutungen, Infektionen und Wundheilungsstörungen nur selten auftreten, genießt der Kaiserschnitt viel Zuspruch bei ÄrztInnen und Schwangeren. Die sekundären Komplikationen werden zunächst ins Kleingedruckte verdrängt. Die Sectioraten schwanken weltweit – auch in Deutschland – zwischen 15 und 60 % und das leider auch innerhalb der Gruppe von Kliniken mit reiner Grundversorgung.

Und doch wirkt sich eine vorausgegangene Sectio auf das weitere Frauenleben aus. Wie viele werden vielleicht nicht mehr schwanger, wie viele erleben Schwangerschaftsverläufe jenseits der Physiologie und wie schwerwiegend sind die auftauchenden Probleme? Was passiert, wenn sich die nächste Schwangerschaft nicht an der richtigen Stelle einnistet, sondern im Eileiter, oder in der alten Narbe oder so tief, dass eine Placenta praevia ein erhebliches Risiko darstellt? Die damit verbundenen, nicht selten lebensbedrohlichen Risiken für Mutter und Kind erfordern ein adäquates geburtsmedizinisches Management.

Eine Sectio aufgrund der Zuordnung zu einer Risikogruppe oder auf
Wunsch der Frau umgeht schwere Beckenbodenfunktionsstörungen nicht.

Die Ergebnisse aller Studien deuten darauf hin, dass eine schwere mütterliche Morbidität mit zunehmender Anzahl früherer Kaiserschnitte zunimmt. Frauen, die große Familien planen, sollten die Risiken eines wiederholten Kaiserschnitts berücksichtigen, wenn sie eine elektive primäre Sectio oder eine versuchte vaginale Geburt nach einem vorangegangenen Kaiserschnitt in Erwägung ziehen.

Es ist unsere Aufgabe als Hebammen, Frauen so zu unterstützen, dass sie in eine kraftvolle Situation versetzt werden, in der sie fundierte Entscheidungen bezüglich ihrer Gesundheit treffen können.

Rubrik: DHZ 06/2020

Ich bin Abo-Plus-Leserin und lese das ePaper kostenfrei.

Ich bin Abonnentin der DHZ und erhalte die ePaper-Ausgabe zu einem vergünstigten Preis.

Upgrade Abo+

Jetzt das Print-Abo in ein Abo+ umwandeln und alle Vorteile der ePaper-Ausgabe und des Online-Archivs nutzen.