Empfehlungen zur Auskultation mittels ISIA

Intelligent, strukturiert, intermittierend

Die intermittierende Auskultation steht in Deutschland, obwohl evidenzbasiert, immer noch auf Rang zwei hinter dem CTG. Dabei bietet sie gute Möglichkeiten der Überwachung des Kindes unter der Geburt. Drei ForscherInnen haben mit der intelligenten strukturierten intermittierenden Auskultation (ISIA) durch ihre kritische Synthese von Studien eine »schlaue« Arbeitshilfe geschaffen. Was steckt dahinter? Prof. Dr. Christiane Schwarz, Regine Knobloch

Die Betreuung jeweils nur einer Gebärenden durch eine Hebamme ist nachweislich eine Maßnahme, die zu guten Geburtsergebnissen bei niedriger Interventionsrate führt. In Settings, in denen dies möglich ist und in denen evidenzbasiert gearbeitet wird, gilt die intermittierende Auskultation während der Geburt als Goldstandard, denn sie führt zu weniger Interventionen (beispielsweise Kaiserschnitten durch falsch interpretierte CTG) bei gutem perinatalem Outcome.

In einer unkomplizierten Schwangerschaft soll aufgrund der Evidenzlage ein CTG nur bei strenger Indikation durchgeführt werden, denn hier führen Interpretationsfehler und unklare Befunde zu potenziell schädlichen weiteren (invasiven) Maßnahmen, ohne das Outcome zu verbessern. Die schwangeren Frauen sollten über die Möglichkeiten und Grenzen der fetalen Herztonüberwachung angemessen informiert sein. In der Praxis werden Schwangere in Deutschland jedoch in der Regel nicht darüber informiert, was mit einem CTG festgestellt werden soll und welche Folgen der unangebrachte Einsatz eines CTG haben kann.

 

Vorgehen

 

Für die Auskultation eignen sich sowohl ein Hörrohr (Pinard-Stethoskop) aus Holz oder Aluminium als auch ein Dopplergerät, häufig auch als Dopton bezeichnet. In den USA werden auch binaurale Stethoskope nach DeLee und Hilles verwendet. Die meisten Doptons verfügen über eine Digitalanzeige. Die Technik des Ultraschallabnehmers ist ähnlich wie beim CTG.

Die Herztöne werden üblicherweise am fetalen Rücken oder im Schulterbereich auskultiert (siehe auch Abbildung 1). Das Hörrohr oder der Abnehmer des Doptons wird im rechten Winkel auf die Position mit der deutlichsten Hörbarkeit beziehungsweise dem deutlichsten Signal gelegt. Die Hand der Untersucherin berührt das Hörrohr während des Abhörens nicht. Gleichzeitig wird der mütterliche Puls radial getastet, um eine Verwechslung auszuschließen (Viccars 2009; American College of Nurse-Midwives 2015).

 

Abbildung 1: Orte des Abhörens

Baseline: Das fetale Herz wird 60 Sekunden lang gehört und die Herzschläge gezählt. Alternativ wird 15 Sekunden lang gezählt und das Ergebnis mit 4 multipliziert. Die Anzahl der Herzschläge pro 60 Sekunden gilt als Baseline. Die Baseline wird außerhalb einer Wehe bestimmt, wenn das Kind sich gerade nicht bewegt (American College of Nurse-Midwives 2015).

Oszillation: Einige Autorinnen empfehlen, eine Einschätzung der Oszillation beim Auskultieren der fetalen Herztöne anzustreben. Werden die Herztöne mit einem Dopton mit Digitalanzeige gehört, kann die Oszillation in der angezeigten Schwankungsbreite (höchster und tiefster angezeigter Wert) angenommen werden. Werden die Herztöne mit dem Hörrohr gehört, werden die Herztöne in Abschnitten von beispielsweise zehn Sekunden gezählt und entsprechend grafisch alle zehn Sekunden dokumentiert. Jedoch scheint sich kein Unterschied in den klinischen Ergebnissen zu zeigen, wenn diese Methode mit dem alleinigen Auszählen der Basalfrequenz verglichen wird. Daher wird in den evidenzbasierten nationalen Leitlinien der meisten Länder dieses Vorgehen nicht empfohlen – es bedeutet nur mehr Aufwand ohne Nutzen. Für gesunde Frauen mit unkomplizierter Schwangerschaft und einem normal großen Kind ist die Wahrscheinlichkeit der Gefährdung des Kindes gering, weshalb die Bestimmung der Variabilität (Bandbreite) nicht erforderlich ist (NICE 2014, American College of Nurse-Midwives 2015, Maude, Skinner & Foureur 2014).

Akzeleration: Anstieg der Basalfrequenz um mehr als 15 SpM über einen Zeitraum von mehr als 15 Sekunden. Mit dem Pinard-Stethoskop hörbar. Mit dem Dopton zu hören oder mit Digitalanzeige abzulesen.

Dezelerationen: Abfall der Basalfrequenz um mehr als 15 SpM über einen Zeitraum von mehr als 15 Sekunden. Mit dem Pinard-Stethoskop hörbar. Mit dem Dopton zu hören oder mit Digitalanzeige abzulesen.

Generell soll immer sofort nach der Wehe auskultiert werden, um späte Dezelerationen auszuschließen. Ist das Ergebnis der Auskultation unklar, wird über einen längeren Zeitraum auch während einer Wehe auskultiert (American College of Nurse-Midwives 2015).

 

Was zu hören ist

 

Die Aussagen beziehen sich in erster Linie auf das Hören mit dem Pinard-Hörrohr. Die meisten Geräusche werden auch über das Dopton dargestellt, sie sind jedoch als elektronisches Signal »künstlich« und nicht in ihrer tatsächlichen Qualität hörbar.

  • Herztöne des Kindes: Die kindlichen Herztöne sind kräftige Doppelschläge mit Betonung auf dem ersten Ton. Der Doppelschlag wird als ein Schlag gezählt. Normale Frequenz 110–160 SpM.
  • Rhythmus: Ein als normal einzustufender Rhythmus hat eine gewisse Variabilität, vergleichbar mit der Oszillation im CTG. Auffällig ist ein monotoner Schlag, der auf dem CTG am ehesten als silente Kurve zu erkennen ist (FIGO 2015; Maude, Skinner & Foureur 2014).
  • Nabelschnurgeräusche: Sind in der gleichen Frequenz wie die Herztöne zu hören. Ein blasendes oder schabendes Geräusch.
  • Kindsbewegungen: Kurze, ruckartige Geräusche, häufig auch als Bewegung über das Hörrohr wahrzunehmen, wenn der Bauch sich bewegt.
  • Aorta der Mutter: Lautes Klopfen in der Frequenz des mütterlichen Pulses bei etwa 60–80 SpM. Das Geräusch unterscheidet sich bei der Auskultation mit dem Pinard-Stethoskop deutlich von den kindlichen Herztönen. Mit dem Dopton kann es leichter zu Verwechslungen kommen. Achtung: Der mütterliche Puls kann insbesondere in der späten Eröffnungsperiode und Austreibungsperiode auch im Bereich einer normalen fetalen Frequenz liegen.
  • Gefäße des Uterus: Eher sausendes Geräusch in der mütterlichen Herzfrequenz, am besten an den Seiten der Gebärmutter zu hören.
  • Darmgeräusche: Unregelmäßige, gurgelnde, zischende, melodische Töne (Dudenhausen 2011).

 

Tabelle: Vergleich zwischen Auskultation und CTG

 

Häufigkeit der Herzkontrolle

 

Zur Häufigkeit der Herztonkontrolle liegt bis heute nur wenig belastbare Evidenz vor. So wird beispielsweise in den evidenzbasierten nationalen Leitlinien aus Großbritannien (2014) und Irland (2012) ein strukturiertes Vorgehen von 15-Minuten-Kontrollen in der aktiven Eröffnungsperiode (EP) und 5-Minuten-Kontrollen in der Austreibungsperiode (AP) vorgeschlagen (NICE 2014; Institute of Obstetricians and Gynaecologists 2012). In US-amerikanischen Leitlinien schlagen die AutorInnen vor, in der aktiven EP alle 15–30 Minuten, in der passiven AP alle 15 Minuten und in der aktiven AP (»Pressphase«) alle 5 Minuten zu auskultieren.

Hier wird auch die Auszähltechnik modifiziert: Entweder wird – wie zu Beginn – jeweils eine Minute lang die Frequenz mitgezählt und der definitive Wert dokumentiert oder die Hebamme hört die Herztöne für 15 Sekunden und multipliziert das Ergebnis mit 4, um (wie beim Erwachsenen) einen Minutenwert zu erhalten (American College of Nurse-Midwives 2015).

 

Intelligente strukturierte intermittierende Auskultation

 

Die Erkenntnis, dass intermittierende Auskultation (IA) zwar als angemessene Methode zur fetalen Herztonkontrolle gilt, aber in der Praxis doch viele CTG ohne Indikation geschrieben werden, führte zur Entwicklung einer Arbeitsanweisung »Intelligente strukturierte intermittierende Auskultation« (ISIA) (Maude, Skinner & Foureur 2014).

Robyn M. Maude, Joan P. Skinner und Maralyn J. Foureur recherchierten zunächst alle internationalen Leitlinien und prüften deren Qualität. Bei den für gut bewerteten Leitlinien stellten sie fest, dass die Empfehlungen leicht voneinander abweichen; das bezieht sich auf Zeitpunkt (während/nach der Wehe), Dauer (30–60 Sekunden) und Häufigkeit (15–30 Minuten in der Eröffnungsperiode) der Auskultation (unter anderem NICE 2014; American College of Nurse-Midwives 2015; American College of Nurse-Midwives 2015; ACOG 2009).

Die drei ForscherInnen führten eine kritische, forschungsbasierte Synthese der Publikationen durch und erstellten daraus eine Arbeitshilfe. Diese wurde in der Praxis eingeführt und ausgewertet. Das Ergebnis sind praktikable, evidenzbasierte Algorithmen, die als Orientierung für die Durchführung der fetalen Herztonkontrolle und für die Dokumentation dienen können (siehe Abbildungen 2 und 3).

 

Abbildung 2 (links): Intelligente strukturierte intermittierende Auskultation (ISIA) bei Aufnahme (modifiziert nach Maude, Skinner & Foureur 2014)

 

 

Abbildung 3 (oben): Intelligente strukturierte intermittierende Auskultation (ISIA) im Verlauf (modifiziert nach Maude, Skinner & Foureur 2014)

 

Die Auskultation bezogen auf die Situation in Deutschland

 

Wird ein Kind in einem nicht vitalen Zustand geboren, werden die Eltern sehr genau nach den Ursachen fragen. Neben der persönlichen Sorge um ihr Kind wünschen sie eine möglichst optimale Versorgung und Förderung. Haftpflichtversicherungen müssen bei geburtshilflichen Schäden Zahlungen von mehreren Millionen Euro leisten, wenn die Hebamme nicht belegen kann, fachgerecht und sorgfältig nach dem allgemeinen Hebammenstandard gehandelt zu haben, und der Schaden so vermeidbar gewesen wäre. Lücken in der Dokumentation führen immer dazu, dass Fragen offen bleiben.

Häufig beurteilen ärztliche GutachterInnen das Geschehen und Handeln der Akteure während einer Geburt. Dies ist eine schwierige Situation für hebammengeleitete Geburten, insbesondere wenn sie außerklinisch stattfinden. Viele ärztliche GutachterInnen sind der Auffassung, dass das CTG-Schreiben während der Geburt unerlässlich sei, und berufen sich dabei auf die deutschen Leitlinien zur Anwendung des CTG. Diese basieren auf ExpertInnenmeinung und sind nicht evidenzbasiert: Reine Auskultation wird hier – entgegen der Evidenz – als nicht ausreichend dargestellt. Tatsächlich fehlen in vielen Geburtsberichten aber ausreichende Aussagen über das Ungeborene, die auch ohne den Einsatz eines CTG gewonnen werden – durch Auskultation, Beobachtung von Kindsbewegungen, der Wehentätigkeit und des Befindens und der Vitalzeichen der Mutter und die daraus folgende sorgfältige und kontinuierliche Beurteilung aller Beobachtungen zum Geburtsverlauf. Sämtliche Feststellungen sollten deshalb dokumentiert werden.

 

Dokumentation der Herztöne

 

Zunächst sollte notiert werden, womit auskultiert wird, also Dopton oder Hörrohr. Nach den internationalen Empfehlungen soll für die Herzfrequenz ein Wert dokumentiert werden (Lewis & Downe 2015; Maude, Skinner & Foureur 2014; American College of Nurse-Midwives 2015).

Die meisten Hebammen in Deutschland verwenden zum Hören der Herztöne ein Dopton mit Digitalanzeige. Auf der Anzeige sind unterschiedliche Werte zu sehen. Notiert werden häufig der höchste und der niedrigste Wert. Dies geschieht im Glauben, dadurch die Oszillation der fetalen Herzfrequenz (FHF) wiederzugeben und diene damit einer besseren Überwachung des Kindes. Sich auf die Variabilität der FHF auf der Digitalanzeige des Doptons zu verlassen, ist allerdings nicht ausreichend. Davon abgesehen produziert das Display auf allen gängigen Geräten (Dopton und CTG) häufig Artefakte. Um eine Aussage über den Zustand des Kindes machen zu können, ist die Erhebung eines Aufnahmebefundes und einer fortlaufenden Beurteilung nach einem festgelegten Protokoll erforderlich.

Wenn die Herztöne nicht in der empfohlenen Häufigkeit gehört werden, ist dies in der Dokumentation zu begründen (beispielsweise: Frau ist auf Toilette).

Ein Partogramm hilft, die Herztöne übersichtlich darzustellen: Werden die Herztöne in einem fortlaufenden Text (Geburtsbericht) dokumentiert, kann ein Ansteigen der Baseline leicht übersehen werden, insbesondere wenn sich die Herzfrequenz innerhalb der Norm (110–160 SpM) befindet. Ein Ansteigen der Baseline ist in einem Partogramm deutlicher zu erkennen (siehe Abbildung 4).

 

Abbildung 4: Partogramm mit Oszillation der kindlichen Herztöne

Beobachtungen wie Kindsbewegungen und das Hören von Akzelerationen fehlen häufig in der Dokumentation, obwohl die Hebamme sie wahrgenommen hat. Enthält das Formular keine Vorgabe für einen Aufnahmebefund, sollte dieser im Freitext ausführlich beschrieben werden (siehe auch Abbildung 3). Kindsbewegungen können in der Grafik des Partogramms oder im Fließtext mit »KB« eingetragen werden.

Um die Dokumentation zu vereinfachen, sollte sich die Hebamme eine Arbeitsanleitung erstellen, die sie in ihrem Qualitätsordner abheftet. Hier legt sie fest, wie sie bei der Überwachung des Kindes mit Auskultation vorgeht. Wenn in der Arbeitsanleitung beschrieben ist, dass die Herztöne grundsätzlich direkt nach der Wehe mindestens eine Minute lang gehört werden, muss dies nicht bei jeder Auskultation beschrieben werden. Statt »FHF 126 d.n.d.W.« (direkt nach der Wehe), genügt dann »FHF 126« oder »FHF 134 KB«, wenn das Kind sich gerade bewegt. Lediglich Abweichungen werden zusätzlich notiert, beispielsweise, wenn die Herztöne nur 15 Sekunden gehört werden konnten, weil die Frau sich gerade stark bewegt: Bsp. »FHF 132 15 sec« oder noch kürzer »132/15«.

Rubrik: Geburt | DHZ 09/2020

Hinweis

Der Artikel ist entnommen aus dem Buch »CTG – verstehen, bewerten, dokumentieren«, das in der Reihe Evidenz & Praxis im Elwin Staude Verlag erschienen ist – hier die Seiten 137 bis 149 in Auszügen. Der Text wurde leicht redaktionell angepasst. Nicht alle dort vorhandenen Abbildungen konnten aufgenommen werden.

Literatur

American College of Nurse-Midwives: Intermittent auscultation for intrapartum fetal heart rate surveillance. Journal of Midwifery & Women’s health 2015. 60(5):626–32

American College of Obstetricians and Gynecologists (ACOG): ACOG Practice Bulletin No. 106: Intrapartum fetal heart rate monitoring: nomenclature, interpretation, and general management principles. Obstetrics and Gynecology 2009. 114: 192–202, reaffirmed 2015

Dudenhausen J: Praktische Geburtshilfe mit geburtshilflichen Operationen. Berlin, Boston: De Gruyter 2011
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