In aller Munde

  • Birgit Heimbach, Hebamme und Redakteurin der DHZ: »Der Ausbau einer inter‧disziplinären Zusammenarbeit zwischen ZahnärztInnen und Hebammen erscheint erforderlich.«

Seit 1999 sind GynäkologInnen über die Mutterschafts-Richtlinien gesetzlich verpflichtet, »im letzten Drittel der Schwangerschaft bedarfsgerecht über die Mundgesundheit für Mutter und Kind aufzuklären«. Dabei sollen sie »insbesondere auf den Zusammenhang zwischen Ernährung und Karies hinweisen« (Mutterschafts-Richtlinien 2019). Das findet wohl nur unzureichend statt. Laut einer Befragung hatten nur 2,5 % von 602 Schwangeren diese Infos erhalten, so Prof. Dr. Hüsamettin Günay von der Klinik für Zahnerhaltung an der Medizinischen Hochschule Hannover. Den Ausbau einer interdisziplinären Zusammenarbeit auch mit Hebammen schätze er als zwingend erforderlich ein. Erfreulich ist, dass dies bereits stattfindet: Die Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege schult unsere Berufsgruppe bereits zusammen mit dem Deutschen Hebammenverband.

Schwangere müssen besonders auf ihre Mundgesundheit achten. Die Annahme, dass ihr Zahnschmelz weicher werde, weil das Ungeborene für den Knochenaufbau Calcium aus ihren Zähnen ziehe, konnte zwar widerlegt werden. Jedoch sinkt der Calcium- und Phosphatgehalt im Speichel, dadurch reduziert sich dessen Remineralisierungspotenzial. Weil dabei auch der pH-Wert sinkt, verringert sich die Speichelpufferkapazität – besonders ungünstig bei speziellen Essgelüsten. Im letzten Schwangerschaftsdrittel erhöht sich auch noch die Konzentration an Mutans-Streptokokken, der Haupterreger von Karies. Steigende Progesteron-Werte lockern das Zahnfleisch und reduzieren die zelluläre Abwehr. Der Anstieg der Östrogene begünstigt die Bildung von Schwellungen und Ödemen im Zahnfleisch: ein Risiko für eine Parodontitis, die einen Gestationsdiabetes sowie Fehl- und Frühgeburten nach sich ziehen kann.

In dieser Ausgabe geht es auch um die Mundgesundheit beim Säugling, etwa um die Ursachen späterer Kreidezähne. Mit der oralen Phase beginnt die Hominisation des Menschenkindes«, so die Zahnärztin Dr. Beate Slominski. Die ersten Zähne, deren Wachstum und Ausfallen, dann die bleibenden sowie die »weisen« und eventuell dritten Zähne markieren Lebensetappen. Ein gesundes Gebiss ist nicht nur schöner als jede teure Perlenkette, sondern besitzt tatsächlich einen hohen materiellen Wert. Im ökonomischen Gesundheitssystem spielt die Zahnmedizin eine große Rolle. Bis ins hohe Alter möchten wohl alle schöne Zähne haben. Aber so weiß wie Milch sind von Natur aus nur die Milchzähne, die mal in aller Munde waren.

»In aller Munde« lautet der Titel einer Ausstellung im Kunstmuseum Wolfsburg. Slominski, die sich seit Jahren mit Verknüpfungen von Zahnheilkunde und Bildender Kunst befasst, hat sie initiiert. Ende des Monats wird sie eröffnet. Zu sehen sind unter anderem Werke der New Yorker Künstlerin Rona Pondick, deren Arbeit im Kulturbeitrag vorgestellt wird. Ihre Skulpturen mit Zähnen zeigen eine Bandbreite an Symbolik, etwa die auf dem Titel.

Rubrik: DHZ 10/2020

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