Studie in Lancet

Autismus im Fokus

  • Eine Evaluation in Lancet zeigt, dass Jungen 3,9-mal häufiger als Mädchen von Autismus betroffen waren.

  • Autismus ist eine schwerwiegende Erkrankung, die durch verschiedene Faktoren begünstigt wird (siehe auch DHZ 11/2022). Das Ziel einer britischen Studie, veröffentlicht in The Lancet Child & Adolescent Health, bestand darin, die Inzidenz von Autismus in Bezug zu soziodemografischen sowie räumlichen Faktoren zu untersuchen: Wie häufig, wo und warum tritt Autismus tatsächlich auf?

    Durchgeführt wurde eine groß angelegte retrospektive longitudinale Studie unter Schüler:innen in England (n=31.580.512), deren soziodemografische Daten in der National School Database hinterlegt waren. Evaluiert wurden Daten der Schüler:innen im Alter 1 bis 18 Jahren für den Zeitraum 2014 bis 2017. Limitierend war der Aspekt, dass keine Daten für Schüler:innen alternativer Lehrangebote, beispielsweise aus dem Home-Schooling verfügbar waren, diese jedoch 7 % der Gesamtschüler:innenzahl ausmachte.

    Insgesamt erfolgten 102.338 Neudiagnosen an Autismus, welche einer Autismus-Inzidenz von 429,1 Fällen pro 100.000 Personenjahre entspricht. Die Evaluation zeigte, dass Jungen 3,9-mal häufiger als Mädchen von Autismus betroffen waren. So betrug die Inzidenz bei Jungen 668,6/100.000 und bei Mädchen 173,2/100.000. Die Inzidenz war am höchsten bei Schüler:innen, die eine nicht klassifizierte ethnische Zugehörigkeit (599,4/100.000) oder eine schwarze Hautfarbe (466,9/100.000) hatten.

    Eine niedrigere Wahrscheinlichkeit für die Diagnose von Autismus hatten asiatische Kinder sowie chinesische Mädchen. Geografisch war die Inzidenz für Autismus in Gegenden höher, in denen viele Personen der englischen Unterschicht angehörten (am höchsten in den Distrikten Tewkesbury und Forest of Dean). Schüler:innen der Altersgruppen 1–3 Jahre, 4–6 Jahre und 10–12 Jahre erhielten am häufigsten eine Autismusdiagnose.

    Die Autor:innen interpretieren die Ergebnisse ihrer Studie, dass die Häufigkeit, mit der Autismus auftritt, je nach Geschlecht, Alter, ethnischer Zugehörigkeit und geografischem Standort variiert. Das Sprechen einer anderen Sprache könnte den Zugang zu Autismus-Diagnose- und Beratungszentren erschweren.

    Sie empfehlen, die Vielfalt möglicher Einflussfaktoren zu berücksichtigen, wenn eine Autismusdiagnose gestellt wird: Eine niederschwellige Hilfe sollte betroffenen Schüler:innen zuverlässig während des gesamten Diagnoseprozesses zur Verfügung stehen.

    Hinweis: Lesen Sie dazu auch in DHZ 11/2022: www.dhz-online.de/aktuelles-heft/heft-detail-leseprobe/artikel/wenn-sie-doch-mit-mir-kuscheln-wuerde/

    Quelle: Roman-Urrestarazu, A., Yang, J.C., van Kessel, R., et al. (2022). Autism incidence and spatial analysis in more than 7 million pupils in English schools: a retrospective, longitudinal, school registry study. The Lancet. Child & Adolescent Health. 2022 Oct:S2352-4642(22)00247-4. DOI: 10.1016/s2352-4642(22)00247-4 ∙ DHZ

    Rubrik: Medizin & Wissenschaft

    Erscheinungsdatum: 02.11.2022