Spina bifida

Fetale Chirurgie führt zu besseren Langzeitergebnissen als ein postnataler Eingriff

Die Meningomyelozele ist eine gravierende Spaltbildung der Wirbelsäule. Die Kinder werden mit einem »offenen Rücken« geboren. Teile des Rückenmarks und der Meningen ragen in einer Zyste nach außen. Die Spina bifida lässt sich auch postnatal durch einen neurochirurgischen Eingriff korrigieren. Die Ergebnisse sind jedoch nicht immer befriedigend.

Die «Two hit«-Hypothese macht hierfür den späten Operationstermin mitverantwortlich. Die Hypothese besagt, dass der erste »Schlag« der fehlerhafte Verschluss des Neuralrohrs am Ende des ersten Schwangerschaftsmonats erfolgt. Für die späteren Behinderungen sei jedoch der zweite »Schlag« entscheidend, zu dem es später in der Schwangerschaft komme, wenn das exponierte Rückenmark durch toxisches Fruchtwasser und direkte Traumatisierung weiter in Mitleidenschaft gezogen werde.

Die «Two hit«-Hypothese bildete die Rationale für die Fetalchirurgie, die versucht, die Spaltbildung noch im Uterus zu korrigieren. Die 2011 veröffentlichten Ergebnisse der randomisierten »Management of Myelomeningocele Study« (MOMS) gelten heute als Beweis für die Richtigkeit der «Two hit«-Hypothese.

Scott Adzick vom Children's Hospital of Philadelphia und MitarbeiterInnen konnten damals zeigen, dass die pränatale Operation die Häufigkeit von Spätschäden senkt. Die Kinder benötigten später nur halb so häufig einen Shunt zur Korrektur eines Hydrozephalus und sie entwickelten sich besser als in der Vergleichsgruppe, in der die Korrektur erst nach der Geburt durchgeführt wurde. Mit 30 Monaten waren mehr Kinder in der Lage, ohne Unterstützung zu gehen und sie kamen häufiger ohne Pflege aus.

Die MOMS2-Studie hat die Kinder in den Jahren 2011 bis 2017 nachuntersucht. Die meisten haben inzwischen das Schulalter erreicht. Im letzten Jahr stellte ein Team um Amy Houtrow von der Universität Pittsburgh die Ergebnisse der neuropsychiatrischen Tests vor. Die Forscher konnten damals die Eltern von 161 der ursprünglich 183 Kinder ausführlich befragen. Im »Vineland Adaptive Behavior Scale« zeigten sich keine Unterschiede in den Kommunikationsfähigkeiten, im täglichen Verhalten und in der sozialen Entwicklung der Kinder. Es fiel jedoch auf, dass die intrauterin operierten Kinder sich motorisch besser entwickelt hatten und weniger Behinderungen aufwiesen.

Sie konnten sich häufiger ohne Orthesen oder andere Hilfsmittel bewegen (29 versus 11 %), wiesen seltener sensorische oder neurologische Störungen auf (92 versus 85 % vom Maximum im FRESNO-Score), es kam seltener zu Hinterhirnhernien (60 versus 87 %) und die Anlage eines Shunts (49 versus 85 %) oder dessen spätere Revision (47 versus 70 %) war weiterhin seltener notwendig als bei den postnatal operierten Kindern. Die Eltern bewerteten die Lebensqualität besser (0,15 versus 0,11 Punkte im Parkin Spina Bifida-Score) und sie stuften die Auswirkungen auf die Familie als geringer ein (32 versus 37,0 Punkte in einem Score).

Jetzt stellen die Forscher weitere Ergebnisse zur motorischen Entwicklung vor. Die Ergebnisse basieren auf 151 Kindern, die im Alter von durchschnittlich 7,4 Jahren genauer untersucht wurden.

Die Kinder erreichten jetzt 90,8 versus 85,5 % des maximalen FRESNO-Scores für die Selbstständigkeit. In der modifizierten Hoffer-Klassifikation wurden 51,3 versus 23,1 % als motorisch unabhängig eingestuft. Sie können sich ohne Hilfen weitgehend unabhängig im Alltag bewegen. Sie waren im 10-Meter-Gehtest 1 Sekunde schneller, zeigten bessere Fähigkeiten im Treppensteigen und wiesen eine bessere Gangqualität und höhere Mobilität auf. Sie waren weniger als halb so häufig hinter den normalen motorischen Fähigkeiten ihres Alters zurückgeblieben als die nach der Geburt operierten Kinder.

Für Scott Adzick zeigen die Ergebnisse, dass die Vorteile der fetalen Chirurgie bei Spina bifida über die frühe Kindheit hinaus bis weit in das erste Lebensjahrzehnt eines Kindes reichen. Die langjährigen Bedenken gegenüber der Operation seien damit weitgehend widerlegt. Kritiker hatten befürchtet, dass die Vorteile nur von geringer Dauer sind und beide Gruppen sich nach einigen Jahren nicht mehr unterscheiden.

Quelle: Houtrow AJ et al.: Prenatal Repair of Myelomeningocele and School-age Functional Outcomes. JAMA Pediatr 2021. doi:10.1001/jamapediatrics.2020.5674 aerzteblatt.de, 18.3.2021 DHZ

Rubrik: 1. Lebensjahr

Erscheinungsdatum: 22.03.2021