Plötzlicher Kindstod und das Enzym Butyrylcholinesterase

Eine mögliche Ursache für SIDS identifiziert?

  • Ein Mangel des Enzyms Butyrylcholinesterase könnte für den Plötzlichen Kindstod verantwortlich sein.

  • Was genau verbirgt sich hinter der Pathophysiologie des Plötzlichen Kindstods (Sudden Infant Death Syndrome/SIDS)? Wie kann er vermieden werden? Mit diesen Fragen beschäftigten sich die Biochemikerin Dr. Carmel Therese Harrington und ihr Team aus Sydney, Australien, im Rahmen einer Crowdfunding-Kampagne aus einer eigenen Betroffenheit heraus: Vor 28 Jahren verstarb plötzlich ein bislang gesundes Kind Harringtons am SIDS (Harrington, 2022). Die Ergebnisse ihrer Studie wurden nun in der Fachzeitschrift The Lancet veröffentlicht (Harrington et al., 2022).

    Im Zentrum stand die Forschung an autonomen Dysfunktionen, die mit SIDS in Verbindung gebracht wurden. Hierbei lag der Fokus auf dem Enzym Butyrylcholinesterase (BChE), das als Botenstoff im kindlichen Gehirn dafür sorgt, dass bei aussetzender Atmung ein Aufwachen des Kindes erfolgt.

    Durchgeführt wurde eine Fall-Kontrollstudie unter 67 Kindern, die am Plötzlichen Kindstod verstorben waren. Die Kinder starben zwischen 1 und 104 Wochen nach der Geburt. Nach ihrem Tod wurden die BChE-Aktivität und der Eiweißgehalt getrockneter Proben des Neugeborenen-Screenings dieser Kinder ausgewertet. Der entsprechende Wert jedes verstorbenen Kinders wurde mit jeweils zehn gematchten Kontrollfällen verglichen.

    Die bedingte logistische Regression zeigte, dass es in Gruppen, in denen Fälle als »SIDS-Tod« gemeldet wurden, starke Hinweise darauf gab, dass eine niedrigere BChE-spezifische Aktivität mit dem Tod assoziiert war (OR = 0,73, 95 % KI 0,60–0,89, P = 0,0014), während es in Gruppen mit einem »Nicht-SIDS-Tod« keinen Hinweis auf einen linearen Zusammenhang zwischen BChE-Aktivität und Tod gab (OR = 1,001, 95 % CI 0,89–1,13, P = 0,99).

    Die BChE-Aktivität, gemessen in getrockneten Blutflecken, die zwei bis drei Tage nach der Geburt genommen wurden, war niedriger bei Babys, die später an SIDS starben, verglichen mit Kontrollen bei Überlebenden und anderen Nicht-SIDS-Todesfällen.

    Es zeigte sich eine starke Evidenz, dass eine geringere BChE-Aktivität mit einem Plötzlichen Kindstod in Zusammenhang steht.

    Die Autor:innen schlussfolgern, dass bei Kindern, die später am SIDS verstarben, bereits zum Zeitpunkt der Geburt messbare und spezifische Auffälligkeiten vorhanden waren. Die Autor:innen empfehlen, den Biomarker der Butyrylcholinesterase (BChE) zeitnah weiter zu erforschen, um weitere Fälle des SIDS vorausschauend vermeiden zu können.

    Harrington, C. T. (2022). My cause: Damien´s legacy [Online]. Available: https://www.mycause.com.au/p/184401/damiens-legacy [Accessed 16. Mai 2022]. ∙ Harrington, C. T., Hafid, N. A. & Waters, K. A. (2022). Butyrylcholinesterase is a potential biomarker for Sudden Infant Death Syndrome. EBioMedicine, 80, 104041. ∙ DHZ

    Rubrik: 1. Lebensjahr

    Erscheinungsdatum: 23.05.2022