Myelinscheiden im Gehirn reifen post partum langsamer
Die Geburt wirkt sich hemmend auf das Wachstum von Myelinscheiden im Gehirn aus. Dieser Zusammenhang könnte kognitive Defizite bei Frühgeborenen erklären. Das berichtet eine Arbeitsgruppe um die Marburger Neurowissenschaftlerin Mareike Grotheer in den Proceedings of the National Academy of Sciences.
Die Arbeitsgruppe verwendete für ihre Studie Magnetresonanztomografie (MRT)-Aufnahmen, um die Ausdehnung der Myelinscheiden entlang der Leitungsbahnen im Gehirn zu erfassen. Hierfür griff die Gruppe auf bereits bestehende Bilddaten des Developing Human Connectome Projects zurück (n=300).
Um die Nervenbahnen im Gehirn der Neugeborenen zu identifizieren und deren Myelingehalt zu quantifizieren, entwickelte das Team zudem eine eigene Software. »Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Myelinisierung der weißen Substanz in utero schneller verläuft als ex utero«, hieß es aus der Arbeitsgruppe. Die verringerte Wachstumsrate des Myelins nach der Geburt erkläre wiederum den geringeren Myelingehalt bei Frühgeborenen und könnte für die langfristigen kognitiven, neurologischen und entwicklungsbezogenen Folgen der Frühgeburt verantwortlich sein.
»Wir stellen die Hypothese auf, dass eine enge Anpassung der Umgebung von Frühgeborenen an die Bedingungen, die sie im Mutterleib erlebt hätten, die Verzögerung des Myelinwachstums verringern und somit die Entwicklungsergebnisse verbessern könnte«, erklären die Forscher:innen.
Biete man Frühgeborenen eine Umgebung, die sich an die Gegebenheiten im Mutterleib anlehne, könne dies vielleicht ihrer neuronalen Entwicklung nach der Geburt zugutekommen, so ihre Hypothese.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft, das Exzellenzprogramm des Hessischen Wissenschaftsministeriums sowie US-amerikanische Förderorganisationen haben die Forschungsarbeit unterstützt.
Quelle: Grotheer, M., Bloom, D., Kruper, J., Richie-Halford, A., Zika, S., Aguilera González, V. A., Yeatman, J. D., Grill-Spector, K., & Rokem, A. (2023). Human white matter myelinates faster in utero than ex utero. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 120(33), e2303491120. https://doi.org/10.1073/pnas.2303491120 · aerzteblatt.de, 31.8.23 · DHZ