Präimplantations­diagnostik

Erkrankungsrisiken von Embryonen vorhersagen?

  • US-amerikanischen Forschenden ist es gelungen, das Genom von Embryonen vor der Implantation in den Uterus zu rekonstruieren.

  • Für eine erfolgreiche Genomsequenzierung, die mit modernen Methoden innerhalb weniger Tage möglich ist, wird derzeit noch eine größere Zahl von Zellen benötigt. Die Methode konnte deshalb nicht für die Präimplantationsdiagnostik (PID) genutzt werden, denn die wenige Tage alten Embryonen bestehen nur aus wenigen Zellen. Für die derzeitigen »Microarray«-Analysen, die größere Chromosomenanomalien oder einzelne Mutationen aufspüren, reicht in der Regel eine einzelne Zelle.

    Forscher:innen der Firma MyOme aus Menlo Park in Kalifornien ist es gelungen, diese technischen Schwierigkeiten zu überwinden. Die Methode besteht zunächst aus der Sequenzierung des kompletten Genoms beider Elternteile. An den einzelnen Zellen der Embryonen wird dann eine »Microarray«-Analyse durchgeführt. Aus den drei Datenquellen wird dann mit statistischen Mitteln das Genom des Embryos »rekonstruiert«. Die Methode ermittelt, welche der Chromosomen der Eltern sich in der Eizelle zu Paaren verbunden haben und zu welchen meiotischen Rekombinationen es dabei gekommen ist.

    Die Methode scheint recht zuverlässig zu sein, wie der Vergleich des rekonstruierten Genoms mit einer Genomsequenzierung zeigt, die bei 10 Kindern nach der Geburt durchgeführt wurde. Wie Akash Kumar und Mitarbeiter:innen berichten, betrug die Übereinstimmung 96,3 % bis 98,4 %, wenn die Zellentnahme am Tag drei nach der (künstlichen) Befruchtung erfolgte. Bei fünf Tage alten Embryonen stieg sie auf 98,0 % bis 98,9 %. Die Genauigkeit verbessert sich am Tag fünf, weil bei der Biopsie mehr Zellmaterial vom Embryo entnommen wird.

    Die Forscher:innen haben dann die rekonstruierten Genomdaten von 110 Embryonen von 10 Paaren verwendet, um sogenannte polygene Risiko-Scores (PRS) für 12 verschiedene Erkrankungen zu berechnen. Dies waren Brustkrebs, Colitis ulcerosa, Darmkrebs, koronare Herzkrankheit, Lupus, Morbus Crohn, Pankreas¬karzinom, Typ-1-Diabetes, Typ-2-Diabetes, Vitiligo und Vorhofflimmern. Die PRS waren in der UK Biobank-Studie ermittelt worden. Sogenannte Genom-weite Assoziationsstudien hatten gezeigt, welche Genvarianten mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko verbunden sind. Die Ergebnisse könnten genutzt werden, um im Rahmen einer PID Erkrankungsrisiken von Neugeborenen vorherzusagen. Ob dies sinnvoll ist, erscheint jedoch fraglich.

    In den USA gibt es keine strengen behördlichen Auflagen. Josephine Johnston vom Hastings Center, einer Bioethikdenkfabrik in Garrison im Bundesstaat New York, befürchtet deshalb, dass die Anbieter:innen Testpakete schnüren, deren Risiken und Einschränkungen die Kunden nicht verstehen. Dazu gehört beispielsweise, dass auch die komplette Analyse des Genoms genetische Erkrankungen nicht ausschließen kann.

    Quelle: Rabinowitz M et al.: Whole-genome risk prediction of common diseases in human preimplantation embryos. Nature medicine 2022. doi: 10.1038/s41591-022-01735-0 ∙ aerzteblatt.de, 22.2.2022 ∙ DHZ

    Rubrik: Medizin & Wissenschaft

    Erscheinungsdatum: 24.03.2022