Meta-Analyse

Wie wirksam sind soziale Distanz und das Tragen von Mund-Nase-Masken?

  • Eine körperliche Distanz von mehr als einem Meter senkt das Ansteckungsrisiko um 82 %.

  • Die Wirksamkeit der derzeit von der WHO empfohlenen und international üblichen Schutzmaßnahmen ist noch nicht in einer randomisierten Studie untersucht worden. Ein Team um Holger Schünemann von der McMaster Universität in Hamilton/Ontario musste seine Untersuchungen deshalb ganz auf epidemiologische Untersuchungen stützen, die immer Gefahr laufen, die Effektivität von Schutzmaßnahmen falsch einzustufen.

    Die Gefahr vermindert sich allerdings, wenn verschiedene Beobachtungsstudien zu ähnlichen Ergebnissen kommen. Dies war bei den meisten der 172 Studien der Fall, die die kanadischen ForscherInnen ausgewertet haben. Insgesamt 44 vergleichende Studien konnten in die Meta-Analyse einbezogen werden, aus deren Ergebnissen sich die Infektionsrisiken abschätzen lassen.

    Nach den Ergebnissen senkt eine körperliche Distanz von mehr als einem Meter sowohl im Gesundheitswesen als auch in der Gesellschaft das Ansteckungsrisiko um 82 %. In den Studien betrug das absolute Infektionsrisiko bei einer Distanz von weniger als einem Meter 12,8 %, bei einer Distanz von mehr als einem Meter sank es auf 2,6 %. Nach den Berechnungen der ForscherInnen verdoppelt sich die Schutzwirkung mit jedem zusätzlichen Meter Distanz. Die Berechnungen reichten bis zu einer Distanz von drei Metern. Ein Mund-Nase-Schutz senkt das Infektionsrisiko laut der aktuellen Studie um 85 %. Ohne Mund-Nase-Schutz betrug das absolute Infektionsrisiko in den Studien 17,4 %, mit Mund-Nase-Schutz fiel es auf 3,1 %.

    Für den Einsatz in der Klinik ermittelten die ForscherInnen ein relatives Risiko von 0,3. Die Schutzwirkung fällt damit größer aus als in der Gemeinschaft. Dies ist laut Schünemann vermutlich auf den häufigeren Einsatz von Schutzmasken wie N95 in den Kliniken zurückzuführen. Diese erreichten in einer Unteranalyse eine Schutzwirkung von 96 %, während eine einfache chirurgische Maske zu 77 % wirksam war. Für den Augenschutz ermitteln die kanadischen Forscher eine Schutzwirkung von 78 %. In der Studie sank das absolute Infektions­risiko durch den Augenschutz von 16,0 auf 5,5 %.

    Nach Ansicht der Editorialistin Raina MacIntyre vom Kirby Institute in Sydney sollten im Gesundheitswesen Respiratoren wie N95 der Mindeststandard sein. Eine einfache chirur­gische Maske erziele zwar eine gewisse Schutzwirkung, für die Beschäftigten im Gesund­heitswesen sollte jedoch aufgrund des Vorsorgeprinzips der bessere Schutz zur Verfügung gestellt werden.

    Quelle: Schünemann HJ et al.: Physical distancing, face masks, and eye protection to prevent person-to-person transmission of SARS-CoV-2 and COVID-19: a systematic review and meta-analysis. The Lancet 2020. doi: https://doi.org/10.1016/S0140-6736(20)31142-9 · aerzteblatt.de, 2.6.2020 · DHZ

    Rubrik: Covid-19

    Erscheinungsdatum: 05.06.2020