Sekundärdatenanalyse aus Dänemark

Sind besonders ausgestattete Gebärräume besser?

  • Eine Analyse aus Dänemark untersuchte, wie sich der Umgebungsfaktor eines Gebärraums auswirkt, der im Vergleich zu einem üblichen Kreißsaal mehr Anreize zu aufrechten Positionen bietet und optisch ansprechender gestaltet ist.

  • Gebären wird multifaktoriell beeinflusst. Die Hormonlage der Gebärenden verändert sich während der Geburt und reagiert dabei sensibel auf Umgebungsfaktoren. Die Frage liegt also auf der Hand: Wie wirkt sich der Umgebungsfaktor eines Gebärraums aus, der im Vergleich zu einem üblichen Kreißsaal mehr Anreize bietet, eine aufrechte Gebärhaltung und Bewegung einzunehmen sowie optisch ansprechender gestaltet ist? In Dänemark (Herning Hospital) wurde dieser Frage nach dem Einfluss eines Gebärraums auf das Empfinden der Gebärenden und deren Partner sowie Outcome-Parameter der Geburt anhand einer Sekundärdatenanalyse nachgegangen.  

    Durchgeführt wurde eine Sekundärdatenanlyse aus Daten einer randomisiert-kontrollierten Studie, die ursprünglich zum Themenkomplex einer Einleitung der Geburt in Abhängigkeit zur Geburtsumgebung durchgeführt wurde (Lorentzen et al., 2019). Eingeschlossen wurden 680 erstgebärende Frauen, die in zwei Gruppen randomisiert wurden. Die Studiengruppe umfasste Frauen, die in einem Gebärraum betreut wurden (n=340), die Kontrollgruppe Frauen, die in einem klassischen Kreißsaal betreut wurden (n=340).  Die Daten wurden anhand eines Fragebogens unter der Gebärenden und ihrem Partner im Wochenbett erhoben. Erfragt wurden darin unter anderem: Unterstützung des Partners, ungestörter Kontakt zum Neugeborenen, Gefühl, angehört zu werden, Aufmerksamkeit gegenüber psychischen Bedürfnissen, Vorschläge zur Schmerzlinderung sowie die Unterstützung durch die Hebamme.

    Der klassische Kreißsaal (Größe: 55 Quadratmeter) war eingerichtet mit einem Gebärbett, einer Versorgungseinheit für das Neugeborene, einem CTG-Gerät sowie einer Gebärwanne und einem eigenen Badezimmer. Verfügbar waren weiter: ein bequemer Sessel für den Partner, Stühle für die Gebärende und die Hebamme sowie ein CD-Player.

    Der Gebärraum (Größe 39 Quadratmeter) wurde mit Holz ausgestattet und über eine Videoprojektion konnten an drei Wandseiten Naturszenen gezeigt werden. Diese wurden musikalisch untermalt und mit Lichteffekten hinterlegt. Paare konnten auch eigene Musik oder Lichteffekte wählen. Auf einer Seite des Raumes standen eine Gebärwanne und ein Bett mit Doppelmatraze und mehreren Kissen. Das Bett konnte auch zu einem Sofa umgestaltet werden.  Das CTG-Gerät stand außerhalb des Raumes und die Versorgungseinheit für das Neugeborene befand sich auf der gegenüberliegenden Seite des Bettes.

    Vollständige Daten lagen von 325 Frauen und 209 Partnern der Studiengruppe sowie 236 Frauen und deren 236 Partnern in der Interventionsgruppe vor. Kein signifikanter Unterschied wurde in der Gesamterfahrung der Geburt bei Frauen oder Partnern festgestellt. Die Partner von Frauen der Interventionsgruppe berichteten jedoch im Vergleich zu Partnern von Frauen der Kontrollgruppe über eine insgesamt höhere Zufriedenheit. In der Interventionsgruppe gaben weniger Frauen und Partner an, dass sie in den ersten Stunden nach der Geburt keine Gelegenheit zum ungestörten Kontakt mit ihrem Neugeborenen hatten. Eine thematische Analyse der Antworten zeigte auf, dass viele Frauen und Partner das Gefühl hatten, in den intensivsten Stunden der Geburt nicht von den Funktionen im Gebärraum profitiert zu haben.

    Die Autor:innen schlussfolgern, dass die Geburt in einem Gebärraum das Geburtserlebnis der Frauen und Partner nicht verbessert, obwohl Partner von Frauen bei der Geburt in einem Gebärraum insgesamt zufriedener mit der Versorgung waren. Die Autor:innen stufen ihre Ergebnisse als bedeutsam in Bezug auf die weitere Entwicklung von Gebärräumen ein.

    Quelle: Hansen, M. L., Lorentzen, I. P., Andersen, C. S., Jensen, H. S., Fogsgaard, A., Foureur, M., Jepsen, I. & Nohr, E. A. (2022). The effect on the birth experience of women and partners of giving birth in a »birth environment room«: A secondary analysis of a randomised controlled trial. Midwifery, 112, 103424. https://doi.org/10.1016/j.midw.2022.103424
    Lorentzen, I., Andersen, C. S., Jensen, H. S., Fogsgaard, A., Foureur, M., Lauszus, F. F. & Nohr, E. A. (2019). Study protocol for a randomised trial evaluating the effect of a »birth environment room« versus a standard labour room on birth outcomes and the birth experience. Contemp Clin Trials Commun, 14, 100336 ∙ DHZ

    Rubrik: Geburt

    Erscheinungsdatum: 09.08.2022