Qualitative Studie aus Großbritannien

Wieder vertrauen nach traumatischer Geburt

  • Nur über eine vertrauensvolle Beziehung zwischen der schwangeren Frau und der betreuenden Hebamme kann es nach einer vorausgehenden traumatischen Geburt zu einer positiven Geburtserfahrung kommen.

  • Weltweit erleben Frauen traumatische Geburten und werden zwangsläufig bei weiteren Geburten damit konfrontiert, einen Umgang mit ihren eigenen negativen Erfahrungen, verletzten Gefühlen, übergangenen Bedürfnissen und Ängsten finden zu müssen. Da eine traumatische Geburt zu den einschneidenden negativen Erfahrungen von Frauen zählt, ist es wichtig nach Wegen zu suchen, damit umzugehen und diese gut zu verarbeiten. Eine Möglichkeit dazu bietet eine Folgeschwangerschaft: Wie können traumatisierte Frauen dadurch wieder neues Vertrauen zu Hebammen und Geburtshelfer:innen aufbauen?

    In Großbritannien wurde zu diesem Themenkomplex eine qualitative Studie durchgeführt. Eingeschlossen wurden neun Frauen während der Frühschwangerschaft, die eine vorausgehende traumatische Geburtserfahrung hatten. Mit jeder Teilnehmerin wurden drei semi-strukturierte Interviews während der Schwangerschaft durchgeführt. Die Daten wurden im Rahmen einer longitudinal-feministischen Grounded Theory Studie ausgewertet.

    Alle Frauen brachten zum Ausdruck, dass die Folgeschwangerschaft dadurch geprägt war, die früheren Geburtserfahrungen zu analysieren, um die aktuelle Schwangerschaft bewusst zu erleben und die bevorstehende Geburt individuell zu planen. Nach Bewusstwerden der eigenen Situation und Bedürfnisse wurde medizinisches Fachpersonal aufgesucht, um die aktuelle Situation zu besprechen und selbstbestimmt zu gestalten. Dabei gab eine Teilnehmerin Einblicke in ihre Skepsis gegenüber leicht verfügbaren Hinweisen: »Ja, es ist offensichtlich, was es im Internet zu finden gibt – allerdings kann ich eine Einzelmeinung nicht mehr einfach als Tatsache hinnehmen.« Auch andere Teilnehmerinnen beschrieben diese Erfahrung und nutzten verschiedene Informationsquellen zur Beantwortung ihrer Fragen.

    Der Prozess, Vertrauen zu medizinischem Personal wieder aufzubauen und Unterstützung zu erhalten, wurde in allen Interviews thematisiert.

    Zentral war die Frage, wo der Kontrollverlust stattfand. Dabei empfanden die Frauen die Interviews hilfreich, weil darüber Unterstützung erlebt, Vertrauen aufgebaut und im besten Fall das wiedererlangte Vertrauen zum Ausdruck gebracht werden konnte. Praktisch erlebten die Frauen das Erstellen eines Geburtsplans als hilfreich, den sie entweder schriftlich oder gedanklich erstellten. Dieser enthielt eine »Nein-Liste« und Pläne, um ein Höchstmaß an Kontrolle wiederzuerlangen. Zudem ermöglichte dieser Geburtsplan, die Vertrauenswürdigkeit der betreuenden Personen einzuschätzen.

    Die Autor:innen schlussfolgern aus ihren Ergebnissen, dass Hebammen und Geburtshelfer:innen bei der Betreuung einer schwangeren Frau nach einer traumatischen Geburt die Möglichkeit haben, neues Vertrauen aufzubauen. Dazu ist die vertrauensvolle Beziehung zentral: Nur über eine vertrauensvolle Beziehung zwischen der schwangeren Frau und der betreuenden Hebamme kann es nach einer vorausgehenden traumatischen Geburt zu einer positiven Geburtserfahrung kommen. Dabei gehen die Autor:innen sogar so weit, dass der Grad des Vertrauens entscheidender ist als die tatsächliche Geburtserfahrung selbst.

    Quelle: Greenfield, M., Jomeen, J. & Glover, L. (2022). 'After last time, would you trust them?' – Rebuilding trust in midwives after a traumatic birth. Midwifery, 113, 103435. https://doi.org/10.1016/j.midw.2022.103435 ∙ DHZ

    Rubrik: Geburt

    Erscheinungsdatum: 31.08.2022