91 Prozent Episiotomien bei Erstgebärenden in Jordanien

Wurde die Episiotomie erstmal als Routine-Eingriff etabliert, gibt es in vielen Ländern nur schwer eine Änderung der vermeintlichen Norm.
Entgegen jeder Evidenz wird in vielen Ländern der Erde die Episiotomie nach wie vor als Routine-Eingriff angewendet. So auch im Nahen Osten. Bisher gibt es wenige Untersuchungen, warum die Raten für Episiotomien sich so stark unterscheiden. Die Hebamme Suha Abed Almajeed Abdallah Hussein untersuchte in ihrer Doktorarbeit Hürden und Hilfen für die Anwendung der Evidenzen in Jordanien.
In einer ersten Phase fand sie heraus, dass die Rate der Episiotomien in Jordanien bei 91 Prozent bei Erstgebärenden und bei 24 Prozent bei Mehrgebärenden liegt. In der zweiten Phase befragte sie zehn Hebammen und fünf ÄrztInnen und Krankenhausmanager zu diesem Thema. Als Hauptgründe für die hohe Episiotomie-Rate wurden sechs Hauptpunkte klassifiziert: 1. eine Dienstanweisung aufgrund eines ungeschriebenen Gesetzes; 2. der sicherste Weg; 3. die Ärzte machen die Regeln; 4. die Hebammen schwimmen mit dem Strom; 5. die Frauen sind unkooperativ und uninformiert; 6. damit die Geburt vorwärts geht.
In der dritten Phase ihrer Forschung erarbeitete Hussein mit 23 GesundheitswissenschaftlerInnen Strategien zur Senkung der Episiotomierate auf der Basis vorausgegangener Interviews. Dabei stellte sich heraus, dass die Hürden hoch sind. ÄrztInnen diktieren die klinische Praxis und die Hebammen fürchten Restriktionen, wenn sie sich dem ungeschriebenen Gesetz entgegensetzen. Um diese Praxis der Routine-Episiotomie zu ändern, müssten einerseits Hebammen und ÄrztInnen weitergebildet und die Dienstanweisungen überarbeitet werden. Andererseits müssen die Gebärenden Zugang zu evidenzbasierten Informationen erhalten, was heutzutage über Medien wie Internet tatsächlich auch in Systemen möglich ist, in denen Frauen keine Informationsfreiheit zugestanden wird.
(Suha Abed Almajeed Abdallah Hussein et al. The barriers and facilitators to evidence-based episiotomy pactice in Jordan. Women and birth 2016. 29(4): 321-329/DHZ)