Wassermethode nach stiller Geburt

Abschied nehmen

Die Wassermethode wurde in den Niederlanden entwickelt, um verstorbene Babys länger und ansehnlicher aufzubewahren. Sie schenkt den betroffenen Eltern und Familienmitgliedern mehr Zeit, um ihr Kind zu begrüßen und zu verabschieden. Janet Mole­wijk-Herbrink | Ilona Tiemens-van Putten
  • Abbildung 1: Altersgerechte Zwillinge in der 16. Schwanger­schaftswoche in kaltem Wasser

  • Abbildung 2: Die Zwillinge, nachdem sie aus dem Wasser genommen wurden

  • Abbildung 3: Fetus in Leitungswasser

  • Abbildung 4: Fetus nach einer Nacht im kalten Wasserbad

  • Wenn ein Baby still geboren wird, ist es oft schwierig, es unter optimalen Bedingungen aufzubewahren – besonders wenn es bereits Mazerationen hat. Es gibt eine Möglichkeit, wie das Baby über längere Zeit ansehnlicher wird und bleibt: Dank der Wassermethode haben Eltern in dieser sehr schweren Zeit länger die Gelegenheit, ihr Baby willkommen zu heißen und gleichzeitig gehen zu lassen.

     

    Fall 1: Zwillinge nach IUFT

     

    Eine Frau war mit monochorionisch-diamniotischen Zwillingen schwanger. Sie stellte sich in der 16+6 Schwangerschaftswoche (SSW) mit der Diagnose Interuteriner Fruchttod (IUFT) beider Kinder vor. Bei beiden wurde ein Hydrops fetalis diagnostiziert und unterschiedliche Fruchtwassermengen. Die Frau gebar ihre verstorbenen Jungen nach Einleitung mit Mifepristone und Misoprostol. Die Möglichkeit, die beiden Kindchen in kaltes Wasser zu geben, um sie in gutem und ansehnlichem Zustand zu erhalten, wurde vorher mit dem verwaisten Elternpaar besprochen. Die Eltern waren damit einverstanden (siehe Abbildung 1).

    Die Zwillinge wurden später auf eine Unterlage gelegt, wie es der niederländischen Norm für Kremation entspricht. Daraufhin wurden sie wie üblich schnell weich und die Veränderungen begannen rasch einzusetzen (siehe Abbildung 2).

     

    Fall 2: Rosige Haut über Nacht

     

    Eine 33-jährige Frau, die zwei Kinder hatte und zum dritten Mal schwanger war, stellte sich in der 17. SSW mit einem IUFT vor. Die Scheitelsteißlänge entsprach laut Ul­traschall der 14. SSW. Die Schwangere äußerte den Wunsch, ihr kleines Kindchen nach der Geburt in kaltes Wasser zu legen. Sie hoffte, ihr Baby würde für längere Zeit schön aussehen, wenn es im Wasserbad aufbewahrt würde. Ihrem Wunsch entsprechend, wurde der schon mazerierte Fetus direkt nach der stillen Geburt in einen durchsichtigen Plastikbehälter mit kaltem Leitungswasser gelegt (siehe Abbildung 3). Die Eltern bewahrten das Kind bis zur Beisetzung am nächsten Tag zu Hause im Kühlschrank auf. Es war auffällig, wie sich die Farbe des Feten über Nacht von braun zu pink veränderte. Die abgelösten Hautfetzchen wurden per Hand vorsichtig entfernt. Diese auffällige Farbveränderung zusammen mit der Entfernung der abgelösten Haut machten sein Aussehen sogar noch fotogener (siehe Abbildung 4).

     

    Die Wünsche der Eltern

     

    Der Verlust einer (frühen) Schwangerschaft kann ein sehr belastendes Lebensereignis sein, das Folgen wie Depressionen, posttraumatische Stresserkrankungen oder Angststörungen auslösen kann. Diese können negative Auswirkungen auf Folgeschwangerschaften haben (Weiss et al. 1989).

    In einer Studie von K. Säfland und KollegInnen werden sechs Punkte genannt, die sich Eltern stillgeborener Kindern vom medizinischen Personal wünschen (Säfland et al. 2004). Ein oder beide Elternteile der 31 stillgeborenen Kinder wurden zweimal zu ihren Ansichten und Erfahrungen befragt, die sie nach der Geburt ihrer Kinder machten. Als wichtig beschrieben sie Unterstützung und Hilfe beim Begrüßen und Verabschieden des verstorbenen Kindes. Die Wassermethode kann genau diesen Wunsch besonders gut erfüllen, da die verwaisten Eltern sich so von ihrem Kind in seiner möglichst intakten Körperform verabschieden können.

    Bevor die Wassermethode bekannt wurde, wurden die Feten oft auf einer Zelluloseunterlage, in einer Schachtel oder auf Stoff platziert. Es war schwierig, das Kindchen zu bewegen, ohne die Haut zu beschädigen. Nach einiger Zeit veränderte sich die Farbe des Kindes, es verfärbte sich und war damit für die meisten Menschen weniger ansehnlich. Außerdem wurde der kleine Körper immer weicher und deformierte. Bei schon mazerierten Kindern ereignete sich diese Veränderung noch schneller und deutlicher.

     

    Die Effekte des Wassers

     

    Die Wassermethode wurde in den Niederlanden bereits vorgestellt und ist einfach: Das verstorbene Baby wird nach der Geburt in einen Behälter mit kaltem Wasser gelegt. Der auffälligste und am häufigsten berichtete Effekt ist, dass das Baby eine hellere Farbe bekommt. Auch bei älteren Kindern verschwinden alle Todesflecken. Die Haut nimmt auch Wasser auf und schwillt damit ein bisschen an, wodurch das Kind mehr wie ein »reifes Baby« aussieht. Details wie Fingernägel und Gesichtsstruktur werden deutlicher sichtbar, verglichen mit Babys, die auf dem Trockenen bleiben.

    Das Baby kann in verschiedene Behälter oder Schüsseln gelegt werden. Es bietet sich an, Plastikbehälter mit fest verschließbarem Deckel zu nutzen, um das Wasser kalt zu halten und es zu transportieren. Außerdem beschlägt Plastik nicht so wie Glas. Aber auch weite Glasschüsseln sind geeignet. Für reife Babys kann ein Aquarium eine Aufbewahrungsmöglichkeit sein. Eine farbige Decke zum Unterlegen und/oder zum Abdecken des Behältnisses und schöne Beleuchtung zeigen das verstorbene Baby auf ganz besondere Weise.

    Zuerst wurde diese Methode für jüngere Feten vorgeschlagen (Tiemens-van Putten et al. 2015). Aber bald stellte sich in der Praxis heraus, dass die Wassermethode auch für terminnah verstorbene Babys genutzt werden kann. Sie hat auch in diesem Gestationsalter Vorteile: Todesflecken verschwinden, Lippen und Nägel werden pink. Trotzdem beschränkt sich die Anwendung der Wassermethode meistens auf gestorbene Babys bis zur 30. SSW.

    Um das Wasser kalt zu halten, werden verschiedene Methoden genutzt. Es können Eiswürfel ins Wasser gegeben werden, auch in Stern- oder Herzform, die Schüssel kann auf eine Kühlplatte oder in ein Eisfach gestellt werden. Das Behältnis kann auch im Kühlschrank aufbewahrt werden.

    Traditionell wurden und werden verstorbene Feten für die (wissenschaftliche) Ausbildung oder Ausstellungen konserviert, sie werden dann in Formaldehyd gelagert. Nach der Geburt eines verstorbenen Kindes ist es gar nicht nötig, Formaldehyd ins Wasser zu geben, da der Fetus nur relativ kurze Zeit im Wasserbad bleibt: bis zur Beerdigung oder zur Kremation, die normalerweise innerhalb einer Woche stattfindet. Die Nutzung von NaCl 0,9 % hat auch einen leicht negativen Effekt. Die Flüssigkeit wird schneller pink und das Baby lagert stärker ein als mit Leitungswasser. Deshalb ist Leitungswasser die beste Option.

    Es wird empfohlen, das Wasser mindestens einmal täglich auszutauschen. Am ersten Tag kann es sich wegen kleiner Blutreste am Kind ein wenig rosa einfärben. Es kann deshalb notwendig sein, das Wasser einmal häufiger auszutauschen. Um es zu wechseln, wird das Baby herausgenommen und gehalten, wobei man es in ein Deckchen oder in ein mit Kunststoff beschichtetes Deckchen hüllen kann. Oder der Behälter wird einfach unter sanft aus der Leitung fließendes Wasser gehalten, bis das Wasser sich komplett ausgetauscht hat. Die meisten Eltern erneuern das Wasser gerne, weil es ihnen eine Möglichkeit gibt, mit ihrem verstorbenen Kind zu interagieren, es zu berühren und zu spüren.

    In den Niederlanden wurde die Wassermethode schon dutzende Male an verstorbenen Babys angewendet. Die Resultate sind gut. Die Babys bleiben sehr viel länger ansehnlich. Häufig wird es als großer Vorteil empfunden, dass schöne Bilder vom Baby gemacht werden können. Diese Bilder können die Eltern auch mit anderen Familienmitgliedern teilen. So können auch früh verstorbene Babys im größeren Kreis willkommen geheißen werden. Unabhängig, wie klein oder früh in der Schwangerschaft es verstorben ist, das verstorbene Baby bleibt vorzeigbar. Sogar mit intensiven Mazerationen.

     

    Skepsis überwinden

     

    Es fiel auf, dass manch medizinisches Personal ein wenig skeptisch war, die Wassermethode zum ersten Mal anzuwenden. Die Hauptsorge war, das Baby zu beschädigen. Es wurde auch befürchtet, dass das Angebot als seltsam empfunden würde. Es stellte sich aber heraus, dass die Eltern normalerweise sehr zufrieden waren, wenn die Hebamme oder Krankenschwester diese Methode vorschlug. Schließlich wollen alle Eltern ihr Baby auf die schönste Art und Weise sehen. Der Vorschlag des medizinischen Personals, die Wassermethode zu nutzen, wurde von den Eltern immer positiv aufgenommen. Bisher sind weder Eltern noch Krankenschwestern, Hebammen oder ÄrztInnen bekannt, die mit der Methode unzufrieden waren. Die Website www.watermethode.nl bietet Informationen und Kontaktmöglichkeit auch in englischer und deutscher Übersetzung an.

    Rubrik: Ausgabe 11/2019

    Erscheinungsdatum: 22.10.2019

    Nachgefragt

    Peggy Seehafer: Wie sind Sie auf die Idee der Wassermethode gekommen?

    Ilona Tiemens-van Putten: Ich war selbst in der 17. Woche mit unserem dritten Kind schwanger und nach einem zweiwöchigen Urlaub haben wir festgestellt, dass unser Kind nicht mehr lebt. Obwohl ich damit rechnen musste und meine Frauenärztin es mir auch androhte, dass das Kind sehr mazeriert und schrecklich aussehen würde, wollte ich es unbedingt sehen. Ich habe dann darüber nachgedacht, was man tun könnte, damit die Haut so wenig wie möglich kaputt geht. Als Hebamme hatte ich gelernt, frühe Fehlgeburten in Wasser zu legen, um zu sehen, ob sie vollständig geboren waren. Und dabei erlebte ich es, dass die Embryonen oder Feten nicht zerstört wurden. Nicht nur, dass das Wasser sie davor schützte, sie sahen danach viel schöner aus, weil sie die Farbe veränderten. Nachdem eine weitere meiner Schwangerschaften in der 15. Woche endete und wir das Kind wieder in Wasser legten, war die Wassermethode geboren.

     

    Peggy Seehafer: Und NaCl ist nicht die bessere Alternative zu Leitungswasser?

    Ilona Tiemens-van Putten: Wir haben das probiert, aber dabei färbt sich das Wasser sehr ein. Es wird sehr pink. Und die Kinder nehmen mehr Wasser in ihren Körper auf und sehen anders aus. Deshalb nehmen wir nur Leitungswasser, es ist billiger und einfach überzeugend.

     

    Peggy Seehafer: Wie lange könnten Familien ihr Kind so zu Hause aufbewahren? Gibt es Regeln, wann das Kind beerdigt oder kremiert werden muss?

    Ilona Tiemens-van Putten: Vor der 24. Schwangerschaftswoche haben wir in den Niederlanden keine gesetzlichen Vorgaben. Aber unser Rat ist, das Kind nicht mehr als sieben Tage zu Hause zu behalten. Danach werden die Kinder sehr blass und es ist dann Zeit, sich zu verabschieden. Das ist letztlich individuell sehr verschieden. Die längste Zeit, die ein Kind im Wasser lag, war zehn Tage. Wenn man dem Wasser Alkohol beimischt, lässt es sich auch noch länger erhalten. Aber wir raten nicht dazu. Die Wassermethode ist eine Methode, die das Kind in seiner Form erhält, bis die Familie sich verabschieden konnte, bevor es beerdigt oder kremiert wird – normalerweise innerhalb einer Woche.

     

    Peggy Seehafer: Danke. Ich hoffe, wir können damit auch Eltern in Deutschland helfen.

    Hinweis

    Übersetzung aus dem Englischen: Jessica Boadi

    Literatur

    Säflund K, Sjögren B, Wredling R: The role of caregivers after a stillbirth: views and experiences of parents. Birth 2004. 31:132–7

    Weiss L, Frischer L, Richman J: Parental adjustment to intrapartum and delivery room loss. The role of a hospital-based support program. Clin Perinatol 1989. 16:1009–19

    Tiemens-van Putten IKF, Lenderink HJ, Molkenboer JFM: De watermethode. Intacte preservatie van de jonge overleden foetus. NTOG 2015. vol 128; 401–403

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