Retrospektive Kohortenstudie aus Österreich

Beeinflusst nächtliches Kunstlicht die Geburtsdauer?

  • Die nächtliche Luftverschmutzung könnte einen Einfluss auf das geburtshilfliche Outcome haben, insbesondere vermehrt zu protrahierten Geburten führen.

  • Beleuchtung und Kunstlicht während der Nachtstunden sind aus dem Alltag kaum wegzudenkende Einflussfaktoren. Durch den Einsatz künstlicher Lichtquellen kann sich jedoch der Tag-Nacht-Rhythmus eines Menschen verändern, was sich beispielsweise an veränderten Melatonin-Konzentrationen bei Blutuntersuchungen zeigen lässt.

    Der natürliche Melatonin-Spiegel im menschlichen Körper ist aufgrund des Einflusses von Licht am Tag ungefähr 10- bis 15-fach niedriger als in der Nacht. Kommt es zu vermehrter Exposition durch Kunstlicht während der Nacht, können sich die Hormonspiegel beim Melatonin verändern. Diese Veränderungen wiederum können Auswirkungen auf den gesamten menschlichen Körper haben.

    Die Autor:innen einer landesweiten Kohortenstudie aus Österreich benennen und untersuchen dieses Phänomen daher als Umweltfaktor einer nächtlichen Lichtverschmutzung, von der 80 % der Weltbevölkerung betroffen sind. Ihr Fokus lag auf der Evaluation der Auswirkungen einer nächtlichen Lichtverschmutzung während der Geburt auf geburtshilfliche Outcome-Parameter.

    Eingeschlossen wurden zunächst alle Geburten zwischen 2008 und 2016, die im österreichischen Geburtenregister registriert wurden. Ausgeschlossen wurden Totgeburten, Geburten eines Kindes mit einem Geburtsgewicht unter 500 gr, Frühgeburten vor der 23+0 Schwangerschaftswoche, Geburten nach einer Geburtseinleitung oder durch elektiven Kaiserschnitt. Insgesamt wurden 717.113 Geburten ausgewertet. Der Grad der nächtlichen Lichtverschmutzung während der Geburt wurde niedrig (0,174–0,688 millicandela pro Meter [mcd/m]), mittel (0,688–3,0 mcd/m) oder hoch (3,0–10,0 mcd/m) kategorisiert. Retrospektiv wurden mögliche Zusammenhänge zwischen dem Grad der nächtlichen Lichtverschmutzung während der Geburt und Auswirkungen auf geburtshilflichen Outcome-Parametern evaluiert.

    Die Autor:innen beschreiben eine Vielzahl einhergehender Limitierungen ihrer Studie. Diese umfasst beispielsweise eine komplizierte Berechnung einer anzunehmenden Exposition mit Kunstlicht für alle Geburten die zwischen 21:00 Uhr und 6:00 Uhr stattfanden. Es erfolgt keine Aussage zu Geburten, die zu anderen Zeiten stattfanden, jedoch auch Kunstlicht während der Nacht ausgesetzt waren.

    Die Evaluation der eingeschlossenen Geburten gab Hinweise darauf, dass es sich bei Geburten nach einer mittleren oder hohen Lichtverschmutzung häufiger um Geburten mit protrahierten Geburtsverläufen handelte. Negative kurzfristige geburtshilfliche Outcome-Parameter waren bei Neugeborenen dieser Gruppen höher.

    Die Autor:innen schlussfolgern aus ihren Ergebnissen, dass der Einfluss einer nächtlichen Lichtverschmutzung bislang unzureichend wissenschaftlich thematisiert wurde. Sie geben zu bedenken, dass dieser Faktor jedoch auf den menschlichen Körper sowie geburtshilfliche Outcome-Parameter Einfluss zu haben scheint und empfehlen weitere Forschung zu diesem Themenkomplex.

    Quelle: Windsperger K et al.: Exposure to night-time light pollution and risk of prolonged duration of labor: A nationwide cohort study. Birth 2021. https://https://doi.org/10.1111/birt.12577 ∙ DHZ

     

    Rubrik: Geburt

    Erscheinungsdatum: 28.09.2021