Damm intakt durch faszienmuskuläre Entspannung?

Die faszienmuskuläre Entspannungstechnik wird in der aktiven Geburtsphase durchgeführt, wenn das kindliche Köpfchen sichtbar ist, jedoch aufgrund straffer Muskulatur keine weitere Bewegung erfolgt.
Hebammen fördern die physiologische Geburt. Sie begleiten Gebärende mit dem Ziel, deren Perineum beim Gebären intakt zu erhalten, um das Erleben der Geburt positiv zu beeinflussen. Gebärende können bei der Geburt ihres Kindes sehr unterschiedlich betreut werden, das perineale Gewebe kann sich von Frau zu Frau unterscheiden und Gebären wird durch eine Vielzahl verschiedener Faktoren beeinflusst.
Manche Gebärende erfahren die medizinische Intervention eines Dammschnitts, manche Gebärende eine Rissverletzung in verschiedenen Ausprägungen und wieder andere gebären mit intaktem Perineum. All diese Erfahrungen und Folgen des Gebärens können langfristige Auswirkungen auf das physische, psychologische und sexuelle Empfinden der Frau haben. Im Fokus einer australischen Pilotstudie stand in diesem Zusammenhang die faszienmuskuläre Entspannungstechnik während der Geburt.
»Myofaszial Release«
Die manuelle Technik »Myofaszial Release« beschreibt eine einfache geburtshilfliche Anwendung, bei der sowohl der Muskel (»myo«) als auch die Faszien (»faszial«) im Dammbereich während der Geburt Entspannung (»release«) erfahren. Die Anwendung wird während der aktiven Geburtsphase durchgeführt, wenn das kindliche Köpfchen sichtbar ist, jedoch aufgrund straffer Muskulatur keine weitere Bewegung erfolgt. In diesem Fall wird ein kontinuierlicher Druck mit Zeige- oder Mittelfinger der dominanten Hand auf die Mitte des Perineums ausgelöst (Punkt CV1 – Conception Vessel 1). Mit der nicht dominanten Hand wird als Gegenkraft Druck auf das kindliche Köpfchen ausgeübt, um den Druck auf das Perineum zu regulieren.
Die Dauer der faszienmuskulären Entspannung umfasst eine bis acht Wehen und wird der individuellen geburtshilflichen Situation angepasst. Der Begriff einer »Damm-Massage« greift etwas zu kurz, da der Damm nicht massiert, sondern gezielt die Faszien als bindegewebige Strukturen sowie einzelne Muskelfasern und Muskelfaserbündel stimuliert und zur Entspannung gebracht werden. Da die Anwendung eine kombinierte Entspannung perinealer Faszien und Muskulatur bewirkt, bietet sich der Begriff der faszienmuskulären Entspannung an.
Das Ziel liegt darin, die Flexibilität und Elastizität der perinealen Muskeln zu erhöhen, um den Geburtsweg dadurch zu weiten, sowie gleichzeitig den Druck auf das umgebende Gewebe zu verringern und somit das Perineum beim Gebären intakt zu erhalten.
Wirksamkeit
Der Einfluss der faszienmuskulären Entspannung wurde anhand einer nicht-randomisierte kontrollierte Pilotstudie evaluiert. Eingeschlossen wurden 50 Gebärende in die Gruppe der Frauen (Studiengruppe), bei denen während der Geburt eine faszienmuskuläre Entspannung durchgeführt wurde. Retrospektiv wurden die Daten dieser Gebärenden mit Daten von 49 Frauen aus medizinischen Registern gematcht (Kontrollgruppe). Die Daten Gebärender der Studien- und Kontrollgruppe wurden anschließend miteinander verglichen.
Gebärende hatten nach einer faszienmuskulären Entspannung während der Geburt mit sechsfach höherer Wahrscheinlichkeit ein intaktes Perineum als Frauen der Kontrollgruppe. Zudem hatten sie während der Geburt ungefähr halb so häufig eine Episiotomie wie Frauen der Kontrollgruppe. Es zeigten sich keine signifikanten Auswirkungen der faszienmuskulären Entspannung auf die Häufigkeit vaginal-operativer Geburten.
Vielversprechende Methode
Die Autorinnen sehen die Notwendigkeit, größere randomisiert-kontrollierte Studien durchzuführen. Sie empfehlen bei der weiteren Forschung ergänzende Erfahrungen der Gebärenden, weitere Einflussfaktoren wie den Einfluss warmer Kompressen sowie Langzeitfolgen zur faszienmuskulären Entspannung zu evaluieren. Sie schätzen die faszienmuskuläre Entspannungstechnik als vielversprechende Methode ein, perineale Verletzungen zu vermeiden. Die Entspannungstechnik hat aus ihrer Sicht das Potenzial, Gebären positiv zu beeinflussen und die Geburtserfahrung Gebärender zu verbessern.
Quelle: Taylor, K. E., & Stulz, V. (2024). Could a simple manual technique performed by a midwife reduce the incidence of episiotomy and perineal lacerations? A non-randomized pilot study. European journal of midwifery, 8, 10.18332/ejm/191749. https://doi.org/10.18332/ejm/191749 ∙ Beate Ramsayer/DHZ