Umfrage in vier europäischen Ländern

Deutsche ÄrztInnen trauen ihrer Klinik nicht

Eine Mehrheit der KlinikärztInnen würde ihr Haus nur eingeschränkt weiterempfehlen. Das Ergebnis sei "alarmierend" und verdeutliche ein "hohes Frustrationslevel" der ÄrztInnen, sagt Michael Kunst von der Unternehmensberatung Bain & Company, welche die Studie durchführte. Im Vergleich mit weiteren europäischen Ländern schnitten deutsche Krankenhäuser in der Studie aber noch vergleichsweise gut ab.

Von den befragten ÄrztInnen gaben nur etwa 42 Prozent an, dass sie ihre Klinik weiterempfehlen würden. 32 Prozent zeigten sich unentschlossen, 25 Prozent rieten sogar klar davon ab. Noch kritischer als bei der Behandlungsqualität sind die KlinikärztInnen, wenn es darum geht, ob sie ihr Krankenhaus auch als Arbeitgeber weiterempfehlen würden. In dieser Kategorie legten nur 24 Prozent der Befragten ein gutes Wort für ihr Haus ein, jeweils 38 Prozent waren unentschlossen oder rieten gleich ganz ab. Da sei "viel Sand im Getriebe", meint der Münchner Gesundheitsexperte Kunst.

Dafür gibt es in keinem anderen der betrachteten Länder so viele ÄrztInnen wie hier, welche die geleistete Arbeit in ihrem Haus positiv bewerten - den 42 Prozent in Deutschland stehen lediglich 26 Prozent in Großbritannien, 16 Prozent in Italien und 13 Prozent in Frankreich gegenüber. In der Kategorie Arbeitgeber liegt Deutschland in der Mitte. Dort schneidet Italien erneut vergleichsweise schlecht ab, 43 Prozent der dortigen ÄrztInnen werfen ihrer Klinik vor, kein guter Arbeitgeber zu sein.

Für Kunst sind die stark schwankenden Ergebnisse ein Hinweis darauf, dass das jeweilige Gesundheitssystem nur einen beschränkten Einfluss darauf hat, wie zufrieden die ÄrztInnen sind. In Deutschland und Frankreich ist das Gesundheitswesen als Krankenversicherungssystem ausgestaltet und verwaltet sich in weiten Teilen selbst, in Italien und Großbritannien wird es hingegen eher zentral von der Regierung gelenkt und aus Steuern finanziert.

"Beide Systeme können Wege finden, ihre Kliniken gut auszustatten", sagt Kunst. Denn darauf kommt es nach Ansicht des Beraters vor allem an: Wie das jeweilige Klinik-Management die Mediziner motiviert, ihnen Freiheiten lässt und Karrierewege eröffnet. Das gelinge laut den Befragungen in öffentlich betriebenen Krankenhäusern zumeist eher schlechter als in Häusern, die privat finanziert sind. In der Tat zeigten in allen Ländern die befragten ÄrztInnen in öffentlichen Kliniken etwas weniger Einsatz und Motivation als ihre KollegInnen in privaten Kliniken. Der Unterschied zwischen diesen beiden Organisationsformen wird am deutlichsten bei der Frage, ob die Klinik ihre Arbeitsabläufe auf das Patientenwohl ausrichtet: 36 beziehungsweise 57 Prozent sagten ja.

(Süddeutsche Zeitung, 27.11.2016/DHZ)

 

 

Rubrik: Politik & Gesellschaft

Erscheinungsdatum: 09.12.2016