Alarmierende Zahlen zur Mortalität
Bei neonataler Sepsis liegen nur begrenzte Daten zu den Behandlungsschemata bei hospitalisierten Neugeborenen in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommensstatus vor. In dieser auf zwei Jahre angesetzten Beobachtungsstudie wurden die klinischen Ergebnisse, Therapieschemata, Krankheitserreger und die Mortalität bei 3.204 Neugeborenen mit klinischer Sepsis aus 19 Krankenhäusern in 11 Ländern aus Afrika, Asien, Europa (Italien und Griechenland) und Lateinamerika ausgewertet.
In den untersuchten Krankenhäusern aus Bangladesch, Brasilien, China, Griechenland, Indien, Italien, Kenia, Südafrika, Thailand, Vietnam und Uganda kamen insgesamt 206 verschiedene Antibiotikakombinationen zum Einsatz (n=3.141). Davon erhielten 25,9 % (n=814) der Säuglinge initial eine von der WHO empfohlene Erstlinientherapie (Gruppe 1). In Gruppe 2 (13,8 %, n=432) wurde die Therapie mit der WHO-Zweitlinienempfehlung mit Cephalosporinen (Cefotaxim/Ceftriaxon) begonnen.
Gruppe 3 stellte zahlenmäßig die größte Gruppe dar (34,0 %, n=1.068), die zunächst ein Therapieschema mit Beta-Lactamasen (ESBL)- und Pseudomonalabdeckung (Piperacillin/Tazobactam, Ceftazidim oder Fluorchinolon-basiert) erhielt. Bei 18,0 % (n=566) wurde die Therapie mit Carbapeneme (Gruppe 4) und bei 1,8 % (n=57) mit einem Reserveantibiotikum (Gruppe 5, größtenteils auf Colistin-basis) eingeleitet.
Bei 25,3 % der initialen Behandlungen in den Gruppen 1 bis 4 war im Krankheitsverlauf eine Eskalation der Therapie aufgrund klinischer Verschlechterungen erforderlich, die dann überwiegend mit Carbapeneme adressiert wurden. Die nachgewiesenen Erreger bei kulturpositiver Sepsis waren zu 62,9 % (n=355) gramnegative Erreger, überwiegend Klebsiella pneumoniae (n=132) oder Acinetobacter spp. (n=72). Beide waren in 43 (32,6 %) bzw. 50 (71,4 %) der Fälle häufig resistent gegen die von der WHO empfohlenen Therapieschemata. Unter den 54 Staphylococcus aureus-Isolaten entfielen 33 (61,1 %) auf MRSA. Insgesamt starben 350/3.204 Säuglinge (11,3 %; 95-%-KI 10,2 % - 12,5 %). In der Kohorte mit positiver mikrobiologischer Diagnostik der Blutkultur lag dieser Anteil bei 17,7 % (95-%-KI 14,7 %-21,1 %, n=99/564).
Die eingesetzten Antibiotikatherapien wichen häufig von den WHO-Richtlinien ab, so das Fazit der Studienautor:innen. Viele Ärzt:innen griffen auf ein breiteres Spektrum und oft auf teure Antibiotika wie Carbapeneme zurück, weil andere nicht verfügbar waren oder ein hohes Maß an Resistenz bestand. Da mit zunehmenden antimikrobiellen Resistenzen zu rechnen ist, sind empirische Studien zu neuartigen Therapien dringend erforderlich, appellieren die Forscher:innen.
Quelle: Russell, N. J., Stöhr, W., Plakkal, N., Cook, A., Berkley, J. A., Adhisivam, B., Agarwal, R., Ahmed, N. U., Balasegaram, M., Ballot, D., Bekker, A., Berezin, E. N., Bilardi, D., Boonkasidecha, S., Carvalheiro, C. G., Chami, N., Chaurasia, S., Chiurchiu, S., Colas, V. R. F., Cousens, S., … Sharland, M. (2023). Patterns of antibiotic use, pathogens, and prediction of mortality in hospitalized neonates and young infants with sepsis: A global neonatal sepsis observational cohort study (NeoOBS). PLoS medicine, 20(6), e1004179. https://doi.org/10.1371/journal.pmed.1004179 ∙ aerzteblatt.de, 19.6.2023 ∙ DHZ