Forschung aus den USA, Australien und Israel

ForscherInnenteams bilden menschliche Embryonen ohne Befruchtung

  • Künstliche Blastozysten, die ForscherInnen als Blastoide bezeichnen, könnten interessante Einblicke in die frühe Embryogenese liefern.

  • Eine Blastozyste ist ein frühes, für die weitere Entwicklung jedoch entscheidendes Stadium der Embryogenese. Es handelt sich um einen flüssigkeitsgefüllten Ball aus etwa 200 Zellen. Die äußere Hülle bildet das Trophoektoderm, aus dem sich nach der Implantation in die Schleimhaut des Uterus die Plazenta und die Amnionmembran bilden. Im Inneren des Balls befindet sich an einer Stelle die sogenannte »innere Zellmasse« (ICM), aus der der Embryo entsteht.

    Die ICM unterteilt sich bereits im Blastozystenstadium in Epiblast und Hypoblast. Nach der Implantation kommt es während der sogenannten Gastrulation zur Ausbildung der drei Keimblätter (Entoderm, Mesoderm und Ektoderm) aus denen sich später die Organe und verschiedenen Gewebe bilden. Das Stadium der Blastozyste ist medizinisch interessant, da Störungen in der Phase vermutlich die Ursache vieler Fehlgeburten in der Frühschwangerschaft sind. Außerdem trennen sich in diesem Stadium die Wege bei zwei Drittel aller monozygoten Zwillinge.

    Künstliche Blastozysten, die ForscherInnen als Blastoide bezeichnen, könnten interessante Einblicke in die frühe Embryogenese liefern. Die Verwendung von natürlichen Blastozysten, die aus befruchteten Eizellen gewonnen werden könnten, scheitert in vielen Ländern an ethischen Bedenken und rechtlichen Verboten. Die künstliche Herstellung aus Stammzellen könnte diese Hürden umgehen. Bei Mäusen war es bereits vor einigen Jahren gelungen, Blastoide aus Stammzellen herzustellen.

    Leqian Yu vom Texas Southwestern Medical Center in Dallas und Mitarbeitern ist dies jetzt zum einen mit menschlichen embryonalen Stammzellen gelungen, die von Blastozysten entnommen wurden. Später brachten sie auch induzierte pluripotente Stammzellen (iPS) dazu, sich in Blastoide zu differenzieren.

    Xiaodong Liu von der Monash Universität in Melbourne und Mitarbeiter verwendeten dagegen reprogrammierte Fibroblasten aus Hautproben eines Erwachsenen, um ihre »iBlastoide« zu bilden.

    Beide Teams benötigten etwa sechs bis acht Tage, bis sich die Blastoide aus den einzelnen Zellen gebildet hatten. Die Kultivierung erwies sich als kompliziert. Die Erfolgsrate lag nur bei etwa 20 %. Doch die menschlichen Blastoide hatten eine ähnliche Größe und Form wie natürliche Blastozysten mit einer ähnlichen Gesamtzahl von Zellen, was die Forscher durch Transkriptomanalysen belegten. Auch die Gestalt war ähnlich wie bei einer natürlichen Blastozyste. Sie enthielten einen Hohlraum und einen ICM-ähnlichen Zellhaufen. Die äußere Hüllschicht ähnelte dem Trophektoderm und im ICM konnten Epiblasten und Hypoblasten unterschieden werden.

    Im nächsten Schritt wurde die Implantation in den Uterus im Labor nachgestellt. Die Blastoide nahmen eine Verbindung mit der Umgebung auf und begannen sich in Richtung Plazentazellen zu entwickeln. Im Epiblast bildete sich ein zentraler proamniotischer Hohlraum, der die Voraussetzung für die Ausbildung der drei Keimblätter ist. Nach etwa vier bis fünf Tagen war die Entwicklung zu Ende. Ohne einen geeigneten Ersatz für den Uterus stießen die ForscherInnen an die Grenzen ihrer Möglichkeiten. Außerdem müssen sie sich an die geltenden Regeln halten, die die Züchtung von menschlichen Embryonen über den Tag 14 hinaus verbieten.

    Diese Einschränkungen gelten für Versuche an Mäuseembryonen nicht. Das Team um Jacob Hanna vom Weizmann Institute of Science in Tel Aviv begann, wo die Arbeitsgruppen von Yu und Liu aufhören mussten. Ihre Mäuseblastozysten wurden zunächst in einem speziellen Wachstumsmedium bis zur Gastrulation weiterentwickelt.

    Als die Embryonen Entoderm, Mesoderm und Ektoderm ausgebildet hatten, wurden sie in einen gläsernen Uterus gesetzt. Es handelt sich um einen Glaskolben, der sich ständig bewegte, um die Embryonen davon abzuhalten sich an die Oberfläche zu haften. Die Flüssigkeit, in der sie sich befanden, versorgte sie mit Sauerstoff und Nährstoffen und entfernte Kohlendioxid und Stoffwechselschlacken. Die Embryonen entwickelten sich auch ohne Blutversorgung durch eine Plazenta weiter. Es kam zur Organentwicklung und äußerlich zur Ausbildung der Extremitäten.

    Durch die Integration von Fluoreszenzmarkern in die Gene konnten die ForscherInnen die einzelnen Strukturen der Embryonen farblich darstellen. Sie schufen damit die Voraussetzung für genetische Manipulationen, mit denen sich beispielsweise die Auswirkungen bestimmter Gendefekte im zeitlichen Verlauf genauer untersuchen lassen. Dies könnte beispielsweise Tierversuche überflüssig machen, argumentiert Hanna.

    Bislang haben die Forscher die Embryonen aus trächtigen Tieren entnommen. In Zukunft wollen sie diese aus Stammzellen züchten. Die »Produktion« lebender Mäuse ist laut Hanna derzeit nicht geplant. Das System stoße derzeit etwa nach der Hälfte der Schwangerschaft an seine Grenzen. Eine Versorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen sei dann ohne Plazenta nicht mehr möglich.

    Quelle: Yu L et al.: Blastocyst-like structures generated from human pluripotent stem cells. Nature 2021. https://doi.org/10.1038/s41586-021-03356-yLiu X et al.: Modelling human blastocysts by reprogramming fibroblasts into iBlastoids. Nature 2021. DOI: 10.1038/s41586-021-03416-3 aerzteblatt.de, 18.3.2021 DHZ

    Rubrik: Medizin & Wissenschaft

    Erscheinungsdatum: 22.03.2021