Perinatal-Dialog in Wien

Geburtshilfe, Anästhesie und Neonatologie im Gespräch

Alle zwei Jahre treffen sich im Spätsommer Vetreterinnen der Geburtshilfe, Anästhesie und Neonatologie zum Gespräch in Wien beim Perinatal-Dialog. Vom 11. bis 13. September konferierten sie in großer Harmonie zu Themen aus Forschung und Praxis. Der Perinatal-Dialog in Wien ist verglichen mit dem Perinatalkongress in Berlin eine feine, kleine Veranstaltung mit gut ausgewählten Themen rund um Schwangerschaft und Geburt. Die 180 TeilnehmerInnen kamen aus der Klinik und aus der Ordination (niedergelassene ÄrztInnen), waren angestellte und freie Hebammen und ÄrztInnen. Die Überschaubarkeit der Veranstaltung kommt ihr zugute.

Was überraschte, war die große Einigkeit in der Betrachtung von Themen. Die überwiegende Zahl der Vorträge stützte sich auf die Evidenzen, die derzeit verfügbar sind. Damit ergab sich ein relativ homogenes Bild in den Aussagen zu den einzelnen Themenblöcken. Andererseits ergaben sich dadurch kaum kontroverse Diskussionen.Hauptanliegen war erwartungsgemäß die Umsetzung der Forschung in die tägliche Routine, sei es bei Impfungen, bei Schilddrüsenerkrankungen oder Präeklampsie. Ein großes Thema war der Beckenboden und Geburtskanal, bei dem es um die physiologischen Veränderungen während Schwangerschaft und Geburt ging, aber eben auch darum, welchen präventiven Möglichkeiten und Behandlungsmaßnahmen für einen verletzten Beckenboden derzeit als sinnvoll belegt sind. Alle drei Vortragenden waren sich so einig in ihren Aussagen, dass es fast schon dogmatisch wirkte.

Der Urogynäkologe Engelbert Hanzal ((hft)) von der Universitätsklinik in Wien hielt zum Thema Beckenboden einen sehr praxisnahen Vortrag für den täglichen Gebrauch im Kreißsaal. Er zeigte deutlich die Langzeitwirkungen eines traumatisierten Beckenbodens auf und wies auf die präventiven und helfenden Maßnahmen hin, die den Hebammen lange bekannt sind, aber manchmal nur gegen Widerstände durchgesetzt werden können, wie zum Beispiel die warmen Kompressen auf dem Damm. Er legte Wert auf einen restriktiven Einsatz der Episiotomie und dass sie keine präventive Maßnahme zur Reduktion schwerer Beckenbodenschäden darstelle. Hanzal zeigte ganz praktisch, dass und wie jede Frau nach einer vaginalen Geburt rektal palpiert werden muss. Ein Lehrvideo dazu mit Anleitung zur Tastuntersuchung der Beckenbodenmuskulatur ist im Internet frei verfügbar: goo.gl/CEMOy

Die Hebamme Sara Kindberg aus Dänemark stellte Studien unterschiedlicher Qualitätslevel aus Skandinavien vor, die sich mit dem Schutz des Perineums während der vaginalen Geburt beschäftigt haben. Nach den Jahren, in welchen der Dammschutz als begrenzt wirksame Maßnahme, aber als Machtdemonstration an der Frau diskutiert worden ist, scheint er nun eine wissenschaftlich begründete Renaissance zu erleben.

Weitere Themen waren die vaginale Geburt nach Sectio (VBAC), die spontane Geburt bei Beckenendlage, Wassergeburten und die vaginale Untersuchung während der Geburt, Themen die auch bei den deutschen Hebammenkongressen immer wieder präsent sind.

Sexualität vor und in der Schwangerschaft wurden in einem separaten Block als wichtige Beratungsthemen für die Frauen präsentiert. Ob die detailreichen Beschreibungen der Libidoleiter und Empfehlungen für die Stellungen beim Sex wirklich einem Beratungsbedarf zu Grunde liegen oder erneut Normen schaffen, zu denen sich Frauen dann wiederum gedrängt fühlen, lasse ich dahingestellt.

Nach zwei Tagen mit Vorträgen, bei denen auch die täglichen Themen der Kreißsaalarbeit und ihrer Konsequenzen für Mutter und Kind aber eben auch für die Rechtsprechung, wurden am dritten Tag parallel laufende Workshops mit Hands-on-Trainings angeboten. Insgesamt wurden nicht sehr viele neue Erkenntnisse präsentiert, aber die bekannten sehr sorgsam aufbereitet und gut dargestellt.

(Peggy Seehafer)

Rubrik: Aus- und Weiterbildung

Erscheinungsdatum: 16.10.2014