Hebamme an Bord
Manchmal muss es im Leben ganz schnell gehen. Etwa wenn ein Kind rascher auf die Welt drängt, als es die Mutter erwartet hat. Um Hochschwangeren und deren Babys zu helfen, können Rettungsdienste in mehreren Landkreisen Hessens Hebammen bei Geburtshilfe-Einsätzen hinzuziehen. Eine von ihnen ist Mona Loos. Sie kennt nicht nur die praktische Seite der Einsätze aus eigener Erfahrung, sondern hat das Projekt »Hebammen im Rettungsdienst« auch in ihrer Masterarbeit wissenschaftlich untersucht – und dabei den Blick auf den Vogelsberg und die Nachbarlandkreise Fulda, Marburg-Biedenkopf und Main-Kinzig gerichtet.
»Unsere Aufgabe besteht in erster Linie darin abzuklären, ob das Kind recht schnell geboren wird oder ob noch genug Zeit bleibt, in die Klinik zu fahren«, erklärt die 35-Jährige. »Natürlich wollen wir eine Geburt irgendwo auf der Landstraße verhindern.« Obwohl Geburten im Rettungsdienst selten sind, hat sich nach ihren Erkenntnissen der Einsatz von Hebammen als hilfreich erwiesen, besonders in ländlichen Regionen mit langen Wegen.
Der Landesverband der Hessischen Hebammen (LVHH) unterstützt das Konzept und war an der Vorbereitung beteiligt. »Die Umsetzung ist erfolgreich«, erklärt die LVHH-Vorsitzende Martina Klenk. »Es ist allerdings wichtig, darauf hinzuweisen, dass das Konzept explizit als Notfallkonzept entwickelt wurde, weil vor allem im ländlichen Raum geburtshilfliche Abteilungen geschlossen wurden und wir dort in Hessen eine echte Mangelversorgung haben.« Das Projekt solle nicht dazu verleiten, weitere geburtshilfliche Abteilungen zu schließen, betont Klenk. »Da wir in Hessen bereits diesbezüglich das Ende der Fahnenstange erreicht haben, dürfte die Gefahr jedoch nicht (mehr) bestehen.« Im Vogelsbergkreis beispielsweise gebe es schließlich keinen Kreißsaal mehr, den man noch schließen könne.
Die bei den Rettungsleitstellen angemeldeten Hebammen werden nach Angaben des Deutschen Roten Kreuzes bei entsprechenden Einsätzen alarmiert und begeben sich zur Einsatzstelle. In dringenden Fällen könnten sie auch mit einem Einsatzfahrzeug abgeholt werden, teilte der DRK-Landesverband Hessen mit.
»Eine Geburt im Rettungsdienst ist eine Seltenheit«, berichtet Dennis Humburg, der ärztliche Leiter des Rettungsdienstes im Vogelsbergkreis. »Das macht die Angelegenheit für das ärztliche und das nichtärztliche Personal sehr schwierig.« Natürlich sei das Thema Geburt Bestandteil bei der Ausbildung von Notfallsanitäter:innen und Notfallmediziner:inen, sagt der 44-Jährige. Aber es sei nur ein kleiner Teil der notärztlichen Ausbildung, daher gebe es bei den meisten keine Routine.
Die von ihr untersuchten Landkreise seien mit dem Projekt sehr zufrieden, berichtet Mona Loos. »Die Anwesenheit der Hebamme senkt bei den Rettungsdiensten den Stress, die Ängste und Sorgen, die mit geburtshilflichen Einsätzen einhergehen. Daher ist die Anwesenheit einer Hebamme eine Entlastung für den Rettungsdienst und natürlich auch für die Mütter.«
Im Vogelsbergkreis beteiligen sich laut Loos fünf weitere Kolleginnen an dem Projekt. Die Hebammen im Rettungsdienst seien nicht zu Einsätzen oder Rufbereitschaft verpflichtet. Die Rufbereitschaft werde nicht bezahlt. »Ich sehe das als Ehrenamt, wie beispielsweise andere Menschen zur Feuerwehr gehen«, betont die Hebamme. Den Einsatz selbst können die Hebammen über die Krankenkassen abrechnen.
Rechtsgrundlage für den Einsatz von Hebammen im Rettungsdienst ist nach Angaben des Deutschen Roten Kreuzes das Hebammengesetz. Die Regelung (Paragraf 4 Absätze 1 und 3) verpflichtet Ärzt:innen bei außerklinischen Geburten, eine Hebamme hinzuzuziehen. Darin heißt es unter anderem: »Zur Leistung von Geburtshilfe sind außer Ärztinnen und Ärzten nur Personen mit einer Erlaubnis nach diesem Gesetz berechtigt. Dies gilt nicht für Notfälle.« Und weiter: »Ärztinnen und Ärzte sind verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass bei einer Geburt eine Hebamme zugezogen wird.«
Quelle: dpa, 28.1.2025 · DHZ