Modell aus Schweden

Hebammenausbildung im Duo-Peer-Modell

  • Im Duo-Peer-Modell unterstützen sich die Studierenden gegenseitig und finden zu vertieften Lernerfahrungen, die zu einem effektiven Studium beitragen.

  • Die praktische Ausbildung von Studierenden der Hebammenwissenschaften ist aus vielerlei Hinsicht herausfordernd: In vielen Kreißsälen existieren Personalengpässe, was in einer Arbeitsverdichtung und weniger Zeit für die Studierenden resultiert. Studierende werden in der praktischen Lernumgebung häufig allein gelassen und müssen sich in einem meist stressigen Arbeitsalltag selbst arrangieren. Muss das sein? Wie können innovative Modelle des praktischen Hebammenstudiums aussehen?

    Ein Blick nach Schweden zeigt: Andere Wege sind möglich, das praktische Hebammenstudium kann anders gedacht und gestaltet werden. Beispielsweise im Rahmen des sogenannten Duo-Peer-Modells. Dabei erfolgt die Betreuung einer Gebärenden durch zwei Studierende der Hebammenwissenschaft, die sich gegenseitig unterstützen, reflektieren und voneinander lernen.

    Zwei Studierende der Hebammenwissenschaft lassen einer Gebärenden ihre ungeteilte Aufmerksamkeit während der Geburt zukommen. Die Naht möglicher Geburtsverletzungen wird durch eine Studierende durchgeführt, untersucht wird von beiden Studierenden, die anschließend ihre Ergebnisse durchsprechen. Die beiden Studierenden werden von einer Hebamme betreut.

    Im Rahmen existenter Personalknappheit mag dieses Modell auf den ersten Blick undenkbar in der Umsetzbarkeit erscheinen, jedoch bringen Erkenntnisse einer qualitativen Studie zum Ausdruck, dass darüber auf den zweiten Blick verschiedene Vorteile für Gebärende und Studierende erreicht werden können, die bedenkenswert sind.

    Im Rahmen einer qualitativen Interview-Studie wurden Eltern nach der Geburt zu ihren Erfahrungen mit der Betreuung durch ein Duo-Peer-Modell in telefonischen Einzelinterviews befragt. Die Daten wurden in drei Krankenhäusern in Schweden (Stockholm) unter elf Frauen und neun Partner:innen zwischen März und April 2019 erhoben. Anschließend wurde eine thematische Analyse durchgeführt.

    Übergeordnet wurde das Duo-Peer-Modell als vielversprechendes Betreuungskonzept beschrieben, welches über zwei zentrale Themen definiert wurde: »Vertrauensvolle Beziehung« und »Vorteile für die Studierenden«. Die vertrauensvolle Beziehung umfasst, dass Eltern sich gesehen und umsorgt fühlen, was ihnen einen vertrauensvollen Umgang mit dem Prozess des Gebärens ermöglicht. Sie beschreiben es sehr hilfreich, nie allein gelassen worden und in Entscheidungsprozesse einbezogen worden zu sein. Eine Mehrgebärende beschreibt ihr Erleben wie folgt: »Die Art und Weise, wie sie sich verhielten und ihre Aufmerksamkeit zum Ausdruck brachten, gaben mir das Gefühl, wirklich sicher zu sein. Während dieser Zeit war es wichtig für mich, dass jemand für mich da war, weil es eine sehr sensible Lebenserfahrung für mich war.«

    Eine Erstgebärende berichtete: »Sie waren so vorsichtig, dass ich jederzeit darüber informiert wurde, was los war. Besonders nach der Geburt, als sie meine Geburtsverletzung nähten, waren sie sehr achtsam. Es war eine sehr respektvolle Erfahrung und es fühlte sich gut an.«

    Vorteile für die Studierenden umfassen, dass diese voneinander und miteinander lernen. Sie unterstützen sich gegenseitig und finden zu vertieften Lernerfahrungen, die zu einem effektiven Studium beitragen. Eine Mehrgebärende beschrieb die Art und Weise der Kommunikation der Studierenden miteinander: »Sie sprachen viel miteinander. So untersuchte zunächst die eine Studierende und konfrontierte die andere Studierende mit ihrem Ergebnis. Sie fragte: Was denkst Du dazu? Dann untersuchte die andere Studierende und sie diskutierten miteinander. Ich empfand ihre Kommunikation als exzellent.«

    Ein Partner beschrieb seine Empfindung, dass eine einzelne Studierende sich vermutlich viel häufiger allein gefühlt hätte, weil die betreuende Hebamme selbst selten im Raum war: »Ohne den Austausch mit ihrer Mitstudierenden hätte sie sich einsamer gefühlt. Mir ist zudem aufgefallen, dass beide Studierenden den Anweisungen ihrer betreuenden Hebamme folgten, als diese hereinkam. Ich hatte den Eindruck, dass alle kompetent waren und die Situation unter Kontrolle hatten.«

    Die Autorinnen schlussfolgern aus ihren Daten, dass die Eltern eine Vertrauensbeziehung zu beiden Studierenden aufbauen konnten. Die Eltern erlebten eine großzügige Unterstützung und Betreuung während der Geburt und waren bereit, die Studierenden in ihrem Lernprozess zu unterstützen. Aus Sicht der Autorinnen hat das Duo-Peer-Modell das Potenzial, zu mehr individuell betreuten Geburten und einem innovativen praktischen Hebammenstudium beizutragen.

    Quelle: Zwedberg S, Barimani M: When student midwives are present during labour and childbirth in a peer-learning model: An interview study of parents in Sweden. Midwifery 2021, 104. DOI: 10.1016/j.midw.2021.103173 ∙ DHZ

    Rubrik: Aus- und Weiterbildung

    Erscheinungsdatum: 04.11.2021