Qualitative Studie aus Deutschland

Hebammenhilfe für psychosozial belastete Frauen

  • Psychosozial belastete Frauen empfinden Hebammenhilfe als Glück und Privileg. Aber sie finden nur schwer einen Zugang.

  • Frauen können sich während Schwangerschaft, Geburt und Postpartalzeit in psychosozial belastenden Lebenslagen befinden. Sie haben dann einen erhöhten Unterstützungsbedarf, nehmen jedoch seltener Hebammenhilfe in Anspruch. Da die Gründe bislang unklar sind, wurde dazu kürzlich eine qualitative Studie in Deutschland durchgeführt. Ziel war, die Einflussfaktoren für den Zugang zur Hebammenhilfe aus der Perspektive von Frauen in psychosozial belastenden Lebenslagen zu untersuchen.

     

    Vielfältige psychosoziale Belastungen

     

    Durchgeführt wurden 13 leitfadengestützte Interviews mit zwei schwangeren Frauen und elf Müttern zwischen Oktober 2021 und Februar 2022. Acht der Befragten wurden von Hebammen betreut, fünf hatten keine Hebammenbetreuung. Befragt wurden die Frauen zu ihren Erfahrungen und Sichtweisen zu ihrem Zugang zur Hebammenversorgung in ihrer belastenden Lebenslage. Zudem wurden sie nach den Gründen befragt, warum sie Hebammenhilfe in Anspruch nahmen oder diese ablehnten. Die Daten wurden interpretativ hermeneutisch nach Schreier ausgewertet.

    Die zugrundeliegenden psychosozialen Belastungen waren vielfältig und umfassten beispielsweise ein geringes Einkommen, eine belastende Arbeitssituation, einen belastenden Beziehungsstatus, soziale Isolation oder eine chronische Krankheit.

     

    Hebammenhilfe wird als Glück empfunden

     

    Als zentrales Ergebnis der Studie zeigte sich, dass Frauen den Zugang zur Hebammenhilfe als Glück empfinden, das nicht nur von ihnen selbst  bestimmt wird, sondern auch vom Zufall. Vier Unterkategorien beschrieben dieses erlebte Glück.

     

    1. Zugang als Privileg

     

    Der Zugang zur Hebammenhilfe kann als Privileg empfunden werden, das nicht allen Frauen gleichermaßen zur Verfügung steht. So beschreibt Philis: »Also, ich empfinde die Unterstützung von einer Hebamme [...] leider nicht als selbstverständlich […]. Für mich ist das ein wahnsinniges Privileg, wenn man da die Unterstützung hat.«

    Ihrer Meinung nach hätten nicht alle Frauen den gleichen Zugang zur Hebammenhilfe, was Frustration und Enttäuschungen bei denen bewirken könne, denen dieser Zugang verwehrt bleibt. 

     

    2. Vorteil einer bedürfnisorientierten Betreuung

     

    Die Frauen beschreiben das Glück einer Hebammenbetreuung als Zunahme an Wohlbefinden und eigenen Kompetenzen. Es beruhe jedoch nicht nur auf »Zufall«, sondern auf einer Betreuungskultur mit spezieller Ansprache. So erlebte Nesrin, eine syrische Frau in einer Flüchtlingsunterkunft, die bedürfnisorientierte Betreuung: »Ich kenne meine Hebamme von vor vier Jahren und deswegen habe ich die Hebamme gefunden.[…] Vom Camp. Das war Glück – wegen Camp. Danach kennen alle Leute die Hebamme in Deutschland.«

     

    3. Suchstrategien erhöhen die Chancen auf Zugang

     

    Frauen beschreiben, dass persönliche Empfehlungen und Netzwerke eine große Rolle bei der Suche nach einer Hebamme spielten. Eine frühe Suche nach einer Hebamme mit hohem eigenem Engagement erhöhe die Chancen, erfolgreich Zugang zu Hebammenhilfe zu finden. Ena teilt ihre Erfahrungen: »Also, du hast den Test! Melde dich direkt! Warte nicht mal die eine Woche ab! […] Weil du halt von vielen eine Absage bekommst. […], weil sie halt überlastet sind. […] ich hatte extrem Glück!«

     

    4. Vertrauen und Kompetenz der Hebamme

     

    Die Frauen berichten, dass die Persönlichkeit der Hebamme für den Aufbau einer guten Beziehung sehr wichtig sei: Empathie und Vertrauen spielten hierbei eine zentrale Rolle. Chantal gibt Einblicke in ihre Gedanken: »Und wenn sie mir nicht sympathisch ist, kann ich ja auch kein Vertrauen mit ihr aufbauen. Dann denke ich lieber, nein, dann habe ich lieber doch keine.«

    Begründet wird dies durch die einzigartige Verletzlichkeit und das hohe Maß an Intimität, das mit Fragen während der reproduktiven Lebensphase einhergeht.

     

    Verfügbarkeit von Hebammenhilfe verbessern

     

    Die Autorinnen diskutieren heterogene Erfahrungen, die Frauen in belastenden Lebensphasen hinsichtlich des Zugangs zur Hebammenhilfe erleben. Sie sehen vielfältige Möglichkeiten, Frauen individuell zu unterstützen, und unterstreichen dabei den Wert kommunikativ kompetenter Hebammen. Die Autorinnen geben zu bedenken, dass der Zugang zur Hebammenhilfe für Frauen in psychosozial belastenden Lebenslagen erschwert ist. Gerade für diese Frauen sollte die Verfügbarkeit von Hebammenhilfe verbessert werden.

    Quelle: EDMAIER, H., Pehlke-Milde, J. (2024). Access to midwifery care - the perspective of women in life siutations with psychosocial stress factors. Zugang zu Hebammenhilfe - die Perspektive von Frauen in Lebenslagen mit Psychosozialen Belastungsfaktoren. GMS Zeitschrift für Hebammenwissenschaft, 11, 12. · Beate Ramsayer/DHZ

    Rubrik: Politik & Gesellschaft

    Erscheinungsdatum: 30.01.2025