Landestagung des Hebammenverbandes Baden-Württemberg

Hebammen.Zukunft.Gestalten

Am 23. Juni fand in Freiburg die Landestagung 2015 des Hebammenverbandes Baden-Württemberg statt. Jutta Eichenauer, 1. Vorsitzende, begrüßte die 250 TeilnehmerInnen, die sich bei strahlendem Sommerwetter in den Veranstaltungsräumen des Messegeländes versammelt hatten, um den acht hochkarätigen Fachvorträgen zu folgen, die Industrieausstellung zu besichtigen und sich in den Pausen zum Gespräch unter Kolleginnen zusammenzufinden.

Die Gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen im Landtag und Vorsitzende des Sozialausschusses von Baden-Württemberg, Bärbel Mielich, empörte sich in ihrem Grußwort, es sei paradox, dass die Berufshaftpflichtprämien für Hebammen so dramatisch angestiegen seien, ohne vermehrte Schadensfälle. Sie forderte Haftpflichtprämien, analog der Unfallversicherung.

Der erste geburtshilfliche Vortrag „Gebären nach vorausgegangener Sectio“ war bereits ein Highlight: Dr. Bärbel Basters-Hoffmann, Kreißsaaloberärztin am Diakoniekrankenhaus in Freiburg, das 2013 mit etwa 1.500 Geburten eine Kaiserschnittrate von nur 22,4 Prozent aufwies, berichtete wie ihr Team das erreicht. Der Anteil der Frauen mit Zustand nach Sectio läge dabei bei 250 Gebärenden. Physiologische Verläufe von Geburten seien oberstes Ziel in ihrer Klinik: Auch bei Beckenendlagen, Zwillingen oder Geburten aus hinterer Hinterhauptlage würde – anderes als in den meisten Kliniken – nicht gleich ein Kaiserschnitt gemacht. Die geringe Sectiorate sei dabei nur ein Nebeneffekt: „Gebären hat einen eigenen Wert!“ Manchmal sei sie nahe dran, zu resignieren: sie vermisse die Wertschätzung für eine solche Geburtshilfe. Ermutigend seien Erlebnisse, wie die spontane Geburt einer Mutter, die sich nach vier Kaiserschnitten sehnlichst eine Spontangeburt gewünscht hatte. Ihr fünftes Kind brachte sie aus eigener Kraft zur Welt.

Martina Klenk, Präsidentin des Deutschen Hebammenverbandes, berichtete aus der Berufspolitik. Zu Ideen eines Streiks angesichts der bedrückenden Lage der Freiberuflerinnen gab sie zu bedenken, dies sei ursprünglich eine Form des Arbeitskampfes als Druckmittel von Arbeitern ihrem Arbeitgeber gegenüber. Sei er gewerkschaftlich organisiert, würden die Mitglieder wirtschaftlich unterstützt. Klenk empfahl andere Aktivitäten. Zu den aktuell von den Kassen geforderten Ausschlusskriterien bei Hausgeburten zeigte sie sich kompromisslos. Den angestellten Hebammen empfahl sie mit ihren Arbeitgebern zu verhandeln. Überlastung führe zu Fehlern. Manche Kliniken zahlten ihren Hebammen 150 Euro pro Nachtschicht extra. Viele lockten Hebammen mit einem Begrüßungsgeld von 1.500 Euro. Jede fünfte Stelle von Hebammen sei nicht besetzt.

Deutschlandweit haben 16 Kliniken den „Expertinnenstandard Förderung der Physiologischen Geburt“ implementiert, drei davon in Baden-Württemberg. Die Hebammen Marlies Binnig, als Projektleiterin im Diakoniekrankenhaus Freiburg, einer normalen Geburtsklinik der Grundversorgung, und Anja Tieg, als Kreißsaalleiterin im Krankenhaus Ludwigsburg, einem Level 1 Perinatalzentrum mit 2.300 Geburten, waren maßgeblich an der modellhaften Implementierung des Expertinnenstandards in ihren Kreißsälen beteiligt.

Sehr ermutigend berichten sie darüber, welche Herausforderung es dabei zu meistern gab. Beide waren dennoch absolut überzeugt von den Vorteilen. Auch bei den ÄrztInnen hätte sie „offene Türen eingerannt“, berichtet Marlies Binning: Es sei klar geregelt – ein Arzt tut bei einer normalen Geburt nichts, außer beispielsweise das Handtuch aus dem Wärmeschrank zu holen. Seit Mai würden in Freiburg die Geburten mit Eins-zu-eins-Betreuung im Geburtenbuch dokumentiert. Anja Tieg empfahl, Verbündete zu suchen: Der Expertinnenstandard sei ein wertvolles QM-Werkzeug, sie habe dafür eine zusätzliche 25-Prozent-Stelle erhalten. Mit einer Salamitaktik könne man nach und nach Teilstücke umsetzen.

(DHZ - Katja Baumgarten, 16.7.2015)

Rubrik: Aus- und Weiterbildung

Erscheinungsdatum: 17.07.2015