Retrospektive Studie aus China unter Erstgebärenden

Hilft »Hands-off« dem weiblichen Beckenboden?

  • Die gekonnte Nichtintervention im Sinne eines Hands-Off scheint den weiblichen Beckenboden langfristig zu schonen und sexuelle Dysfunktionen zu verringern.

  • Die Auswirkungen einer vaginalen Geburt auf den mütterlichen Beckenboden werden immer wieder kontrovers diskutiert. Durch Dehnungs- und Öffnungsvorgänge können nämlich Langzeitfolgen wie Harninkontinenz oder sexuelle Dysfunktionen verursacht werden. Im Rahmen einer chinesischen Studie wurde nun untersucht, welche Langzeitfolgen mit dem Anlegen einer lateralen Episiotomie, einer traditionellen Hebammenbetreuung ohne Anlegen einer Episiotomie bei Anwendung eines »klassischen Dammschutzes« sowie einer Hebammenbetreuung mit der Entscheidung zur Anwendung einer Hands-off-Technik einher gehen. Eingeschlossen wurden 320 erstgebärende Frauen, die zwischen Januar 2017 und Dezember 2018 ein Kind am Termin im Peking University People Hospital zur Welt brachten. Verglichen wurden die Dauer der Geburtsphase sowie die Muskelkraft des Beckenbodens nach der Geburt.

    Retrospektiv wurden die Frauen anhand folgender Kriterien drei Gruppen zugeordnet. In die erste Gruppe wurden alle Frauen eingeteilt, die eine laterale Episiotomie erhielten (n=117). In der zweiten Gruppe erfolgte die Betreuung durch einen »klassischen Dammschutz« ohne Anlegen einer Episiotomie (n=103), in der dritten Gruppe wurde die Hands-off-Technik (n=100) angewendet.

    Die »klassische Dammschutztechnik« umfasste dabei eine kontrollierte Kopfgeburt, bei der die Durchtrittsgeschwindigkeit durch die linke Hand der Hebamme vermindert und das Dammgewebe durch die rechte Hand gestützt wird. Die Hebamme stützt zudem ihren rechten Ellenbogen auf der Unterlage ab.

    Die »Hands-off-Technik« umfasst keinen vollständigen Verzicht auf eine Unterstützung der Geburt durch die Hebamme, sondern eine Regulierung der Durchtrittsgeschwindigkeit des kindlichen Köpfchens durch eine Hand der Hebamme ohne das mütterliche Dammgewebe mit der anderen Hand zu berühren. Die Hebamme leitet die Gebärende während der Geburt des Kindes zum langsamen Mitschieben an, wartet nach der Kopfgeburt die natürliche Drehung des Kindes ab und schiebt vorsichtig das kindliche Köpfchen nach der Geburt dammwärts, um die Schultergeburt zu unterstützen. Anschließend hält sie den kindlichen Kopf mit der rechten Hand und unterstützt den Körper des Kindes mit der linken Hand.

    Die Beckenbodenkraft wurde anhand einer elektrischen Stimulationstherapie, die mütterliche Stressinkontinez durch Messung der Urinmenge bei Lachen und Husten 42 Tage nach der Geburt gemessen. Eine mögliche sexuelle Dysfunktion wurde nach sechs Monaten über ein Telefoninterview erfragt.

    Die Ergebnisse zeigen auf, dass keine signifikanten Unterschiede zwischen den drei Gruppen für die Dauer der Geburtsphase sowie die Beckenbodenmuskelkraft vorliegen. Jedoch treten Harnstress-Inkontinenzprobleme und eine sexuelle Dysfunktion signifikant seltener in der Gruppe der Hands-off-Technik auf. Die AutorInnen schlussfolgern, dass durch die Hands-off-Technik Schäden am Beckenboden verringert und die Lebensqualität von Frauen nach der Geburt verbessert werden kann. Sie empfehlen, physiologische Geburtsverläufe gekonnt nichtintervenierend zu betreuen und dieses Vorgehen zu empfehlen.

    Quelle: Gong J. et al.: Comparison of lateral episiotomy, traditional midwifery without episiotomy, and hands-off techniques delivery on pelvic floor function. Gynecology and Obstetrics Clinical Medicine 2021. 1, 40-43. https://doi.org/10.1016/j.gocm.2020.11.001DHZ

    Rubrik: Geburt

    Erscheinungsdatum: 21.12.2020