Prolapsoperation

Transplantierte Sehne statt Netz

  • Eine Sehne aus der Kniemuskulatur könnte künftig bei Prolapsoperationen helfen.

  • Amadeus Hornemann, Spezialist für minimal-invasive gynäkologische Operationen und Chefarzt der Klinik für operative Gynäkologie im Krankenhaus Sachsenhausen in Frankfurt, hat im Rahmen einer Video­sitzung eine von ihm entwickelte und 2018 eingeführte Operation vorgeführt. Es ging darum, bei einer Patientin, der bereits die Gebärmutter entfernt worden war, den nach unten gesunkenen Scheidenstumpf weiter oben zu fixieren.

    Der auf dem Kongress präsentierte Eingriff zeigt exemplarisch das Vorgehen bei den 21 Prolaps-Patientinnen, die sich inzwischen im Rahmen einer Multicenter-Studie aufgrund von Senkungsbeschwerden diesem Operationsverfahren mit der eigenen Sehne unterzogen haben.

    Hornemann war zu diesem Vorgehen durch eine Kreuzbandoperation inspiriert worden, bei der er zufällig zugegen war. Daraufhin entwickelte er eine Methode, das für den Kreuzbandersatz üblicherweise verwendete Sehnengewebe des M. semitendinosus aus dem Oberschenkel auch für Frauen mit Senkungsbeschwerden einzusetzen. Er entnimmt diese Sehne und nutzt sie statt eines Kunststoffnetzes zur Fixierung des Uterus oder des Scheidenendes. Bisherige Erfahrungen mit der transplantierten Sehne dieses Muskels zeigen, dass sie zumindest im Knie ein Leben lang hält und stabil bleibt.

    Um die Kniestabilität zu schonen, hat der Frankfurter Chirurg die Methode der Orthopäden optimiert und zeigen können, dass die Entnahme der Sehne auch in ihrer halben Breite für die Operation ausreicht, so dass die ohnehin milden Einschränkungen im Bein noch geringer ausfallen. Inzwischen sind Orthopäd:innen ebenfalls dazu übergegangen, nur noch die Hälfte der Sehne zu entnehmen, da dies auch für das Kreuzband ausreichend Gewebe bereithält.

    Die in Melbourne vorgeführte Methode wird minimal-invasiv per Schlüssellochchirurgie vorgenommen. Sie dauert im Mittel gut zwei Stunden, je nach Art der Reparatur und Anforderungen kann die Zeitspanne eineinhalb bis fast vier Stunden betragen.

    Bislang wurden keine intraoperativen Komplikationen berichtet. Nachuntersuchungen der Vagina nach sechs Wochen und sechs Monaten haben ergeben, dass das gesenkte mittlere Kompartiment – die Region des kleinen Beckens zwischen Harnblase und Rektum – ausreichend wieder weiter oben fixiert werden konnte.

    Schadensersatzprozesse von Frauen, denen die bisher oft verwendeten künstlichen Netze massive Schmerzen im Unterleib bereitet haben, oder die zum Teil durch die Scheide nach außen gewandert sind, haben in einigen Ländern zum Verbot dieser Netze oder »Meshes« geführt, wohingegen sie in Deutschland nach wie vor in strenger Indikation verwendet werden dürfen.

    Dennoch hat die weltweite Aufmerksamkeit um diese Prozesse dazu geführt, dass vielerorts die betroffenen Patientinnen operative Lösungen anfragen, die ohne die Kunststoffnetze auskommen. Allerdings gilt es auch bei den innovativen Ansätzen, sorgfältige Langzeitergebnisse jenseits des bisherigen sechsmonatigen Follow-ups zu dokumentieren. Erfahrungsgemäß zeigt sich der dauerhafte Nutzen – und das Risiko – von solchen Prolapsoperationen erst nach einigen Jahren.

    Quelle: Hornemann et al.: Tendon Descensus Repair (TENDER) – A prospective clinical feasibility study of tendon transplantation for pelvic organ prolapse repair. European Journal of Obstetrics and Gynecology and Reproductive Biology 2020. Doi: https://doi.org/10.1016/j.ejogrb.2020.04.035 ∙ aerzteblatt.de, 18.10.2021 ∙ DHZ

    Rubrik: Medizin & Wissenschaft

    Erscheinungsdatum: 19.10.2021