Unfruchtbarkeit

Mit einer App das Sperma testen?

Mit einem neuen Messgerät, das sich an ein Smartphone koppeln lässt, können Männer zu Hause die Qualität ihrer Spermien selbst analysieren. Das sogenannte Point-of-care-System soll die Beweglichkeit und Konzentration von Spermien in der Samenflüssigkeit mit einer Genauigkeit von 98 Prozent auswerten, heißt es in der Publikation, die in Science Translational Medicine erschienen ist.

Das Messgerät erkennt Spermaproben, die Eigenschaften der Unfruchtbarkeit erfüllen, basierend auf den Grenzwerten der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Demnach liegt der untere Referenzwert der Spermienkonzentration bei 15 Millionen Spermien/Milliliter und die Motilität bei mindestens 40 Prozent (progressive Beweglichkeit und lokale Beweglichkeit/Kreisschwimmer). Das Point-of-care-System haben die Forscher um Erstautor Manoj Kumar Kanakasabapathy vom Brigham and Women’s Hospital (BWH) an 350 Spermaproben getestet.

„Die Entwicklung einfach zu handhabender Point-of-care-Systeme für die Beurteilung der Spermaqualität stellt sicher eine Bereicherung auf dem Gebiet der Andrologie dar“, kommentiert Hans-Christian Schuppe, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin. Es sei jedoch zu berücksichtigen, dass die bisher verfügbaren Testsysteme, einschließlich dem von Kanakasabapathy und KollegInnen vorgestellten, wesentliche Parameter nicht erfassen können. „Es fehlt insbesondere die zytomorphologische Ebene, das heißt Informationen zur Spermienmorphologie, zum Vorhandensein unreifer Keimzellen, Leukozyten und einiges mehr“, erklärt Adrian Pilatz, Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Urologie, Kinderurologie und Andrologie in Gießen. Ein wesentlicher Einflussfaktor sei auch die Ejakulatbeschaffenheit, ergänzt Schuppe. Unvollständig verflüssigte, visköse Proben könnten zu einer erheblichen Verfälschung der Ergebnisse führen.

„Das vorgestellte Point-of-care-System kann also nur orientierende Daten liefern und ist keinesfalls ein vollwertiger Ersatz für die herkömmliche andrologische Labordiagnostik“, schlussfolgern die beiden Andrologen. Die Ejakulat-Qualität unterliege zudem physiologisch erheblichen Schwankungen. Eine einzelne Analyse sei nicht unbedingt repräsentativ, erklärt Schuppe weiter.

Die ForscherInnen aus den USA wollen den Prototypen ihres Smartphone-basierten Analysegeräts in weiteren Tests prüfen mit dem Ziel, eine Zulassung von der Food and Drug Administration (FDA) zu erhalten.

(Kanakasabapathy MK et al.: An automated smartphone-based diagnostic assay for point-of-care semen analysis. Science Translational Medicine 2017. Vol. 9, Issue 382, eaai7863. DOI: 10.1126/scitranslmed.aai7863; aerzteblatt.de 23.3.2017/DHZ)

Rubrik: Medizin & Wissenschaft

Erscheinungsdatum: 24.03.2017