Kontrollierte Studie aus den USA

Nahrungsergänzungsmittel gegen Babyblues?

  • Helfen Tryptophan, Tyrosin und Heidelbeersaftextrakt gegen Babyblues? Die positive Antwort einer Studie aus den USA wird von ExpertInnen vorsichtig bewertet.

  • Eine Dreierkombination aus Nahrungsergänzungsmitteln könnte vor einer Vorstufe der Wochenbettdepression, der postpartalen Stimmungskrise (PPB) - auch Babyblues genannt, schützen. Zu diesem Ergebnis kommen Forscher der Washington University in St. Louis in einer kontrollierten, jedoch nicht verblindeten Studie mit 41 Frauen. Das Trio aus Tryptophan, Tyrosin und dem Antioxidans Heidelbeerextrakt trug nach Ansicht der AutorInnen dazu bei, dass keine der Teilnehmerinnen den Babyblues erfahren musste. Die Studie wurde in Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) publiziert.

    Den Babyblues führen WissenschaftlerInnen auf einen Anstieg des Enzyms Monoaminoxidase A (MAO-A) um 40 Prozent zurück. Das Enzym baut Neurotransmitter wie Serotonin und Dopamin im Gehirn ab, die für eine gute Stimmungslage sorgen. Die Nahrungs­ergän­zungsmittel sollen genau diesem MAO-A-Anstieg entgegenwirken.

    Kurz nach der Geburt ab Tag drei erhielten die Teilnehmerinnen eine schriftliche Anlei­tung für die Einnahme der Dreierkombination, die sie drei Tage lang einhalten sollten. Diese setzte sich aus 2 Gramm L-Tryptophan (1-g-Kapseln am Abend), 10 Gramm L-Tyrosin (500-mg-Kapseln am Morgen), Heidelbeersaft und -extrakt in Form von Pulver zusammen. Die Tryptophan- und Tyrosin-Level in der Muttermilch änderten sich durch die Nahrungsergänzung nicht, versicherten die AutorInnen basierend auf vorherigen Studien­ergebnissen.

    Am fünften Tag nach der Geburt, wenn der Babyblues für gewöhnlich seinen Höhepunkt erreicht, untersuchten die ÄrztInnen die Stimmungslage der Teilnehmerinnen. Dafür setzten sie die frischen Mütter negativen Stimuli aus, etwa einem traurigen Musikstück oder lethargischen Statements. Mit dieser Mood induction procedure (MIP) konnten die For­scher jedoch ausschließlich in der Kontrollgruppe eine depressive Stimmung verursa­chen. Diejenigen, die die Nahrungsergänzungsmittel zu sich genommen hatten, blieben emotional unberührt. Die Effektgröße lag bei 2,9. Das entspricht einem mindestens zehnfach größeren Effekt verglichen mit anderen Interventionen oder Placebo, schreiben die AutorInnen in ihrer Auswertung.

    Ob die Nahrungsergänzungsmittel dabei tatsächlich den MAO-A-Anstieg verhindern konnten, lässt die Studie offen. Tryptophan ist dafür bekannt, die Einschlafzeit zu ver­kürzen. Ein erholsamer Schlaf könnte der Interventionsgruppe daher ebenso einen Vorteil verschafft haben. Tyrosin erhöht zudem die Stressresilienz.

    Michael Dettling und Natascha Schwertfeger, leitende ÄrztInnen der Mutter-Kind-Einheit der Charité – Universitätsmedizin Berlin, überzeugt das Studiendesign nicht: „Aufgrund methodischer Einschränkungen, wie etwa einer fehlenden Verumkontrolle und insuffi­zienter psychometrischer Messverfahren, können wir die optimistischen Aussagen der Autoren nicht nachvollziehen.“ Bevor Nahrungsergänzungsmittel Frauen nach der Schwangerschaft präventiv empfohlen werden können, müssten Wirkung und Neben­wirkungen wissenschaftlich solider untersucht werden, meinen die beiden ExpertInnen.

    (Dowlatia Y et al.: Selective dietary supplementation in early postpartum is associated with high resilience against depressed mood. PNAS 2017. http://www.pnas.org/content/early/2017/03/07/1611965114; aerzteblatt.de, 23.3.2017/DHZ)

     

    Rubrik: Wochenbett

    Erscheinungsdatum: 24.03.2017