„Reproduktive Rechte gelten für alle“
Mit der Forderung, alle Menschen bei der Verwirklichung ihres Kinderwunsches besser zu unterstützen, endete die Fachtagung des pro familia Bundesverbands im Rahmen der Bundesdelegiertenversammlung Anfang Mai in Hannover. Die 110 TeilnehmerInnen stellten fest, dass es viele Menschen gibt, die gerne ein Kind hätten, aber damit an gesellschaftliche und rechtliche Grenzen stoßen. Festgestellt wurde auch, dass es immer noch viele Vorurteile und Vorbehalte gegenüber neuen Familienmodellen und Lebensformen gibt, die das Recht auf Elternschaft einschränken. Deshalb sei es eine wichtige Aufgabe, Menschen mit unerfülltem Kinderwunsch zu stärken und sich für ihre reproduktiven Rechte einzusetzen. Einen wichtigen Beitrag dazu könne die psychosoziale Kinderwunschberatung leisten. Gleichzeitig müsse diese sich großen Herausforderungen stellen.
„In unserer Gesellschaft herrscht immer noch das Bild einer bürgerlichen Kleinfamilie mit Vater, Mutter, Kind(ern) vor. Die Elternschaft in anderen Familienformen, wie zum Beispiel in Regenbogenfamilien, wird nicht als selbstverständlich akzeptiert. Es ist unsere Aufgabe, gegen diese Stigmatisierungen vorzugehen. Alle Menschen haben ein Recht auf Elternschaft“, sagte Prof. Dr. Daphne Hahn, Vorsitzende des pro familia Bundesverbands. „Gleichzeitig setzt die Gesellschaft junge Menschen unter Druck, berufliche Qualifizierung, Erwerbstätigkeit und Familiengründung beziehungsweise Kinderbetreuung perfekt unter einen Hut zu bekommen. Wir brauchen gesellschaftliche Rahmenbedingungen, die den Weg zum Wunschkind erleichtern.“ Zentral sei dabei unter anderem die Familienarbeitszeiten zu reduzieren, um Frauen und Männern gleichermaßen eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen. Ebenso sei die Verringerung sozialer Ungleichheiten maßgeblich, damit sich Menschen in ökonomisch weniger stabilen Verhältnissen ihren Kinderwunsch erfüllen könnten. „Auch für Menschen, die auf reproduktionstechnologische Behandlungen angewiesen sind, ist die Erfüllung des Kinderwunsches oft schlichtweg unerschwinglich“, so Daphne Hahn.
Auf der pro familia Fachtagung erfuhren die Teilnehmenden, wie komplex das Thema Kinderwunsch in all seinen Aspekten ist. Beispielsweise führt das Aufschieben eines Kinderwunsches auf einen späteren Zeitpunkt dazu, dass er sich oftmals nur noch mit Unterstützung der Reproduktionsmedizin erfüllen lässt. Viele Frauen vertrauen heute darauf, dass der medizinische Fortschritt ihnen ein Kind auch jenseits der 40 Jahre ermöglichen kann. Ein Trugschluss: Die Erfolgsquoten sinken rapide mit steigendem Alter der Frauen und sind bei über 40-Jährigen nur noch sehr gering.
Auf der Fachtagung wurde auch über das relativ neue Verfahren des „Social Freezing“ diskutiert. Dabei lassen sich jungen Frauen Eizellen entnehmen und einfrieren, um für spätere Lebensjahre eine Fertilitätsreserve anzulegen. Allerdings muss das Verfahren privat finanziert werden, so dass es nur für zahlungskräftige Frauen in Frage kommt.
Die TeilnehmerInnen der Fachtagung waren sich darin einig, dass die Trauerbegleitung nach einer erfolglosen Kinderwunschbehandlung für die weitere Lebensbiografie von Frauen und Paaren eine größere Rolle spielen muss. Betroffene mit einem unerfülltem Kinderwunsch werden in ihrem Leidensdruck von der Umwelt noch nicht ernst genug genommen. Der Zugang zur Kinderwunschbehandlung an sich, zu professioneller Beratung über Chancen und Risiken reproduktionstechnischer Verfahren sowie eine Begleitung vor, während und nach einer Kinderwunschbehandlung muss niedrigschwelliger gestaltet werden und allen Menschen offen stehen.
(pro familia, 12.5.2014)