Nationale Kohortenstudie aus Israel

Schadet Metformin dem Fetus?

  • Wenn Frauen mit Typ-2-Diabetes in der Frühschwangerschaft Metformin einnehmen, ist aufgrund der limitierten Datenlage immer noch nicht eindeutig geklärt, ob hierdurch das Risiko für Fehlbildungen steigt.

  • Metformin ist ein Standardmedikament zur Behandlung des Typ-2-Diabetes. Ein Fortsetzen der Behandlung mit Metformin ist zumindest für einige Präparate auch in der Schwangerschaft denkbar. Im Off-Label-Use wird es bei Schwangerschaftsdiabetes und dem polyzystisches Ovarialsyndrom eingesetzt. Wenn Frauen mit Typ-2-Diabetes in der Frühschwangerschaft Metformin einnehmen, ist aufgrund der limitierten Datenlage immer noch nicht eindeutig geklärt, ob hierdurch das Risiko für Fehlbildungen steigt. Metformin ist plazentagängig und erzeugt ähnlich hohe Konzentrationen im Fetus.

    Untersucht wurde eine große israelische Kohorte mit 12.489 schwangeren Frauen mit vorbestehendem Diabetes Typ 2, die innerhalb von 90 Tagen nach letzter Regelblutung entweder eine Therapie mit Metformin fortsetzten und zusätzlich Insulin erhielten oder auf eine Insulin-Monotherapie wechselten. Ausgewertet wurden 850 Frauen in der Insulin-Monotherapie-Gruppe und 1.557 in der Insulin plus Metformin-Gruppe.

    Das geschätzte Risiko für nicht-lebende Geburten lag bei 32,7 % unter Insulin-Monotherapie (Referenz) und bei 34,3 % unter Insulin plus Metformin (Risikoverhältnis 1,02; 95-%-Konfidenzintervall 1,01 bis 1,04). Das geschätzte Risiko für angeborene Fehlbildungen betrug 8,0 % unter Insulin-Monotherapie und 5,7 % unter Insulin plus Metformin (Risikoverhältnis 0,72, 95-%-CI 0,51 bis 1,09).

    Gemäß der Studienautor:innen findet sich kein Hinweis auf ein erhöhtes Risiko für Nichtlebendgeburten oder Fehlbildungen in einem Metformin-haltigen Regime. Für Wolfgang Paulus, Oberarzt und Leiter der Beratungsstelle für Reproduktionstoxikologie, Universitätsfrauenklinik Ulm, wurde allerdings der Zeitpunkt der Randomisierung ungünstig gewählt. »In den ersten 90 Tagen nach letzter Regelblutung spielt sich ein großer Teil der kindlichen Organentwicklung ab. Wenn man die Kollektive erst spät aufteilt, wundert es nicht, dass keine Unterschiede in den kindlichen Fehlbildungsraten zwischen den beiden Gruppen erkennbar sind«, so die Einschätzung von Paulus.

    »Da Metformin die Plazenta passieren kann, denke ich, dass es immer noch notwendig ist, Vorsicht bei der Verwendung walten zu lassen, bis die langfristigen Effekte, die berichtet wurden, weiter geklärt sind«, gibt Rachel Lippert, Leiterin der Nachwuchsgruppe Neuronale Schaltkreise am Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) in Potsdam-Rehbrücke, zu bedenken.

    Expert:innen wie Michael Zitzmann, Oberarzt und Facharzt für Innere Medizin/Endokrinologie und Andrologie am Universitätsklinikum in Münster, befürworten dennoch die Leitlinien gegebenenfalls zu überdenken. Bisher berücksichtigt die aktuelle S2e-Leitlinie ›Diabetes in der Schwangerschaft‹ der Deutschen Diabetes Gesellschaft aus dem Jahr 2022 Metformin nur im Einzelfall bei ausgeprägter Insulinresistenz zu erwägen.

    In der parallel publizierten Studie wurden fast 400.000 Kinder von Männern mit Diabetes Typ 2 untersucht, die Metformin während der Phase der Spermienproduktion eingenommen hatten. Auch hier wurde keine signifikant erhöhte Inzidenz von großen angeborenen Fehlbildungen beobachtet. Allerdings weisen die Studienautor:innen darauf hin, dass Männer mit erhöhtem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen die Metformin einnahmen, ein Risikofaktor für Fehlbildungen bei Kindern darstellen könnten. Darüber hinaus fanden sie eine erhöhte Inzidenz von Fehlbildungen bei den Nachkommen von Vätern, die eine antidiabetische Polytherapie erhielten. Dieser Anstieg ließe sich womöglich auf eine allgemein schlechtere Stoffwechselgesundheit zurückführen, erläutern die Studienautor:innen.

    »Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Mechanismen, durch die sich die väterliche Metformin-Exposition auf die Gesundheit der Nachkommen auswirken könnte, eine Kombination aus genetischen, epigenetischen, metabolischen und hormonellen Mechanismen sind«, nannte Raffaele Teperino, Forschungsleiter der Gruppe Umweltepigenetik, Institut für Experimentelle Genetik, Helmholtz Diabetes Zentrum, München und Deutsches Zentrum für Diabetesforschung (DZD). Es wären laut Teperino weitere Forschungsaktivitäten erforderlich, um diese Mechanismen und ihre langfristigen Auswirkungen auf die Gesundheit der Nachkommen vollständig zu erfassen.

    Quelle: Rotem, R. S., Weisskopf, M. G., Huybrechts, K. F., & Hernández-Díaz, S. (2024). Paternal Use of Metformin During the Sperm Development Period Preceding Conception and Risk for Major Congenital Malformations in Newborns. Annals of internal medicine,  https://doi.org/10.7326/M23-1405 · aerzteblatt.de, 5.7.24 · DHZ

    Rubrik: Schwangerschaft

    Erscheinungsdatum: 12.07.2024