Zum Tag des Schlafs am 21. Juni

Schlafforscher schlagen Alarm

  • Die Chronobiologie eines jeden Menschen findet in unseren gesellschaftlichen Anforderungen wenig Beachtung. Das kann langfristig krank machen.

  • Ein gutes Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen. Stimmt, diese Weisheit. So manche andere Weisheit finden Schlafforscher aber schlichtweg falsch - vor allem das Lob aufs frühe Aufstehen.

    Schlafforscher Hans-Günter Weeß kritisiert: «Wir sind eine Gesellschaft, die den Schlaf nicht schätzt». Er ist Psychologe und Mitglied im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM). Im Ergebnis sei Deutschland im Vergleich zu Nachbarländern eine übermüdete Nation.

    Wenn ein Mensch in einem Monat an mindestens drei Nächten in der Woche kaum einschlafen oder durchschlafen kann, braucht er nach Ansicht von SchlafforscherInnen Hilfe. «Entscheidend ist, ob es am nächsten Tag zu Beeinträchtigungen kommt, zum Beispiel bei Aufmerksamkeit, Konzentration und Gedächtnisleistung», sagt Weeß. «Deutliche Anzeichen für Übermüdung sind auch Gereiztheit, Kopfschmerzen und Magen-Darm-Probleme.» Nach Studien der DGSM leiden in Deutschland sechs Prozent der Bevölkerung an chronischen Schlafstörungen – das sind rund 4,8 Millionen Menschen.

    Für Forscher geben bei jedem Menschen die Gene vor, wie viel Zeit er im Bett verbringt. Für die meisten Menschen liege das zwischen sechs und acht Stunden. Einige brauchen aber noch mehr, andere weniger Schlaf. Freiwillige Frühaufsteher und überzeugte Nachteulen folgen ihrer inneren Uhr. «Solche Anlagen können wir uns nicht abtrainieren», berichtet Wissenschaftler Weeß. Der individuelle Biorhythmus lasse sich nicht austricksen. Ein erzwungenes Leben gegen die innere Uhr münde meist in Erschöpfung. Und ein Mittagsschlaf helfe nur, wenn er nicht länger als 15 bis 20 Minuten dauere.

    Auch SchülerInnen müssen in Deutschland meist sehr früh aufstehen, oftmals gegen den eigenen Biorhythmus. In Umfragen sprechen sich allerdings zwei Drittel der Eltern gegen einen späteren Schulbeginn aus, weil sie in ihren Berufen keine flexiblen Arbeitszeiten haben. «Daran sehen wir, dass das ein gesamtgesellschaftliches Problem ist», sagt Weeß. «Dabei brauchen wir alle mehr Schlaf. Wir müssen die Arbeitswelt anpassen.» Im Moment passiere aber eher das Gegenteil. Statt flexibler Acht-Stunden-Tage dehne sich die Arbeitszeit durch Internet und mobile Medien immer weiter aus. «Wir sind bald eine 24-Stunden-Non-Stop-Gesellschaft», kritisiert Weeß. «Es ist die Frage, ob Supermärkte oder Fitnessstudios rund um die Uhr offen sein müssen.» Es gebe laut Studien pro Jahr rund 200.000 Fehltage auf Grund von Schlafstörungen.

    «Das heißt, jedes Jahr gehen der deutschen Wirtschaft 60 Milliarden Euro durch die Übermüdung ihrer Mitarbeiter verloren.»

    Rund 80 verschiedene Schlafstörungen sind bekannt. So können Apnoen erhöhten Blutdruck, erhöhte Neigung zum Schlaganfall, Herzrhythmusstörungen und den plötzlichen Herztod begünstigen, weil sie Schäden an Gefäßen verursachen. Der kleine Unterschied: Frauen schlafen länger als Männer. Allerdings gelten sie durch hormonelle Schwankungen, Schwangerschaften und Menopause im Lauf ihres Lebens als anfälliger für Schlafstörungen. Eine große Rolle spielt die Psyche. «Frauen haben dünnere Grenzen», sagt Weeß. «Sie lassen Probleme dichter an sich heran und nehmen sie leichter mit ins Bett.» Anspannung aber gilt als Hauptfeind des Schlafs.

    Quelle: dpa, 15.6.2018 DHZ

    Rubrik: Politik & Gesellschaft

    Erscheinungsdatum: 21.06.2018