Wehen in der Schwangerschaft

Selten bedrohlich

Bei allen Schwangeren zieht sich die Gebärmutter immer wieder zusammen. Das ist meistens schmerzfrei, aber manchmal eben doch beunruhigend für die Frauen und ihre Hebammen. Welche Wehen lösen eine Frühgeburt aus? Bei welchen kann die Hebamme eine gesunde Schwangere einfach beruhigen? Mirjam Peters
  • Die Wehentätigkeit nimmt physiologisch zwischen der 25. und 40. Schwangerschaftswoche zu. Eine besonders hohe Wehenbereitschaft ist zwischen der 30. und 33. Woche zu beobachten.

  • Die Gebärmutter kontrahiert sich während des gesamten Lebens. Intensität, Frequenz und Rhythmus der Kontraktionen sind abhängig von der Geschlechtsreife und dem Zyklus der Frau. Auch in der Schwangerschaft ist der Uterus nur selten völlig still. Seine glatte Muskulatur ist zur autonomen Erregungsbildung und damit zur selbstständigen Auslösung von Wehen fähig. Aufgrund ihrer unterschiedlichen Wirkung wird in der Schwangerschaft zwischen koordinierten und unkoordinierten Wehen unterschieden.

    Unkoordinierte Wehen sind kurz und unregelmäßig. Sie breiten sich nicht über den gesamten Uterus aus, sondern treten lediglich lokal an verschiedenen Stellen auf. Im Tokogramm können sie ab der 20. Schwangerschaftswoche beobachtet werden und zeichnen sie sich durch ihr wellenförmiges Aussehen aus. Sie treten in kurzen Abständen unter einer Minute auf. Daher werden sie auch Alvarez-Wellen oder Schwangerschaftswehen genannt. Sie fördern die Blutzirkulation im intervillösen Raum und unterstützen die Hypertrophie des Myometriums.

    Dagegen hat bei den koordinierten Wehen die Erregungsausbreitung eine Richtung. Zervixwirksame koordinierte Wehen beginnen häufig in den Tubenwinkeln, setzen sich über den Fundus und den mittleren Uterusabschnitt fort und breiten sich bis zur Zervix aus (dreifach absteigender Gradient nach Caldeyro-Barcia). Koordinierte Wehen treten vermehrt und intensiver mit dem Fortschreiten der Schwangerschaft auf und werden dann auch als Vorwehen oder Senkwehen bezeichnet. Die Vorwehen führen definitionsgemäß zu einer Erweiterung und Erweichung der Zervix. Als Senkwehen werden jene Wehen bezeichnet, die häufig etwa vier Wochen vor dem Geburtstermin auftreten, ein Absenken des Fundus und ein Tiefertreten des vorangehenden Teils des Kindes bewirken.

    Davon abgegrenzt werden sogenannte frustrane Wehen, die häufig auch als Braxton-Hicks-Kontraktionen, wilde Wehen oder unnütze Wehen bezeichnet werden. Sie sind zwar koordinierte Wehen, treten jedoch nur lokal auf und erreichen eine eher geringe Stärke. Sie werden zum Teil auch als „Übungswehen“ zum Muskelaufbau gesehen.

    Wehen können in der Schwangerschaft physiologisch über einige Stunden regelmäßig und in größeren Abständen auftreten. Die Wahrnehmung der Schwangeren reicht von keinem Empfinden bis zu intensiveren Schmerzen. Die verschiedenen Definitionen und Abgrenzungen werden in der Praxis häufig vermischt oder auch unterschiedlich gebraucht. Dies zeigt, wie schwierig die Bestimmung der Wehen und ihrer Wirkung in der Schwangerschaft ist (siehe Abbildung 1).

    Die Wehentätigkeit nimmt physiologisch zwischen der 25. und 40. Schwangerschaftswoche zu, dabei ist eine besonders hohe Wehenbereitschaft zwischen der 30. und 33. Woche zu beobachten. Ab der 34. Schwangerschaftswoche ist eine signifikante Abnahme der Alvarez-Wellen zu beobachten, der Anteil an Inaktivitätsphasen und koordinierten Kontraktionen nimmt hingegen zu (siehe Abbildung 2). Dies wird als eine Verschiebung von unkoordinierter zu koordinierter Uterustätigkeit gedeutet. Unter Beta-2-Sympathomimetika (Fenoterol) konnte beobachtet werden, dass die koordinierte Tätigkeit abnimmt und unkoordinierte Wehentätigkeit ansteigt. Es wird vermutet, dass hierin der Mechanismus der Wehenhemmung bei diesem Tokolytikum begründet liegt (Warkentin 1977).

     

     

    Zeitlicher Anteil in Prozent der Inaktivitätsphasen, Kontraktionen und Alvarez-Wellen in den letzten sechs Wochen vor Geburtsbeginn (schematische Darstellung nach Warkentin 1977)

     

     

    Vorzeitige Wehen

     

    Es gibt keine eindeutige wissenschaftliche Definition für vorzeitige Wehen, die auf Evidenz basiert. Häufig werden sie als Wehen bezeichnet, die zu einer Verkürzung und Eröffnung der Zervix oder zu einer Frühgeburt führen. Auch hier wird unterschieden zwischen unkoordinierten Wehen, die die Frauen fühlen können und die auch vom CTG aufgeschrieben werden, jedoch nicht zu einer Eröffnung der Zervix führen, und koordinierten Wehen, die die Zervix eröffnen. Versuche mittels externer Druckmessung an verschiedenen Punkten, koordinierte von unkoordinierten Wehen zu unterscheiden, hatten bisher keinen Erfolg. Vorzeitige Wehen sind also lediglich als Symptom für eine mögliche Frühgeburt relevant (Beinder & Vetter 2007; Wolff 2004).

    Frühgeburten gelten als die wichtigste Ursache für perinatale Mortalität und Morbidität. Etwa acht Prozent der Schwangerschaften enden in westeuropäischen Ländern in einer Frühgeburt. Dabei kommen 1,4 Prozent der Kinder mit weniger als 1.500 Gramm und drei Prozent der Kinder mit weniger als 2.000 Gramm auf die Welt (Wolff 2004). Bei 29 Prozent der Frühgeburten bei Einlingsschwangerschaften und 41 Prozent bei Mehrlingsschwangerschaften traten zuvor vorzeitige Wehen als Symptome auf.

    Ungefähr zehn Prozent der Schwangeren werden wegen vorzeitigen Wehen behandelt, sechs Prozent davon mit oraler Tokolyse und vier Prozent mit intravenöser Tokolyse. Nur knapp 50 bis 60 Prozent dieser Frauen werden ihr Kind zu früh gebären und nur ungefähr 33 Prozent vor der 34. Schwangerschaftswoche. Die restlichen Frauen würden auch ohne Therapie eine termingerechte Geburt erleben. Das heißt bei nur etwa der Hälfte der Schwangeren mit Symptomen ist eine Therapie notwendig. Jedoch ist es problematisch, jene Schwangeren, die von einer Therapie profitieren, von denen zu unterscheiden, die keine benötigen (Beinder & Vetter 2007).

     

    Ursachen und Risikofaktoren

     

    Die genaue Pathophysiologie vorzeitiger Wehen ist unklar. Es wird von einem multifaktoriellen Geschehen ausgegangen. Dabei scheinen sowohl fetale, mütterliche als auch sozioökonomische Ursachen eine Rolle zu spielen.

    • fetale Ursachen: zum Beispiel Mehrlinge oder Polyhydramnion (Überdehnung des Myometriums)
    • maternale Ursachen: zum Beispiel Uterusfehlbildungen, Infektionen (aszendierend oder systemisch)
    • sozioökonomische Ursachen: zum Beispiel vermehrter Stress.

    Als Risikofaktoren ohne zwingenden kausalen Zusammenhang für vorzeigte Wehen und Frühgeburten konnten afrikanische Abstammung, Oligohydramnion, vorangegangene Frühgeburten, Diabetes, Präeklampsie, Bluthochdruck, Asthma, vorangegangene Zervixoperationen, ein retroplazentares Hämatom, Blutungen und Depressionen festgestellt werden. Eine hohe Arbeitsbelastung an sich scheint dabei nicht mit einem höheren Risiko einherzugehen, sondern lediglich wenn sie als stressig erlebt wird oder mit einer hohen körperlichen Belastung einhergeht (Goldenberg et al. 2008; Iams et al.1994).

    Vorzeitige Wehen führen umso häufiger zu einer Fehlgeburt, je früher sie in der Schwangerschaft auftreten, je früher die Zervix verkürzt ist und je höher ihre Frequenz ist. In einer Studie des Gynäkologen Dr. Jay D. Iams vom Ohio State University Wexner Medical Center und KollegInnen war bei einer Kontraktionsrate von mehr als vier Wehen pro Stunde am Abend in der 22. bis 28. Schwangerschaftswoche das Risiko einer Frühgeburt um das Dreifache erhöht. Traten mehr als sechs Wehen pro Stunde auf, hatten 75 Prozent der Frauen innerhalb der nächsten sechs Tage eine Frühgeburt. Allerdings variiert die Frequenz der Wehen unter den Frauen erheblich (Iams et al. 2002). In prospektiven Studien konnten keine Symptome oder Hinweise auf eine Frühgeburt festgestellt werden, bis zu dem Tag, an dem die vorzeitigen Wehen mit Frühgeburtsbestrebungen auftraten (Iams et al. 1994).

     

    Prävention und Screening

     

    Weder ein routinemäßiges CTG, noch eine routinemäßige vaginal-digitale Beurteilung der Zervix, noch eine routinemäßige transvaginale Ultraschalluntersuchung der Zervix konnten in Studien die Frühgeburtenrate senken. Aufgrund steigender Interventionen durch falsch positive Diagnosen und mögliche Nebenwirkungen sollten diese Verfahren daher nicht routinemäßig stattfinden.

    Auch für andere sekundärpräventive Maßnahmen wie eine intensivierte Schwangerenvorsorge, Doppleruntersuchungen der A. Uterina, biochemische Profile, Monitoring der Uteruskontraktionen zu Hause sowie die Verwendung von Risiko-Scores oder pH-Wert-Messung konnte bisher als Screening kein Nutzen gezeigt werden. Auch Interventionen wie Infektionsscreenings mit antibiotischen Therapien oder Progesteron-Gaben zeigten bisher keine Erfolge. Manche dieser Maßnahmen können in Einzelfällen oder im Risikokollektiv sinnvoll sein (Beinder & Vetter 2007; Herbst & Nilsson 2006).

    Der Verdacht auf Frühgeburtsbestrebungen wird anhand der Symptome gestellt, die die Schwangere beschreibt. Subjektiv als schmerzhaft verspürte Wehen, die häufiger als fünf Mal in einer Stunde oder drei Mal in einer halben Stunde auftreten und länger als 30 Sekunden andauern, benötigen eine weitere Abklärung. Für Mehrlingsschwangere gelten dabei höhere Werte. Die Wehen werden von den Frauen häufig ganz unterschiedlich empfunden, so dass manche sich auch mit Rückenschmerzen, Krämpfen, hartem Bauch, Druck nach unten, starkem veränderlichem Ausfluss, Durchfall, Ziehen im Unterleib oder häufigem Wasserlassen melden.

    Möglicherweise ist es prophylaktisch hilfreich, die Lebensumstände der Frauen in stressvollen Situationen zu stabilisieren. Durch Information sollten Ängste und Unsicherheit abgebaut werden. Als sekundärpräventive Maßnahme gilt die Aufklärung und Information über physiologische und mögliche pathologische Veränderungen in der Schwangerenvorsorge (Beinder & Vetter 2007).

     

    Diagnose aufgrund von Symptomen

     

    Eine Diagnostik zur Frühgeburtlichkeit und zu vorzeitigen Wehen wird ausschließlich auf Grund von Symptombeschreibungen der Frau oder in besonderen Fällen wie wiederholten Frühgeburten durchgeführt. Eine externe Tokografie über einen Druckmesser zeigt das Verhältnis der Kontraktionen zur fetalen Herzfrequenz, sowie die Kontraktionsfrequenz und die Form der Kontraktionen. Es ist jedoch keine Aussage über die Amplitude und den Basaltonus der Kontraktionen möglich, da dies von der Dicke der Bauchdecke und weiteren Faktoren abhängt (Iams et al. 1994, 2002). Inwieweit es sinnvoll ist, die Wehenhäufigkeit über den Symptombericht der Frau hinaus zu beurteilen, ist unklar.

    Der Verdacht auf Frühgeburtsbestrebungen wird anhand einer transvaginalen Messung der Zervixlänge oder Zervixöffnung gestellt. Eine Zervix von über 30 Millimetern geht mit einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit für eine Frühgeburt einher. Bei einer Zervixlänge von unter 20 Millimetern gilt das Risiko als deutlich erhöht. In der Praxis werden verschiedene Grenzwerte von < 30, < 25, < 20 oder < 15 Millimetern benutzt, um das Risiko abzuschätzen. Von einer digitalen Untersuchung der Zervix ist auch hier abzusehen. Eine palpatorische Untersuchung ist ungenauer als ein transvaginaler Ultraschall und sollte daher immer zusätzlich durch einen Ultraschall abgeklärt werden. Somit führt eine palpatorische Untersuchung zu unnötigen Doppeluntersuchungen und geht mit einer möglichen Keimverschleppung sowie einer manuellen Reizung der Zervix einher (Beinder & Vetter 2007; Alexander et al. 2010; Berghella 2013).

    Der Nutzen eines über die Zervixbeurteilung hinausgehenden Fibronektin-Tests ist umstritten. Dieser Test weist einen geringen positiven Vorhersagewert auf, aber einen hohen negativen Vorhersagewert für Frühgeburtlichkeit. Der fehlende Nachweis von Fibronektin (negatives Testergebnis) spricht daher mit hoher Wahrscheinlichkeit für ein geringes Frühgeburtsrisiko (Berghella et al. 2008).

     

    Therapie und Hebammenarbeit

     

    Vor der 23+6 Schwangerschaftswoche und nach der 33+6 Schwangerschaftswoche findet auf Grund der Risiko-Nutzen-Abwägung keine Therapie der Frühgeburtlichkeit statt. Liegen eine vorzeitige regelmäßige Wehentätigkeit und eine fortschreitende Verkürzung der Zervix, kein negativer Fibronektin-Test und keine Kontraindikationen zur Tokolyse vor, sollte eine Tokolyse gegeben werden. Diese wird für 48 Stunden verabreicht, um eine Lungenreifeinduktion mit Betamethason durchführen zu können und die Schwangere gegebenenfalls in ein Perinatalzentrum zu verlegen. Der Haupteffekt der Tokolyse liegt in einer Verlängerung der Schwangerschaft um zwei bis sieben Tage gegenüber einem Placebo. Ein eindeutiges First-Line-Tokolytikum wird derzeit in Deutschland nicht definiert. Von einer Dauertokolyse ist auf Grund der Nebenwirkungen für die Frau und des fehlenden Effekts abzusehen (Beinder & Vetter 2007).

    Aufgrund eines fehlenden Nutzens sollten folgende Interventionen nicht durchgeführt werden: Dauertokolyse, prophylaktische Antibiotikagabe bei erhaltener Fruchtblase, absolute Bettruhe und Hospitalisierung, Sedierung, Hydration oder die Gabe von Gestagenen. Der Nutzen von Magnesium bei vorzeitigen Wehen ist noch unklar.

    In der Vorsorge sollten Hebammen die Frauen über physiologische und pathophysiologische Wehentätigkeit in der Schwangerschaft informieren (siehe Abbildung 3). Sie sollten den Schwangeren in stressvollen Lebenssituationen unbedingt Hilfe zur prophylaktischen Stabilisierung anbieten, beispielweise indem sie eine Sozialberatungsstelle vermitteln. Ebenso sollten die betroffenen Schwangeren eine übermäßige körperliche Belastung oder eine als stressvoll empfundene Arbeitstätigkeit vermeiden.

    Meldet sich eine Frau mit regel­mäßiger Wehentätigkeit, sollten folgende Fragen gestellt werden:

    • Wie häufig und schmerzhaft sind die Wehen?
    • Gibt es einen konkreten Anlass, eine besonders stressvolle Situation?
    • Gibt es anamnestische Risiken wie vorherige Frühgeburten?

    Liegt die Häufigkeit über drei Wehen in 30 Minuten oder sechs Wehen in einer Stunde, sollte eine weitere Abklärung anhand eines transvaginalen Ultraschalls erfolgen. Liegt die Wehentätigkeit unter dieser Grenze, kann dies trotzdem ein Hinweis für eine Belastungssituation sein. Und die Frage, was der Schwangeren gut tut, könnte im Zentrum der Beratung stehen.

    Rubrik: Ausgabe 05/2016

    Erscheinungsdatum: 30.12.2020

    Literatur

    Alexander S, Boulvain M, Ceysens G, Haelterman E, Zhang WH: Repeat digital cervical assessment in pregnancy for identifying women at risk of preterm labour. Cochrane Database of Systematic Reviews 2010, Issue 6. Art. No.: CD005940. DOI: 10.1002/14651858.CD005940.pub2

    Beinder E, Vetter K: Tokolyse bei vorzeitiger Wehentätigkeit. Der Gynäkologe. Gynäkologe 2007. 40 (4), 279–289

    Berghella V, Hayes E, Visintine J, Baxter JK: Fetal fibronectin testing for reducing the risk of preterm birth. Cochrane Database of Systematic Reviews 2008, Issue 4. Art. No.: CD006843. DOI: 10.1002/14651858.CD006843.pub2

    Berghella V, Baxter JK, Hendrix NW: Cervical assessment by ultrasound for preventing preterm delivery. Cochrane Database of Systematic Reviews 2013, Issue 1. Art. No.: CD007235. DOI: 10.1002/14651858.CD007235.pub3

    Goldenberg RL, Culhane JF, Iams JD, Romero R: Epidemiology and causes of preterm birth. The Lancet 2008. 371 (9606), S. 75–84. DOI:...

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