Sekundärdatenanalyse aus Großbritannien

Psychische Erkrankungen – mehr geburtshilfliche Interventionen?

  • Einer britischen Studie zufolge erleben Frauen mit schweren Depressionen seltener eine Spontangeburt ohne Interventionen.

  • Schwere psychische Erkrankungen können den Prozess des Gebärens beeinflussen. Dabei ist unklar, wie sich schwere psychische Erkrankungen wie beispielsweise eine Schizophrenie oder bipolare Störung auf Einsatz oder Verzicht geburtshilflicher Interventionen auswirken. Durchgeführt wurde hierzu eine Sekundärdatenanalyse in England.

    Evaluiert wurden Daten der CRIS-Plattform (Clinical Record Interactive Search), die sowohl Daten des Gesundheitssystems (National Health Service) als auch geburtshilfliche Daten enthält. Berücksichtigt wurde der Zeitraum zwischen Januar 2007 und April 2013.

    Frauen der Studiengruppe hatten die Diagnose einer schweren psychischen Erkrankung (beispielsweise Schizophrenie oder bipolare Störung) und befanden sich aufgrund dieser Erkrankung im Zeitraum von sechs Monaten vor bis sechs Wochen nach der Geburt in medizinischer Behandlung. Verglichen wurde die Anzahl an Spontangeburten ohne Interventionen zwischen der Studien- und der Kontrollgruppe. Dabei umfasste eine interventionsfreie Spontangeburt einen spontanen Wehenbeginn, eine spontane vaginale Geburt ohne Instrumente, den Verzicht auf einen Dammschnitt und das Vorliegen einer Indikation für eine Anästhesie vor oder nach der Geburt. Eine altersstandardisierte Berechnung wurde durchgeführt.

    Auswertet wurden die Daten von 70.942 Schwangerschaften von Frauen ohne schwere psychische Erkrankung und 584 Schwangerschaften von Frauen mit schwerer psychischer Erkrankung. Das durchschnittliche Alter der TeilnehmerInnen betrug 31,7 Jahre. Eine »interventionsfreie« Spontangeburt fand unter Frauen mit schweren psychischen Erkrankungen seltener statt. Die Wahrscheinlichkeit einer Geburt ohne Intervention war in der Gruppe der Frauen mit psychischen Erkrankungen geringer (29,5 %) im Vergleich zur Kontrollpopulation (36,8 %).

    Die Autor:innen schlussfolgern aus ihren Ergebnissen, dass Frauen mit schweren psychischen Erkrankungen seltener eine Spontangeburt ohne Interventionen als Frauen ohne schwere psychische Erkrankungen haben. Sie geben zu bedenken, dass Frauen mit schweren psychischen Erkrankungen ein Umdenken in der Geburtshilfe helfen könnte, indem ein Fokus darauf gelegt wird, wie ihre Outcomeparameter während Schwangerschaft und Geburt verbessert werden könnten.

    Quelle: Taylor, C., Stewart, R., Gibson, R., Pasupathy, D., Shetty, H. & Howard, L. (2022). Birth without intervention in women with severe mental illness: cohort study. BJPsych Open, 8, e50. https://doi.org/10.1192/bjo.2022.24 ∙ DHZ

    Rubrik: Geburt

    Erscheinungsdatum: 06.04.2022