Gesetzentwurf aus Prag

Tschechien will umstrittene Säuglingsheime schließen

  • Elternlose Säuglinge sollen in Tschechien künftig nicht mehr in Heimen, sondern in Pflegefamilien ein zu Hause finden.

  • Tschechien will als einer der letzten EU-Staaten seine umstrittenen Säuglingsheime bis 2024 schließen. Mit 99 Ja-Stimmen bei keinen Gegenstimmen votierte das Abgeordnetenhaus in Prag für einen entsprechenden Gesetzentwurf. Er geht nun zur weiteren Beratung in den Senat, die zweite Parlamentskammer.

    Vorgesehen ist, dass Kinder im Alter bis drei Jahren nicht mehr in Heimen, sondern ausschließlich bei Pflegefamilien untergebracht werden. »Für kleine Kinder sind die Heime schädlich«, sagte die Initiatorin, Olga Richterova von der liberalen Piratenpartei. Es handelt sich um verwaiste oder verlassene Kinder sowie Kinder, deren Eltern das Sorgerecht entzogen wurde.

    Zuletzt befanden sich noch mehr als 200 Säuglinge und Kleinkinder in tschechischen Heimeinrichtungen. Vor wenigen Monaten kritisierte der Europäische Ausschuss für Sozialrechte diese Praxis scharf. Tschechien verstoße damit gegen Artikel 17 der Europäischen Sozialcharta (ESC) von 1961, der das Recht von Kindern auf sozialen, gesetzlichen und wirtschaftlichen Schutz festschreibt.

    Besonders besorgt zeigte sich der Ausschuss über den Umgang mit beeinträchtigten Kindern und Angehörigen der Roma-Minderheit. Befürworter:innen der Säuglingsheime verweisen hingegen auf einen anhaltenden Mangel an Pflegefamilien. Ein Vorstoß, auch unverheiratete Paare als Pflegeeltern zuzulassen, fand im Parlament am Freitag keine Mehrheit.

    Quelle: dpa, 6.8.2021 ∙ DHZ

    Rubrik: 1. Lebensjahr

    Erscheinungsdatum: 06.08.2021