Klinischer Management-Algorithmus

Umgang mit möglicher Affenpocken-Infektion während der Schwangerschaft

  • Eine Infektion mit Affeenpocken während der Schwangerschaft geht mit einem hohen Risiko kongenitaler Infektionen, Fehlgeburten, mütterlicher Morbidität und Mortalität einher.

  • In der Fachzeitschrift The Lancet wurde im Juli 2022 ein klinischer Management-Algorithmus zum Umgang mit einer möglichen Affenpocken-Infektion schwangerer Frauen vorgestellt.

    Die Weltgesundheitsorganisation berichtete am 21. Mai 2022 von einem globalen Ausbruch der Affenpocken. Für schwangere Frauen geht eine Infektion mit einem hohen Risiko kongenitaler Infektionen, Fehlgeburten, mütterlicher Morbidität und Mortalität einher. So wurde zwischen den Jahren 2007 und 2011 von vier infizierten schwangeren Frauen im Kongo berichtet, von denen zwei Frauen eine spontane frühe Fehlgeburt und eine schwangere Frau eine Fehlgeburt in der 18. Schwangerschaftswoche erlitt. Das in der 18. Schwangerschaftswoche geborene Kind hatte einen generalisierten Ausschlag und Affenpocken-Viren konnten im fetalen Gewebe, der Plazenta und der Nabelschnur nachgewiesen werden: Eine vertikale Transmission der Affenpocken-Viren wurde somit nachgewiesen.

    Die Anwendung des klinischen Management-Algorithmus zum Umgang mit einer möglichen Affenpocken-Infektion während der Schwangerschaft wird allen schwangeren Frauen mit einer vermuteten Exposition mit dem Affenpocken-Virus empfohlen (Reise in ein Risikogebiet, enger Kontakt zu infizierten Personen oder exotischen Tieren). Es wird empfohlen, auch asymptomatische schwangere Frauen nach einer Exposition mit dem Affenpocken-Virus zu testen, um mögliche Ultraschalluntersuchungen und engmaschige Kontrolluntersuchungen des Kindes für den Fall einer Infektion frühzeitig veranlassen zu können.

    Bei der klinischen Untersuchung der Schwangeren sollten Haut, Vagina und orale Mukosa begutachtet werden: Liegen Lymphkontenschwellungen oder Hautausschlägen unklarer Genese im Genitalbereich oder der perianalen Region eine Affenpocken-Infektion vor? Hat die Schwangere Fieber über 38 Grad? Klagt sie über Kopfschmerzen? Bei asymptomatischen Frauen sollte ein PCR-Test anhand eines Nasenabstrichs, bei symptomatischen Frauen ein PCR-Test anhand eines Abstrichs aus einer Pocke durchgeführt werden.

    Nach einem positiven Befund erfolgt eine 21-tägige Isolation bei klinischer Selbstkontrolle. Bei nachgewiesener mütterlicher Affenpocken-Infektion sollten Ultraschalluntersuchungen beim Kind durchgeführt werden, um mögliche fetale Anomalien, eine Hepatomegalie oder einen Hydrops fetalis frühzeitig zu erkennen. Zudem kann eine Amniozentese erwogen werden oder die Höhe der Viruslast anhand einer Blutuntersuchung aus dem kindlichen Nabelschnurblut bestimmt werden, um ein differenziertes Behandlungsschema festzulegen.

    Nach einem positiven Befund bei symptomatischen Frauen wird eine Hospitalisierung empfohlen. Die WHO empfiehlt die Einteilung der Affenpocken anhand ihres Schweregrads in eine milde Verlaufsform (< 25 Hautläsionen), eine moderate Verlaufsform (25-99 Hautläsionen), eine schwere Verlaufsform (100-250 Hautläsionen) und eine gravierende Verlaufsform (> 250 Hautläsionen).

    Zur Behandlung einer mütterlichen Affenpocken-Infektion wird derzeit Tecovirimat empfohlen, da in Tierstudien keine embryotoxischen und teratogenen Effekte nachgewiesen werden konnten. Eine Orthopax-Impfung wird diskutiert und eine ergänzende antibiotische Therapie wird empfohlen, um eine bakterielle Superinfektion zu vermeiden.

    Es besteht ein hohes Risiko der Früh- oder Fehlgeburt, daher sollte eine Corticosteroid-Gabe zur Lungenreifebehandlung betroffener Kinder erfolgen. Der Geburtsmodus einer Sectio scheint keine Vorteile gegenüber einer vaginalen Geburt aufzuzeigen, außer bei vorliegenden mütterlichen Läsionen im Vaginalbereich. Die Viruslast kann anhand einer Blutentnahme aus der Nabelschnur oder Plazenta nach der Geburt bestimmt werden. Es wird empfohlen, ein Neugeborenes zeitnah nach der Geburt zu waschen und intensiv zu überwachen. Ein PCR-Test beim Neugeborenen sollte durchgeführt werden. Eine Isolation des Neugeborenen sollte vermieden werden.  

    Weitere aktuelle Informationen zum Ausbruchsgeschehen 2022 des Affenpocken-Virus finden Sie unter >https://www.who.int/ emergencies/disease-outbreak-news/item/2022-DON385

    Quelle: Dashraath, P., Nielsen-Saines, K., Mattar, C., Musso, D., Tambyah, P. & Baud, D. 2022. Guidelines for pregnant individuals with monkeypox virus exposure. The Lancet, 400, 21-22.  doi: https://doi.org/10.1016/ S0140-6736(22)01063-7 ∙ DHZ

    Rubrik: Medizin & Wissenschaft

    Erscheinungsdatum: 12.07.2022