Videogestützte Betreuung in der Latenzphase?

Frauen, die die Latenzphase zu Hause verbringen, müssen mit der beginnenden Wehentätigkeit und auch möglichen Unsicherheiten einen Umgang finden – eine videogestützte Hebammenbegleitung könnte dabei hilfreich sein.
Gebärende erhalten häufig die Empfehlung, die Latenzphase zu Hause zu verbringen. Diese Phase umfasst die sensible Geburtsphase, in der sich der Muttermund beginnt zu öffnen, die Zervix verkürzt und die Wehentätigkeit häufig noch unregelmäßig und unkoordiniert ist. Die Latenzphase wird in verschiedenen Publikationen bis zu einer Muttermundsweite von 4 bis 5 cm definiert.
Frauen, die die Empfehlung erhalten, die Latenzphase zu Hause zu verbringen, werden mit der Herausforderung konfrontiert, mit der beginnenden Wehentätigkeit und auch möglichen Unsicherheiten einen Umgang zu finden. Diese können vielschichtig sein und sowohl in Zusammenhang mit Wehenschmerzen als auch mit Geburtsängsten stehen.
Videogestützte Betreuung sinnvoll?
Das Ziel einer qualitativen Studie bestand darin, die Einschätzung von Hebammen zum Einsatz einer videogestützten Betreuung während der Latenzphase zu erforschen. Die Studie wurde zwischen Oktober 2021 und Januar 2022 als Multicenterstudie unter 36 Hebammen durchgeführt, von denen 17 Hebammen in Großbritannien und 19 in Italien arbeiteten. Durchgeführt wurden sieben virtuelle Fokusgruppengespräche in Großbritannien (n=4) und Italien (n=3).
Drei zentrale Themen kamen zum Ausdruck:
- Wer, wo, wann und wie: Zentrale Aspekte für eine effektive videogestützte Betreuung während der Latenzphase
- Inhalt des Video-Calls und Erwartungen
- Hürden die es zu überwinden gilt.
Effektivität, Sicherheit, Betreuungsqualität
Die befragten Hebammen beurteilten das Konzept einer videogestützten Betreuung während der Latenzphase als positiv und trugen detaillierte Aspekte zur Verbesserung der Effektivität, Sicherheit und Betreuungsqualität bei. Diese umfassen beispielsweise, dass die durchführende Hebamme der videogestützten Betreuung im besten Fall beim Fortschreiten der Geburt auch die weitere Betreuung im Kreißsaal übernimmt.
Die britischen Hebammen benannten die Herausforderung, dass auch mehrere Anfragen bei der videogestützten Betreuung gleichzeitig eingehen können. Dafür solle ein Team bereitstehen, damit diese auch zeitgleich beantwortet werden können, um lange Wartezeiten für die Gebärenden zu vermeiden. Im besten Fall solle eine Hebamme einzig die Aufgabe der videogestützten Betreuung übernehmen und nicht durch andere Aufgaben abgelenkt werden.
Kompetenzen erwerben
Die Autor:innen empfehlen Hebammen und Mitarbeiter:innen im Gesundheitswesen Anleitung, Unterstützung und Training, um darüber die Kompetenzen für eine videogestützte Betreuung während der Latenzphase zu erwerben. Die videogestützte Betreuung solle sicher sein und auf die individuellen Bedürfnisse der gebärenden Frau eingehen. Weitere Forschung solle durchgeführt werden, die verschiedenen Aspekte mit Einfluss auf die videogestützte Betreuung während der Latenzphase weiter zu erforschen.
Quelle: Borrelli, S., Fumagalli, S., Colciago, E., Downey, J., Spiby, H., & Nespoli, A. (2023). How should a video-call service for early labour be provided? A qualitative study of midwives' perspectives in the United Kingdom and Italy. Women and birth : journal of the Australian College of Midwives, S1871-5192(23)00098-7. Advance online publication. https://doi.org/10.1016/j.wombi.2023.06.006 ∙ Beate Ramsayer/DHZ