Randomisierte klinische Studie aus den USA

Welche Screeningmethode ist sinnvoll?

  • Der orale Glukosetoleranztest (oGTT) hat in einer randomisierten Studie zwar die Zahl der Diagnosen eines Gestationsdiabetes erhöht, die Häufigkeit der perinatalen und maternalen Komplikationen jedoch nicht senken können.

  • Das Screening auf einen Gestationsdiabetes wird als notwendig betrachtet, da ein erhöhter Blutzucker in der Schwangerschaft die Gesundheit von Mutter und Kind gefährdet. Die Schwangeren haben laut einer gemeinsamen Leitlinie der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und der Deutschen Gesellschaft für Gynä­kologie und Geburtshilfe (DGGG) ein erhöhtes Risiko auf hypertensive Erkrankungen, Infektionen, Frühgeburt, Sectio, Geburtsverletzungen, postpartale Blutungen und Depressionen. Die Kinder sind infolge des vermehrten intrauterinen Wachstums durch Geburtskomplikationen gefährdet sowie durch eine diabetische Fetopathie mit Hypoglykämien, Atemstörungen, Polyglobulie, Hypokalzämie, Hypomagnesiämie und Hyperbilirubinämie.

    Wie das Sceening aussehen soll, ist umstritten. GynäkologInnen bevorzugen einen 50-g-Suchtest, der in Deutschland laut Mutterschaftsrichtlinien in der 24. bis 27. Gestationswoche angeboten werden muss. Der Test ist praktikabel, da die Schwangeren nicht nüchtern sein müssen und die Untersuchung nach einer Stunde abgeschlossen ist. Bei einem positiven Ergebnis, einem Blutglukosewert von 135 mg/dl oder mehr nach einer Stunde, wird an einem zweiten Termin ein dreistündiger 75-g-oraler-Glukosetoleranztest (oGTT) durchgeführt.

    Die DiabetologInnen befürchten, dass dieses Vorgehen in zwei Schritten viele Erkrankungen übersieht. Sie hielten es für günstiger, gleich beim ersten Termin einen auf zwei Stunden verkürzten oGTT durchzu­führen, für den die Schwangere jedoch nüchtern sein muss und der mit mehreren Blutabnahmen verbunden ist.

    Die Forderung der DiabetologInnen wurde durch die Ergebnisse der HAPO-Studie (»Hyperglycemia and Adverse Pregnancy Outcomes«) gestützt, die im Jahr 2008 einen linearen Zusammenhang zwischen den Ergebnissen eines zweistündigen oGTT mit Nachteilen für das Neugeborene (Makrosomie, Kaiserschnitt­entbindung und neonatale Hypoglykämie) aufgezeigt hatte. Die International Association of the Diabetes and Pregnancy Study Groups (IADPSG) hat sich deshalb für das ein-Schritt-Screening mit sofortigem oGTT ausgesprochen.

    Die »ScreenR2GDM«-Studie hat jetzt die beiden Screening-Strategien miteinander verglichen. Insgesamt 23.792 Mitglieder eines US-Krankenversicherers wurden auf ein Ein-Schritt- oder Zwei-Schritt-Screening randomisiert. Die primären Endpunkte waren die Diagnose eines Schwangerschaftsdiabetes und  verschiedene Folgen des Gestationsdiabetes für Mutter und Kind. Wie erwartet, führte das Ein-Schritt-Screening zu einem deutlichen Anstieg der Diabetesdiagnosen auf 16,5 % gegenüber 8,5 % nach dem Zwei-Schritt-Screening. Trotz der häufigeren Diagnoserate und den damit verbundenen Therapien gab es jedoch keine Unterschiede bei den klinischen Endpunkten zur Gesundheit von Mutter und Kind. Zur Makrosomie kam es bei 8,9 % und 9,2 % der Kinder nach Ein-Schritt beziehungsweise Zwei-Schritt-Screening.

    Zu perinatalen Komplikationen wie Totgeburt, neonataler Tod, Schulterdystokie, Knochenbruch oder Parese von Arm oder Hand infolge einer Geburtsverletzung kam es bei 3,1 % und 3,0 %. Eine Schwangerschaftshypertonie oder Präeklampsie traten bei 13,6 % und 13,5 % der Frauen auf. Ein Kaiserschnitt wurde bei 24,0 % und 24,6 % durchgeführt.

    Die häufigere Diabetesdiagnose hatte damit keine Vorteile für Mutter und Kind. Sie könnte sogar die Diagnose erschweren, weil die Compliance beim Ein-Schritt-Screening schlechter war. Nur 66 % der Frauen nahmen an der Untersuchung teil, vor der sie nicht essen durften und die mehrere Blutentnahmen erforderlich macht und etwas mehr Geduld erfordert. Am Zwei-Schritt-Screening beteiligten sich dagegen 92 % der Schwangeren.

    Quelle: Hiller TA et al.: A Pragmatic, Randomized Clinical Trial of Gestational Diabetes Screening. The New England Journal of Medicine 2021. Doi: 10.1056/NEJMoa2026028 ∙ aerzteblatt.de, 30.4.2021 ∙ DHZ

    Rubrik: Schwangerschaft

    Erscheinungsdatum: 04.05.2021