Rundruf

Manche Frauen verlieren im Geburtsverlauf den Bezug zu sich und geraten in Panik. Diese Frauen gelten im Kreißsaal dann häufig als »unkooperativ«. Wie gehen Sie mit solch einer Situation um?

Katharina Jeschke, freiberufliche Hebamme, CRM-Instruktorin, simparteam-Instruktorin, zertifizierte Kinder-Erste-Hilfe-Trainerin in Bremen

Im Kreißsaal arbeite ich im Rahmen von Notfalltrainings und sensibilisiere die teilnehmenden Kolleg:innen für eine emphatische Sprache.

Wenn ich in diesem Zusammenhang wahrnehme, dass Äußerungen von Panik und Angst von Kolleg:innen als »unkooperatives Verhalten« beurteilt werden, versuche ich, den Blick der Kolleg:innen auf diesen Interpretationsfehler zu lenken. Denn daraus entstehen ja auch Behandlungsfehler. Meine Notfalltrainings richten den Fokus auf die Auswirkungen von »Fehlinterpretationen«. Und dazu gehört es auch, wenn man Angst als unkooperatives Verhalten bewertet.

 


PD Dr. Holger Maul, Chefarzt der Frauenkliniken der Asklepios-Kliniken Hamburg

Ich versuche alles, um diese abwertende Terminologie aus den Köpfen zu kriegen. Gelungen ist es mir leider noch immer nicht vollständig. Mein Argument ist: Wenn eine Frau »unkooperativ« ist, dann wurde mit der Betreuung (ärztlich, hebammenseitig) offenbar mit dazu beigetragen, dass diese Situation so entstanden ist. Es kann einfach nicht angehen, dass man Frauen, die aufgrund der Ausnahmesituation, in der sie sich befinden, quasi »beschuldigt«, dass sie nicht bereit seien, »mitzumachen«. Wäre ich der Patient und würde als unkooperativ irgendwo in der Akte »beleidigt«, würde ich dagegen vorgehen.

 

 

Dr. Berthold Grüttner, Leitender Oberarzt der Geburtshilfe an der Frauenklinik der Uniklinik Köln

Für solche Situationen gibt es leider kein einfaches Patentrezept. Die in der Vergangenheit erlebten, teils sehr unterschiedlichen Traumata spielen meines Erachtens eine große Rolle. Das Wichtigste ist, eine Re-Traumatisierung durch einen erneut erlebten Kontrollverlust zu vermeiden. Das Ziel ist, wieder einen Zugang zur Gebärenden zu bekommen. Eine im Kreißsaal anwesende vertraute Bezugsperson kann dabei als eine Art Kommunikations­brücke Gold wert sein.

 


Dr. Babett Ramsauer, Leitende Oberärztin in der Geburtsmedizin im Vivantes Klinikum Berlin-Neukölln

Wir pflegen hier einen respektvollen Umgang mit den Frauen. Besonders sind unsere Hebammen, die ja die Hauptbetreuungsarbeit leisten, sehr geschult, auch mit solchen Ausnahmesituationen so umzugehen, so dass wir die Frau auch hier gut abholen können.

Rubrik: Immer in der DHZ | DHZ 03/2022

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