Kultursensible Geburtshilfe

Sister Ghana

Unwissenheit kann zu unsensiblem Verhalten, Unverständnis und unabsichtlichem Rassismus führen. Beispiele einer deutschen Hebamme zeigen, was es zu beachten gilt: Sie arbeitete seit 2011 wiederholt in einem kleinen Dorf in Ghana und hat dadurch auch viel für ihre Arbeit in Deutschland mitnehmen können. Sonja Liggett-Igelmund
  • Sonja Liggett- Igelmund und Hebamme Annie Darko arbeiten seit 2011 immer wieder zusammen.

Meiner ersten Reise nach Ghana habe ich voller Vorfreude entgegengeblickt. Ich wollte Frauen erleben, die ohne viel Technik intuitiv gebären und stillen, und Hebammen, die sich ebenso auf ihre Intuition verlassen. Ich musste feststellen, dass sich die Realität anders darstellt. Im Gegenzug kommen auch Schwangere aus Ghana mit ihren eigenen Vorstellungen in einen deutschen Kreißsaal. Einige erwarten zum Beispiel hochtechnisierte Geburtshilfe verbunden mit der Erwartung, dass diese besonders viel Sicherheit bringe.

 

Höflichkeit und Kommunikation

 

Manchmal beleidigt man Leute, ohne es zu ahnen. Eine ghanaische Person beleidige ich, indem ich ihr fröhlich mit der linken Hand winke. Oder noch schlimmer: Ich gebe etwas mit links, denn traditionell gilt die linke Hand als schmutzig. Es ist die Hand zum Po-Abputzen. Auf Englisch sagt man »Sugaring«, wenn Unangenehmes zumindest angenehm formuliert wird. Das tun die Menschen in Ghana auch. Bei meinen Aufenthalten lernte ich schnell, dass die Ghanaer:innen nicht nur Kritik »verbal zuckern«, sondern auch versuchen, sie komplett zu umgehen.

Die englische Sprache ist auch nach der Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich geblieben, obwohl die Muttersprache in Ghana immer eine lokale Sprache ist. In der Volta Region heißt diese Ewe. Es waren übrigens Deutsche Missionare, die den Ewe beigebracht haben, ihre Sprache zu verschriftlichen. Ewe wurde also in deutscher Lautschrift niedergeschrieben. Deshalb können Ewe deutsche Texte hervorragend vorlesen, aber nicht verstehen und umgekehrt. Wenn wir in Englisch kommunizieren, dann ist das für beide Seiten die Zweitsprache, allein das birgt viel Raum für Missverständnisse.

 

Körpersprache und Anrede

 

 

 

Filmvorführungen und Erzählcafés führen zu Austausch und Vernetzung (siehe Kasten).

Oftmals wird über Deutsche gesagt, dass sie in allem, was sie tun, effizient seien. Auch in der Sprache. Sie hätten keine Zeit, höflich zu sein. Die wenigsten deutschen Muttersprachler:innen denken beim Übersetzen ins Englische an die feinen versüßenden Untertöne und die Höflichkeitsformeln, die in vielen Kulturen üblich sind. Damit verfehlen wir den Mindeststandard an Höflichkeit um Kilometer. Ich habe einmal einen Kurs zu Reanimation eines Neugeborenen gegeben. An einer Puppe habe ich mit zwei Ghanaerinnen geübt. Da es um jede Sekunde geht, war eine absolut korrekte Durchführung wichtig. Also habe ich jeden falschen Handgriff sofort mit einem strengen »No« kommentiert. Die Herausforderung war, dass keine der beiden die Übung abbricht, weil sie die klare Formulierung von Fehlern so unhöflich finden. Also habe ich ständig Entschuldigungen für meine deutschen Lehrmethoden eingeflochten. Doch an ihrer Körpersprache konnte ich immer wieder erkennen, dass diese direkte Art der Korrektur für sie sehr unangenehm war.

Deutsche reagieren auf Gesagtes. Ghanaerinnen dagegen achten und reagieren auf Körpersprache an erster Stelle, dann erst auf Worte.

Beispielsweise konnte die ghanaische Hebamme Sarah Hegdabui, die mit mir im Kölner Kreißsaal gearbeitet hat, entschlüsseln, was eine Gebärende aus dem Niger dringend mitteilen wollte: Die Frau sprach keine Sprache, die wir verstanden, aber Sarah konnte an der Körpersprache verstehen, dass ihr Mann mit dem Geschwisterkind im Wartezimmer war und sie ihn jetzt dringend bei der Geburt dabeihaben wollte. Kaum betrat er den Raum, wurde das Kind geboren.

Auch die Ansprache ist wichtig. Ich habe von meinen ghanaischen Kolleginnen gelernt, dass es unhöflich ist, eine Frau mit dem blanken Vornamen anzusprechen. Es gehört immer ein höflicher Zusatz wie

 

In der kleinen Geburtsstation von Have in der Volta Region ist eine Schwangere zur Vorsorge gekommen. Die Hebammenschülerin misst den Symphysen-Fundus-Abstand.

Sister, Aunty, Mama oder Madam dazu. Der ghanaische Gebrauch von Sister und Brother ist locker und setzt überhaupt keine Verwandtschaft voraus. Dagegen kann es bei afroamerikanischen und afroeuropäischen Frauen als Anmaßung gelten, wenn eine Weiße sie als Sister bezeichnet. Wenn ich im Kreißsaal eine ghanaische Frau, die noch nicht lange in Deutschland ist, in einer Ausnahmesituation erreichen muss, sage ich laut und deutlich »Madam«, und dann sage ich, was ich zu sagen habe.

 

Zeitgefühl und Verabredungen

 

Wenn ich meine nächste Reise nach Ghana meinen Kolleginnen dort ankündige, dann mache ich das mit deutscher Gründlichkeit, lange vorher. Mit Datum und Uhrzeit. Jedes Mal verwirrt mich dann kurz vor der Reise eine Nachfrage wie: »When will I be expecting you?«

Ich möchte zurückschreiben, dass ich das ja schon vor Wochen genau geschrieben habe, aber solche Sätze kann ich mir sparen. Es scheint, Kalender existierten nicht – mit deutscher Brille betrachtet! Versuche ich durch eine ghanaische Brille zu schauen, dann kann ich zumindest erkennen, dass verlässliche Verabredungen in Ghana selten sind. Nicht weil Menschen besonders unzuverlässig wären, das wäre ein Vorurteil. Aber Geldmangel, Krankheit oder verkehrsbedingte Gründe sind nur Beispiele für Planungsunsicherheiten. Sugaring kann Verabredungen zusätzlich erschweren. »Kommst du morgen zur Schwangerenvorsorge?«, frage ich. Lautet die Antwort: »Maybe«, dann bedeutet das, dass die Schwangere nicht kommen wird. »Maybe« ist die ganz normale verneinende Antwort. Klingt nicht so harsch und endgültig wie das deutsche Nein, aber alle wissen Bescheid. Lautet die Antwort: „Let‹s hope and pray«, dann bin ich zumindest auf der Hut, von einem Nein kann ich aber trotzdem ausgehen. Die Höflichkeit verbietet in diesem Zusammenhang leider oft, die Gründe zu nennen. Wenn ich in Ghana bin, frage ich aber manchmal nach, ob es ein deutsches oder ein ghanaisches »Maybe« ist. Dann lachen alle, denn meine Kolleginnen dort kennen den Unterschied mittlerweile.

 

Essen schmackhaft machen

 

Fermentierten Maisbrei mit Fischsoße finden wir nicht auf dem Menüplan deutscher Krankenhäuser. So fremd uns in Deutschland dieses Essen wäre, so fremd ist mancher Migrantin oder Besucherin ein Vollkornbrot mit Wurst. Ob in Ghana oder in Deutschland: Gebratenes Hähnchen mit Reis ist der kleinste gemeinsame Nenner auf beiden Seiten, wenn es ums Essen geht. Habe ich Gäste aus Ghana und möchte ich sichergehen, dass sie satt werden, dann gibt es genauso Reis mit Hühnchen wie in Ghana für mich.

Im deutschen Krankenhaus überbrücken wir manchmal Mahlzeiten mit Zwieback oder Gemüsebrühe. Für Ghanaer:innen stelle man einfach eine Dose Milo aus dem Afrikaladen dazu. Das ist ein Pulver, das man in heißes Wasser einrührt, und man bekommt ein kakaoartiges Getränk. Dieses mit etwas Weißbrot ist das Frühstücksnationalgericht in Ghana. Eine Tasse Milo ist im Kreißsaal und auf der Wochenstation sicher ein Gewinn. Obwohl Ghana das Land der Kaffee- und Kakaobohnen ist, wird man solche als Getränk oder Süßigkeiten dort (noch) nicht bekommen.

 

Säuglingspflege in verschiedenen Klimazonen

 

In den Tropen ist es für Erwachsene üblich, zwei Mal am Tag zu duschen. Das Klima macht das erforderlich. Zudem wird regelmäßig fettige Kakao-und Sheabutter zum Eincremen genutzt, um so der Pilzbildung in der schwülen Regenzeit und dem Austrocknen (Reißen) der Haut in der Trockenzeit entgegenzuwirken . In dieser Jahreszeit kann die Luftfeuchtigkeit bei 0 % liegen.

Auch die Babys werden täglich gebadet und dick mit dieser Pomade eingecremt. Diese Art der Säuglingspflege bringen Migrantinnen natürlich mit. Es bedarf einer sehr sensiblen Gesprächsführung, um über den Unterschied zum gemäßigten deutschen Klima zu informieren. Ich erzähle dann gerne von den 1970er Jahren und dem damals üblichen übermäßigen Gebrauch von Seife, Shampoo, Ölen, Pudern und Cremes und dem damit verbundenen Anstieg von Allergien und anderen Hautproblemen. Ich erzähle, wie wir damals lernen mussten, dass wir mit zu vielen Pflegeprodukten den Säureschutzmantel der Haut zerstören, und heute wissen, dass bei unserem Klima einmal Baden in der Woche für Babys reicht und das sogar ohne Badezusatz und ohne anschließendes Eincremen.

 

Öffentliches Stillen

 

Eine Nigerianerin, die gerade in Köln ihr drittes Kind geboren hatte, wollte ihm sofort im Kreißsaal die Flasche geben. Obwohl sie ihre ersten zwei Kinder voll gestillt hatte und dieses Kind auch stillen wollte? Ich war verwirrt! Um sie zu überzeugen, dass das Kolostrum reiche, erzählte ich von den Bemühungen der WHO in Ghana, »exclusive breastfeeding« zu bewerben mit der Initiative Babyfriendly Hospital. Dazu zeigte ich ihr ein Video auf YouTube: »Notsi Nana«.

Sie selbst hielt aber das Flasche-Geben für modern. Die Hersteller von Babynahrung haben seit den 1970ern afrikaweit versucht, genau wie in Europa Formulanahrung populär zu machen. Leider mit Erfolg.

In Ghana kann sich zum Glück nicht jede Familie das Pulver leisten. Aber sobald das Geld dafür da ist oder wenn hier in Deutschland Formula verfügbar ist, möchten sie aber modern sein und die Flasche geben. Die Vorteile der Muttermilch überwiegen in Ghana genauso wie überall sonst, nur das hier noch die Gefahr hinzukommt, dass Wasser oder Milchpulver verunreinigt sein und zum Tod des Baby führen können.

Es gibt aber noch einen anderen Grund, der unter Migrantinnen das Flasche-Geben fördert. Sie wollen nicht auffallen! Genauso wie wir in Deutschland keine Afrikaner:innen sehen, die ihren Koffer oder ihre Einkaufstasche rückenschonend auf dem Kopf tragen, so werden wir keine Afrikanerin sehen, die öffentlich stillt.

Auf meine Nachfrage hin erfuhr ich, dass viele Afrikanerinnen tatsächlich annehmen, dass Weiße nicht stillen würden – einfach, weil sie es nie sehen. Nicht im Fernsehen und nicht im Alltag. Umso wichtiger ist es, dass wir hier endlich so öffentlich stillen wie die Ghanaerinnen zu Hause. Die Signalwirkung geht weit über die Landesgrenzen hinaus.

Mein Gesprächseinstieg in Deutschland zum Thema Zufüttern bei einer Frau, die nach der Flasche verlangt, ist die Frage an meine Gesprächspartnerin, ob sie schon mal eine Weiße hat stillen sehen.

 

Dokumentarfilme und Erzählcafés

 

Warum entscheidet sich eine Mutter in Afrika für eine Hausgeburt? Warum eine andere für die Klinik? Taucht mit dem Dokumentarfilm »among us women – በኛ በሴቶች መካከል« in die Welt der Äthiopischen TBAs und Hebammen ein.
Mitfühlend und feministisch erzählt der Dokumentarfilm von Sarah Noa Bozenhard und Daniel Abate Tilahun, wie die junge Huluager allen medizinischen Ratschlägen zum Trotz zu Hause gebären möchte. Zwischen Tradition und Moderne, patriarchalen Strukturen und der komplexen Kraft des weiblichen Zusammenhalts ringen die Frauen und Hebammen im Dorf Megendi mit ihrer Beziehung zu ihren Körpern, zueinander, und zu all jenen, die für sie entscheiden wollen.
Das Impact Team von Evolution Film organisiert weltweit Vorführungen mit Erzählcafés (> www.erzaehlcafe.net), bei dem sich das Publikum anschließend austauscht.
Im ländlichen Ghana entsteht derzeit in Zusammenarbeit mit Meeting Bismarck e.V. und dem Swiss Institute of Tropical and Global Health eine Kinotour, die konkrete Ursachen und Lösungsansätze zur Senkung der Müttersterblichkeit identifiziert und Akteur:innen vernetzt.
Mehr Infos zum Film und für eigene Vorführungen gibt es unter > www.amonguswomen.de oder mail@evolution-film.com.

 

 

Transport im deutschen Krankenwagen

 

Am Straßenrand stehen und in die Richtung winken, in die man fahren möchte, klappt im deutschen öffentlichen Nahverkehr nicht. In Ghana klappt das. Vorausgesetzt, ein Fahrzeug kommt vorbei. Wenn eine Ghanaerin in einer deutschen Geflüchtetenunterkunft wohnt und andere ihr sagen, dass ein Krankenwagen gerufen werde, wenn bei ihr die Wehen losgehen, dann glaubt sie das erstens und zweitens denkt sie, dass das normal ist. Oder? Wie genervt die Beschäftigten im deutschen Kreißsaal reagieren, wenn sie zum dritten Mal mit dem Krankenwagen gebracht wird, kann sie dann nicht verstehen. Schließlich hat man es ihr so erklärt und der deutsche Kreißsaal hat sie schon zweimal weggeschickt, weil es noch nicht so weit sei. Warum wurde sie schon zweimal weggeschickt?

 

Bildungsreise Ghana

 

Ab November 2024 bietet der Verein »Meeting Bismarck« zweimal im Jahr zehntägige Bildungsreisen nach Ghana an, bei denen Hebammen einen Einblick in die Geburtskultur bekommen können. Verschiedene Kreißsäle und eine Hebammenschule werden besucht. Um einen guten Einblick in die Kultur zu bekommen, besuchen sie kleine Dörfer und eine Schule, kochen ghanaisch, gehen auf den Markt einkaufen und besuchen eine Perlenfabrik.
Kontakt über Sonja Liggett-Igelmund: somaig@aol.com; www.meeting-bismarck.de

 

Dort ahnt leider keiner, dass die Frau, wie so viele Ghanaerinnen, schon in jungen Jahren Myome und schon oft im Leben eine Malariainfektion durchgemacht hat und einfach ein Wehenmittel braucht, um dann rasant ihr Kind zu bekommen. Myome können koordinierte Wehen erschweren und Malaria führt zu Eisenmangel. Würde jemand die Situation erkennen, dann könnte der Frau schnell geholfen werden und sie würde nicht ein viertes Mal vom Krankenwagen wiedergebracht. Das ist ein Beispiel, das ich in einem deutschen Kreißsaal leider erlebt habe. Eine bereits sehr geschwächte Frau wurde immer wieder weggeschickt. Niemand hat sich ein Herz genommen und sie eingeleitet. Nach der Geburt, zu der sie dann doch Wehenmittel bekommen hatte, konnte man ganz deutlich einen Uterus myomatosus tasten.

 

Schulung

 

Seminar »Kultursensible Begleitung unter der Geburt und im Wochenbett« von Marika Liebsch und Sonja Liggett-Igelmund: Mit Filmen, Fotos und vielen Beispielen – nicht nur aus Ghana – machen sie Kulturunterschiede erlebbar und üben den kultursensiblen Umgang im Hebammenalltag.
Kontakt & Infos: www.marikaliebsch.de; Marika.liebsch@netcologne.de

 

 

Internationale Rückenlage

 

 

Auf dem Weg vom Kreißsaal zum Wohnhaus

Ghana ist seit 1957 unabhängig und keine britische Kolonie mehr. Bis heute kann man an vielen Stellen noch das koloniale Erbe erahnen. Das Schulsystem ist beispielsweise nach englischem Modell eingeführt worden und bis heute unverändert. In England ist es an Schulen aber schon lange verboten, Kinder zu schlagen, in Ghana erst seit kurzem. Englische Geburtshilfe zur Kolonialzeit in den Krankenhäusern ist vergleichbar mit deutscher Geburtshilfe um die Jahrhundertwende. Die Geburt in Rückenlage wurde standardisiert und wir wissen alle, wie schwer es ist, aufrechte Gebärhaltungen in deutschen Krankenhäusern zu praktizieren. Genauso wie in Europa, wurde auch in Ghana damals die unnatürliche Rückenlage zur Geburt eingeführt und praktiziert – und das ist bis heute so geblieben.

Neulich ergab sich in Ghana eine lustige Situation: Ich nutze gerne Treffen mit Gesundheitschefs des Ghana Health Service, um über solche Altlasten zu sprechen und Werbung für natürliche Gebärpositionen

 

Bonding und das Tragen nah am Körper gehören eng zusammen.

zu machen. Absolut zu Recht entgegnete mir jemand: »Why do you people keep bringing us those beds then?« Gemeint sind ausrangierte Kreißbetten, die von Nichtregierungsorganisationen aus Europa oder Nordamerika nach Ghana gebracht werden. Zum Glück konnte ich auf diverse Gebärhocker verweisen, die ich in der Vergangenheit mitgebracht habe, und auf einen Workshop zu Gebärpositionen, den wir mit der Unterstützung der Fresenius-Stiftung in der Volta Region 2018 und 2019 für jeweils zwei Wochen veranstaltet haben. Im Rahmen des Workshops konnten sich sogar drei Hebammen für zwei Wochen in Köln Geburten ansehen.

Vielleicht wird langsam auch an ghanaischen Hebammenschulen über aufrechte Gebärhaltungen gelehrt, aber Tatsache ist, dass die Rückenlage noch als die richtige Gebärhaltung gilt. Auch in der Bevölkerung ist bekannt, dass eine Frau sich zur Geburt auf den Rücken legt.

Eine Gebärende, die erst seit kurzem in Deutschland ist und zur Geburt in den Kreißsaal kommt, wird vermutlich eine Geburt in Rückenlage erwarten. Hier ist eine Erklärung sicher hilfreich, wenn wir mit ihr die Positionen durchprobieren wollen.

 

Hausgeburten in Ghana

 

 

Traditionell in weiß gekleidete Wöchnerin mit ihrer Mutter: Sie machen sich am Tag nach der Geburt mit dem Neugeborenen auf dem Arm auf den Rückweg.

In Ghana gibt es auch Hausgeburten, betreut von traditionellen Hebammen. Die sogenannten Traditional Birth Attendants (TBAs) sind meist nicht medizinisch ausgebildet, haben aber beispielsweise den Beruf von der eigenen Mutter gelernt. Solche von TBAs betreuten Geburten finden oft in natürlichen Gebärpositionen statt. Leider wurden TBAs in Ghana verboten. Man möchte alle Frauen zur Geburt in die Klinik bringen. Da es aber Dörfer gibt, die zu weit weg von Krankenhäusern sind, praktizieren viele TBAs weiter und es gibt sicher viele Frauen, die nicht in eine Klinik möchten.

Ob in Ghana Hausgeburten sicher sind? Es gibt Geburten, bei denen anamnestisch keine Hausgeburt im ghanaischen Dorf angestrebt werden sollte. Aber manche Frauen mit Komplikationen entscheiden sich trotzdem dafür. Diesen Frauen kann wichtige medizinische Hilfe bei der Geburt fehlen.

In ghanaischen Kliniken kann es eine sehr unpersönliche und invasive Geburtsmedizin geben, die auch nicht für jede Frau das Beste ist.

Was wünschen sich ghanaische Frauen zur Geburt und was beeinflusst ihre Entscheidungen? Was können Klinikhebammen und TBAs voneinander lernen, zum Besten der betreuten Frauen? Dieser Frage widmet sich das Projekt »Filmscreening« von »Among us Women« mit anschließendem Erzählcafé (siehe Kasten).

 

Einsatz in Ghana?

 

Ich finde es mittlerweile schwierig, die ghanaische Lebensweise jemandem zu erklären, wenn er oder sie noch nicht dort war. Zu groß sind die Unterschiede. Ich bin überzeugt, dass es hilft, einmal

 

Im Rahmen eines Austauschprojektes ist Hebamme Sarah Hegdabui aus Ghana für zwei Wochen im Kreißsaal in Köln.

einzutauchen in die ghanaische Lebensrealität. Dann hat man eine Chance, sich mit einer ghanaischen Schwangeren ein bisschen über die riesigen Unterschiede zu unterhalten, vielleicht sogar gemeinsam darüber zu lachen. Dann ist das Eis gebrochen und es ist viel einfacher, einen gemeinsamen Weg in der Mitte zu finden, mit dem beide Seiten leben können.

Zu angestrebten Einsätzen in afrikanischen Kreißsälen möchte ich zu bedenken geben: Als Deutsche in Ghana für kurze Zeit in einem Kreißsaal zu arbeiten, bedeutet nicht unbedingt Hilfe für die Hebammen dort, obwohl viele Deutsche das so erwarten. Gäste im Kreißsaal machen auch in Deutschland Arbeit und sind sogar manchmal ein Störfaktor. Man muss sich zuerst gegenseitig kennenlernen, um dann gemeinsam Frauen zu betreuen. Aber es ist immer eine lohnende Erfahrung und eine Zusatzqualifikation, um Westafrikanerinnen im deutschen Setting passender betreuen zu können.

Hilfreich ist es jedenfalls, einen gut gefüllten Koffer mit Handschuhen, Nahtmaterial, Desinfektionsmittel und Antibiotika dabei zu haben. In den Tropen sind Verfügbarkeit und Haltbarkeit ein Problem und Besucher:innen aus Europa können materiell wirklich helfen.

Ghana erdet. Hebammen können es ausprobieren. Aber bitte mit einem interkulturellen Intensiv-Workshop vorher!

 

Fazit: Kultursensibler werden!

 

Anmeldegespräche zur Geburt im Kreißsaal bieten den einen Rahmen, um kultursensibel beide Seiten auf die Geburt vorzubereiten. Frauen aus anderen Kulturkreisen können explizit unter dem Kulturaspekt zu ihren Vorstellungen von der Geburt befragt werden. Geburtsberichte vorangegangener Geburten können der Hebamme wichtige Hinweise geben, welche Erwartungen die Frau an die bevorstehende Geburt hat. Hilfreich sind auch Fragen nach Stillerfahrung, Säuglingspflege und eigener Ernährung. Kultursensibilität ist arbeitsintensiv – aber eine wichtige Rassismusprävention!

Rubrik: Ausgabe 01/2024

Vom: 21.12.2023