Am Limit

  • Elisabeth Niederstucke und Alessandra M. Scheede, Redakteurinnen der DHZ: »Die Versorgung der Frauen mit Hebammenleistungen muss politisch gewollt sein!«

  • In vielen Kreißsälen Deutschlands leiden Hebammen unter der Last von Überstunden. Eine qualitativ wertvolle Arbeit ist so nicht zu schaffen. Ende letzten Jahres dann die Hiobsbotschaft: Die Hebammen sollen ab 2025 nicht mehr im Pflegebudget berücksichtigt werden, heißt es in den Nachrichten. Mehr als 1,4 Millionen Menschen wehrten sich gegen dieses Vorhaben und unterschrieben eine Petition von Change.org – mit Erfolg. Gesundheitsminister Karl Lauterbach ruderte zurück und sagte zu, die Geburtshilfe nun doch im Budget zu berücksichtigen.

    Hebammen arbeiten schon viel zu lange am – und über dem Limit ihrer Kapazitäten. Im September 2021 folgten deshalb viele Berliner Hebammen einem Aufruf von ver.di, die landeseigenen Betriebe zu bestreiken. Ein Schritt, den sie nicht ohne Unbehagen gingen, denn die Verantwortung als Hebamme abzulegen, fällt nicht leicht und ist schwer umsetzbar. Dennoch: »Hebammen müssen sich vernetzen, sich organisieren und das Streikrecht als eines wahrnehmen, das auch ihnen zur Verfügung steht«, wie Ann-Jule Wowretzko, erste Vorsitzende des Berliner Hebammenverband (BHV), im Interview mit Bettina Salis bekräftigt.

    In der Geburtshilfe muss Qualität an erster Stelle stehen, auch wenn das DRG-System Wirtschaftlichkeit fordert. Da müsse sich etwas ändern, betont Prof. Dr. Nina Knape im Gespräch in dieser Ausgabe: »Auch für Hebammen brauchen wir eine Personalbedarfsermittlung, die dann verbindlich umgesetzt wird. Dazu kommt, dass die Personalkosten für diese Umsetzung nichts in einer Fallpauschale zu suchen haben. Ausreichend qualifiziertes Personal einzusetzen, muss Vorfahrt vor einer betriebswirtschaftlichen Betrachtung haben.«

    Qualität und Wirtschaftlichkeit sind große Begriffe. Sie sind störanfällig und scheinen mitunter in verheerender Weise miteinander zu konkurrieren. Die Auswirkungen sind dann auf allen Seiten spürbar – bei den Hebammen, bei den Familien und in den Kliniken. Die Versorgung der Frauen mit Hebammenleistungen muss politisch gewollt sein!

    Versorgungslücken müssen geschlossen werden und der blinde Fleck der Nicht-Versorgung darf nicht dazu führen, dass am Ende die Versorgungsqualität falsch bewertet wird, weil Frauen, die es vielleicht gerade am nötigsten hätten, nicht erreicht werden. Das mahnt Daniela Erdmann in ihrem Artikel mit Blick auf die Wochenbettbetreuung an.

    Ermutigen wir uns und unsere Kolleg:innen, laut zu sein und die Möglichkeiten des Protests auszuschöpfen – sei es mit Streiks oder mit Petitionen, um unseren Forderungen im Sinne der Frauen und Familien Gehör zu verschaffen.