Der Geist guter Geburtshilfe

  • Katja Baumgarten: „Zum ‚Geist‘ kundiger Geburtshilfe gehört neben dem fachlichen Handwerk auch, die Dinge des Lebens von innen her zu begreifen.“

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    Als es Ende der 1970er Jahre hierzulande schon einmal spürbar schlecht um die geburtshilfliche Kunst stand, kursierte ein Buch aus den USA als „Geheimtipp" unter jungen aufbruchfreudigen Hebammen: „Spiritual Midwifery" von Ina May Gaskin. Es war ein Kultbuch zu einer Zeit, in der es Alternativen zur interventionsreichen, paternalistisch-schulmedizinischen Geburtshilfe kaum noch gab. Nur manche der gestandenen freien Hebammen und einzelne eigenwillige, widerstandsfähige Klinikhebammen boten vereinzelt noch eine andere Art der Betreuung an. Sie hatten bis in die 60er, 70er Jahre in einem eher konservativen Verständnis ihrer Arbeit und ihrer Berufsauffassung traditionelle Hebammenwerte bewahrt, als die Frauenbewegung die selbstbestimmte Geburt und die „Geburt ohne Gewalt" einforderte. Die letzten Kolleginnen, die noch Hausgeburtshilfe leisteten, waren plötzlich wieder sehr gefragt. Diese Hebammen vom alten Schlag hatten ihr Leben lang ihre eigenen Bedürfnisse und diejenigen ihrer Familien zurückgestellt, zugunsten ständiger Einsatzbereitschaft. Die umfassende Verfügbarkeit, mit der sie Mutter und Kind in entscheidenden Stunden mit Liebe und mit tiefem Verständnis für die Bedingungen des Mutterwerdens und des zur Welt Kommens „dienten", erscheint heute nicht mehr zeitgemäß und war schon damals nicht das Lebensmodell, das junge Frauen für sich selbst vor Augen hatten. Dennoch waren diese Hebammen ein sicherer Rückhalt für die Frauen, die sie durch die Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und Stillzeit führten – sie erschlossen und bewahrten ihnen entscheidende Kraftquellen.

    Ina May Gaskin, früher als „Hippie-Hebamme" und Außenseiterin von der Schulmedizin nicht wahrgenommen oder abgetan, genießt nicht erst seit ihrer Ehrung mit dem alternativen Nobelpreis im vergangenen Jahr Respekt auch von der etablierten Medizin. Heute wird sie von aufgeschlossenen Hochschulen eingeladen, ihr Verständnis von der Geburt zu vermitteln und ihr „Gaskin-Manöver" vorzustellen – die nach ihr benannte Vorgehensweise bei erschwerter Schulterentwicklung. Wir sind glücklich, sie im September beim DHZ-Kongress in Hannover zu begrüßen!

    Zum „Geist" kundiger Geburtshilfe gehört neben dem fachlichen Handwerk auch, die Dinge des Lebens von innen her zu begreifen. Dies ist vielleicht das Verbindende zwischen der Autorin von „Spiritual Midwifery" und den hiesigen Hebammen, die die Stafette der alten Hebammentradition über Generationen weitergereicht haben. Es ist an der Zeit, dass dieser Geist – das Wissen um die inneren Zusammenhänge und die Feinfühligkeit und der Respekt, sie zu erkennen und zu achten – eine Chance erhält, sich im schulmedizinischen Geburtsmanagement auszubreiten.