Die eigene Existenz schützen

„Macht doch mal ein Heft über belastende Geburtserfahrungen!“, schlug mir letztes Jahr eine Freundin vor, der ich gerade bei der Geburt geholfen hatte. Wann immer sie auf andere Mütter treffe, kämen enttäuschende, oft albtraumartige Geburtserlebnisse zur Sprache. Mit ihren vier glücklichen Hausgeburten komme sie sich meist als exotische Ausnahme vor. Woran liegt es, dass viele Frauen an die Geburten ihrer Kinder entweder lieber gar nicht oder mit Schrecken zurückdenken? Selbst wenn der Moment, das Neugeborene danach im Arm zu halten, im besten Fall für das Erlittene „entschädigt“, bleibt der Stolz auf die eigene Leistung und Potenz oft gebrochen. Hoffnungen, Erwartungen und die innere Vorbereitung auf eine harmonische Geburt – was schließlich Wirklichkeit wird, ist manchmal das Gegenteil von allem: Komplikationen, Interventionen und eine Wendung des Geschehens, die schicksalhaft und unvermeidlich erscheint. Vielleicht ist das Schwierigste, was nachträglich zu verkraften erscheint, wenn die Solidarität ausgeblieben war, wenn im Moment größter Not menschliche Geborgenheit und Respekt fehlten: eine Achtlosigkeit, ein rauer Ton, ein burschikoses Vorgehen der Helfer – bis hin zu grob missachtendem Verhalten.

Gerade dann beobachtet man manchmal, dass die frisch Entbundene sich defensiv selbst die „Schuld“ gibt, sich entschuldigt, dass sie nicht gut genug funktioniert hat, sich für die „Hilfe“ bedankt, selbst wenn diese sie in ihrer Konzentration gestört hat. Ich spreche nicht von den seltenen, notwendigen, lebensrettenden Maßnahmen, wo wenig Zeit bleibt, angemessen zu vermitteln. Es dürfte kaum eine Situation geben, in der über die Frau hinweg gehandelt werden muss. Auf traumasensible Betreuung sollte sich jede Frau verlassen dürfen.

Doch wie steht’s mit dem Berufsstand der Hebammen, die achtsam Frau und Kind in „ihren schweren Stunden“ beistehen, Kraft geben, Verantwortung tragen und sich verausgaben? Die Entwicklung hin zu ausufernden Berufshaftpflicht-Versicherungsprämien für freiberufliche Geburtshilfe, parallel zu zähen Verhandlungen um eine spartanische Vergütung, ist seit langem alarmierend und spitzt sich aktuell zu. Die teilweise untragbaren Arbeitsbedingungen chronischer Überlastung in den Kreißsälen, weit jenseits von wünschenswerter Eins-zu-eins-Betreuung ebenso. Wenn man beobachtet, wie der Hebammenstand von Jahr zu Jahr wirtschaftlich immer schlechter gestellt ist, bei immer mehr Bemühen um Qualität und Zusatzqualifikationen, wird die existenzielle Bedrohung für die Zukunft spürbar. Die dauerhafte Ohnmacht, im Gesundheitssystem keinen fairen Platz zu erhalten, kann schnell in eine traumatische Situation für den Berufsstand abgleiten – mindestens für eine Vielzahl einzelner Kolleginnen. Bei aller Behutsamkeit, Geduld und Feinfühligkeit für die betreuten Frauen und Kinder sollten Hebammen gleichzeitig auch wirkungsvoll für die eigene Sache eintreten und ihre Existenz schützen – zur Not radikal und kämpferisch.